Zitat:
Zitat von tandem65
Du hast Recht, ich habe Gründe um zu der Annahme zu kommen.
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Worauf gründen sich diese Annahmen und Überzeugungen? Mir sind zweieinhalb Quellen religiöser Erkenntnis bekannt:
1. Die unmittelbare
Selbsterfahrung. Zum Beispiel beim Erlebnis der Geburt eines Kindes, bei der sexuellen Verschmelzung mit einem geliebten Menschen, bei der Begegnung mit Schönheit und Harmonie und so weiter.
2a. Bei Schriftreligionen wie dem Christentum: Der Vorgang der
Offenbarung. Einem Menschen offenbart sich das Wissen um den wahren Gott und was er von uns will. Diese Offenbarungen fallen mitunter sehr detailliert aus ("gehet hin und haut den Zöllnern den Frack voll"), manchmal aber sehr allgemein und bedürfen der Auslegung. Noch ungeklärt sind aus meiner Sicht Fragen nach der Allgemeingültigkeit dieser Offenbarungen, auf deutsch: Was unterscheidet eine solche Offenbarung von einem spontanen Einfall meiner Nachbarin? Wie geht man mit einander widersprechenden Offenbarungen zweier Menschen um?
2b. Interpretationen, Ausschmückungen, Missverständnisse. Beispiel: Aus der bildlich zu verstehenden Jungfräulichkeit Mariens wurde über die Jahrhunderte eine konkrete, biologische Jungfräulichkeit. Aus der Vorstellung, ihre Seele sei in den Himmel gekommen, wurde allen ernstes die körperliche Himmelfahrt, was seit 1950 zum Glaubensdogma erklärt wurde.
Um die Überzeugungskraft dieser zweieinhalb Quellen religiöser Erkenntnis zu bewerten, ist es meiner Meinung nach hilfreich, sich eine einfache Frage zu stellen:
Was ist der Unterschied zwischen Glauben und Aberglauben?
Für mich lautet die Antwort folgendermaßen: Das entscheidende Kriterium ist die Wahrheit. Glaube ist, von der Wahrheit einer Sache überzeugt zu sein, ohne sie beweisen zu können. Aberglaube ist, wenn die Wahrheit keine Rolle spielt. Der vorausgesagte Weltuntergang der Mayas gestern Abend hat sich durch sein Nichteintreffen als Aberglaube erwiesen. Seit wir die Ursachen der Epilepsie kennen, dürfen wir die Überzeugung, die Mütter epileptischer Kinder hätten mit dem Teufel Verkehr gehabt ("Teufelsbuhlschaft"), als Aberglaube betrachten. Kurz: Unser sich entwickelndes Wissen trennt Glauben vom Aberglauben. Das Wissen ist der stärkste Verbündete des Glaubens.
Zurück zu den Quellen religiöser Erkenntnis und der Bewertung ihrer Überzeugungskraft: Fast alles, was unter die Rubrik 2b fällt ist Aberglaube und gehört theologisch entrümpelt. Offenbarungen Dritter (2) und der eigenen Selbsterfahrung (1) sind mit Skepsis zu begegnen, wenn man bedenkt, wie viel Quatsch sich der Mensch und die Menschen in der Geschichte bereits mit Inbrunst eingebildet haben. Fakten, die dem Glauben widersprechen, sind anzuerkennen, wenn der Glaube nicht zum Aberglauben verkommen soll.
Grüße,
Arne