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Szenekenner
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In Belluno...
Tag 24
8. August 2012
Rifugio 7° Alpini – Bolzano Bellunese – Vezzano – Belluno
Belluno! Italien! Ort der Minderwertigkeitskomplexe für die deutsche Durchschnittsfrau! Erst recht, wenn sie in einer beigen Wandershorts, einem ärmellosen Odlo-Laufshirt und beigen Crocks unterwegs ist. Die teilweise atemberaubend schicken Italienerinnen glotzen auf meine Füße und fragen sich vermutlich, aus welcher Institution ich wohl ausgebrochen sein mag. Ob sie eher an Knast oder an Klappse denken, vermag ich von ihren Gesichtern nicht abzulesen. Klar ist jedenfalls: Die Crocks gehen hier gar nicht und sind noch dazu bei der Hitze viel zu warm. Flipflops müssen her. Leichter gesagt als getan, denn zwar gibt es jede Menge schicke Schuhgeschäfte mit sehr hübschen Schuhen, aber stinknormale Gummi Flipflops? Fehlanzeige! Ich kann dann doch noch welche für 10 € erwerben. Besonders schön sind sie nicht, aber luftiger und passender als die Crocks.
Leichter ist es, ein Paar Turnschuhe für den weiteren Weg zu erwerben, denn ich werde definitiv nicht mit den schweren Wanderstiefeln den Weg durch die Ebene antreten. Ein paar ziemlich blaue Traillaufschuhe von Brooks machen das Rennen. Teuer sind sie, aber sehr bequem.
Ein Abenteuer ist der Besuch der Post, wohin ich die Tüte mit den Wanderstiefeln und einigen anderen Dingen schleppe, die ich nicht mehr brauche und deshalb nach Hause schicke. Nie wieder will ich über die Langsamkeit in deutschen Postämtern fluchen, denn der Untertitel dieses Besuches im Hauptpostamt von Belluno könnte „Die Entdeckung der Langsamkeit“ heißen. Als ich dann endlich dran bin, muss ich feststellen, dass man dort kein Wort Englisch oder Deutsch spricht und ich spreche ja kein Italienisch. Trotzdem gelingt es mir, mit Händen und Füßen verständlich zu machen, dass ich den Krempel nach Deutschland schicken will und dafür einen Karton brauche. Es gäbe noch viel über diesen Postbesuch zu schreiben, aber lassen wir das... Jedenfalls überlege ich nur kurz die ganze Aktion abzublasen, als die Postbeschäftigte mir den Schnäppchenpreis von 38 € für das Paket nennt. Ob das der normale Preis für ein – zugegebenermaßen ziemlich schweres – Päckchen ins europäische Ausland ist oder sie mir zur Strafe für meine nicht vorhandenen Italienischkenntnisse einen Express-Super-Eil-Tarif angedreht hat, wird für immer ungeklärt bleiben...
Leicht abgenervt ziehe ich weiter und widme mich, angeregt durch die glühende Hitze hier in Belluno und durch die Aussicht auf das Bad in der Adria in einigen Tagen, erst mal Dingen, die ich wirklich gut beherrsche: Bikini-Shopping! Ohne groß zu fackeln, erwerbe ich zwei Stück und freue mich darüber.
Ein Eis in einer kleinen Eisdiele, das ich danach zu mir nehme, stellt sich als eines besten heraus, das ich in meinem Leben gegessen habe und lässt mich die Post-Erlebnisse endgültig vergessen.
Am Abend gehe ich mit Alex und Theresa, den Kölnern Gerd und Winfried sowie der Psychotherapeutin Gisela, die hier in Belluno ihre Tour beendet, essen und stelle fest, dass die Italiener nicht nur Eis, sondern auch Pizza am besten können.
Um 21:30 Uhr werde ich unruhig, weil ich Angst habe, dass die kleine Eisdiele schließt und verabschiede mich von den anderen, weil ich dringend noch so ein Eis brauche. Hurra! Meine Sorge ist unbegründet, in der Eisdiele herrscht noch reger Betrieb. Aufgedonnerte Italienerinnen springen aus einem fetten Auto, in dem ein lässiger Typ am Steuer sitzt und holen Eis. Ich nehme wieder drei Kugeln und setze damit meine in den Alpen errungenen, sichtbaren Erfolgen in Sachen Shakira-Bauch sehenden Auges auf’s Spiel. Aber wer weiß, wann im Leben ich noch mal so köstliches Eis kriege?
Eis essend schlendere ich durch das hübsche Belluno und habe gute Laune. Den Weg morgen werde ich alleine fortsetzen, weil Alex, Theresa und die Kölner einen leicht anderen Weg nach Venedig gehen.
Hab’ ich noch was vergessen? Ach ja, der Weg vom Rifugio 7° Alpini nach Belluno: Darüber muss man nicht viele Worte verlieren. Es geht fast nur bergab, das einzig bemerkenswerte sind so genannte Gumpen, die der Torrente Ardo bildet, eine Art natürliche Badewannen mit eiskaltem, kristallklarem Wasser. Nach dem Eisbad im Grindlersee kann mich nichts mehr schocken, so dass ich natürlich in so eine Badewanne steige. Alex auch, Theresa kneift.
Mit den Orten Gioz, Bolzano Bellunese und Vezzano ist es dann endgültig vorbei mit der Einsamkeit und diesmal wird sie auch nicht zurückkehren, wie zuvor nach Begegnungen mit dem normalen Leben.
Dann erreichen wir Belluno und ich stürze erst mal in den Obstladen gleich am Ortseingang, denn Obst ist ja auf den Hütten eher Mangelware. Den restlichen Marsch von 2-3 km ins Stadtzentrum hätte ich auf später verschoben, wenn ich gewusst hätte, dass ich dann das ätzende Stück nicht zweimal hätte gehen müssen, denn der einige Waschsalon liegt genau hier an diesem Ortseingang. In diesem Waschsalon mache ich dann später den Fehler, mein durch die Konfrontation mit italienischen Frauen ohnehin angeschlagenes Selbstbewusstsein weiter zu zerstören, in dem ich mir die Wartezeit mit dem Durchblättern einer italienischen Modezeitschrift zu vertreiben.... Italienische Durchschnittsweiber scheint es nicht zu geben, in Hochglanzmagazinen natürlich eh nicht.
Die Bilder:
- Grauenhaft, diese italienischen Toiletten...
- Badegumpen
- Die Italiener gedenken an vielen Orten den Partisanen des 2. Weltkrieges
- Über die A 27 wäre ich ruckzuck da...
- Man beachte, dass in Italien Kreuze sogar im Waschsalon hängen!
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