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triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Challenge Barcelona 2011
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 05.10.2011, 02:12   #170
Klugschnacker
Arne Dyck
triathlon-szene
Coach
 
Benutzerbild von Klugschnacker
 
Registriert seit: 16.09.2006
Ort: Freiburg
Beiträge: 25.047
Vielleicht habe ich in meinem kurzen Rennbericht die Situation meines Ausstiegs etwas zu salopp formuliert. Ich rechnete nicht mit so einem Echo.

Es trifft die Sache nicht, ich sei einfach ausgestiegen, als ich keine Lust mehr gehabt hätte. Es gibt kaum eine Stelle an meinem Körper, die mir heute nicht wehtut. Ich habe das Rennen mit vollem Einsatz meiner derzeitigen Möglichkeiten bestritten.

Ich habe mich auch keineswegs geschont oder Wellness gemacht, sondern bin mit einer Radzeit von 4:50 Stunden als Wettkämpfer unterwegs gewesen und nicht als Tourist. Vielleicht ist das nicht jedem klar, was für eine Plackerei ich bereits hinter mir hatte, als ich in den Marathon startete.

Nach ca. 6:10 Stunden war ich auf der Laufstrecke und hatte mir eine Laufzeit von 3:35 Stunden vorgenommen (in Roth bin ich nach 5 Wochen Laufpause 3:45 gelaufen). Ich war also auf Kurs zu 9:45 Stunden. Das ist für meine Verhältnisse okay, und ich will damit ausdrücken, dass ich nicht völlig untrainiert nach Spanien gefahren bin, auch wenn ich nicht in Bestform sein konnte. Es ist aber eine Form, mit der ich mir eine Langdistanz durchaus zutrauen kann. Mit solchen Zeiten qualifiziert man sich in meiner Altersklasse für Hawaii.

Beim Laufen hat mich dann einfach hitzemäßig der Schlag getroffen. Erst vier Stunden nach dem Rennen konnte ich erstmals etwas essen und trinken, von einem kleinen Regenerationsdrink aus meinem Rucksack mal abgesehen. Während des Laufens spürte ich meinen unnormal hohen Puls in den Augäpfeln pochen. Ich glühte aus dem Gesicht und hatte permanent das Bedürfnis, mich aus der Sonne zu drehen. Blasen an den Füßen durch die nassen Socken und vom Radfahren wundgescheuerte Stellen, die fortwährend brannten, brauche ich eigentlich gar nicht erwähnen, denn sie sind normal, ebenso wie die breite Wunde im Nacken vom Neoprenanzug. Trotzdem lief ich weiter, stoppte jeden Kilometer auf der Uhr, trank, kühlte mich und blickte nach vorne. Ich war in einem Rennen.

Ich habe schon ein paar Rennen in meinem Leben gemacht und weiß, wie sich ein Körper anfühlen darf, der es bis ins Ziel schafft. Ich war definitiv nicht mehr in diesem Bereich. Gut, ich hätte ins Ziel wandern können, in der prallen Sonne, die mir ja am meisten von allem zusetzte. Ich hätte auch noch, und daran entzündet sich wohl die Kritik, noch ein paar Kilometer weiter laufen können, ohne tot umzufallen. Ich wäre aber an diesem Tag nicht ins Ziel gelaufen. Die Frage war nur, ob ich bei Kilometer 22, 27 oder 32 geschlagen bin.

Ich entschied mich für Kilometer 22, an der letzten schattigen Häuserecke. Die Gründe dafür liegen auch im privaten Bereich, daher will ich sie nur andeuten.

Mein Leben erfordert sehr viel Disziplin von mir, um alles auf die Reihe zu bekommen (was mir keineswegs immer gelingt). In den letzten sieben Jahren war ich genau eine Woche richtig im Urlaub, in Alcudia, ohne Laptop, ohne Verpflichtungen. Ich mache das alles sehr gerne, aber meine Freunde sagen mir in letzter Zeit häufiger, ich bräuchte mal Urlaub, müsste mir was gönnen und mal Fünfe grade sein lassen.

Da kam mir die Challenge Barcelona gerade recht. Spanien! Einfach das Rad ins Auto pfeffern und los! Nicht ewig nachdenken, abwägen, weder klug noch vernünftig sein wollen, einfach machen. Als ich das Meer erreichte, zog ich das T-Shirt aus und breitete die Arme im warmen Wind aus, ich konnte mich gar nicht dagegen wehren. So stand ich eine Weile mit geschlossenen Augen und freute mich.

Sicher hätte ich beim Marathon mit eiserner Selbstdisziplin mehr erreicht. Aber mein kurzer Urlaub war ja gerade eine Pause von dieser ständig geforderten Eigenschaft. Eigentlich hatte ich bereits wieder viel zu viel Härte und Selbstverzicht gezeigt. Stundenlang habe ich mich angestrengt und gequält, mehr als so mancher sportliche Leichtmatrose sich vorstellen kann. Aber meine längst überfällige Mission bestand ja darin, es mal etwas lockerer anzugehen, wenigstens für ein paar Tage. Charakterzügen, die in der Lage sind sich gegen Dich zu richten und Dich aufzufressen, mal eine Grenze zu setzen.

Mit diesen noch unklaren Gedanken und Einsichten blieb ich erschöpft in einem Schattenfleckchen stehen. Eher zu spät als zu früh.

Grüße,
Arne
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