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triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Triathlon "old school": Schneller durch Verzicht?
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Alt 21.01.2010, 18:42   #203
Klugschnacker
Arne Dyck
triathlon-szene
Coach
 
Benutzerbild von Klugschnacker
 
Registriert seit: 16.09.2006
Ort: Freiburg
Beiträge: 25.049
Mir ging es, seit ich Ausdauersport mache, immer darum, möglichst schnell ins Ziel zu kommen. Dieser in meinen Augen ganz natürliche sportliche Ehrgeiz hat alle Trainings- und Materialfragen bestimmt. Ich war und bin scharf auf alles, was schneller macht.

Deshalb habe ich alle Entwicklungen bei Material, Ernährung(sergänzungen) und für das Training stets intensiv und im Detail verfolgt. Sehr vieles habe ich selbst ausprobiert, manches bei Mitstreitern genau erfragt. Auf diesem Weg habe ich zweifellos für mich einige Dinge entdeckt, die mich schneller machen. Vor allem sind das Impulse für das Training gewesen, aber es waren auch Material- und Ernährungstricks dabei, auf die ich als aktiver Wettkämpfer nicht mehr verzichten möchte.

Um es klar zu sagen: Ich habe heute ein erheblich schnelleres Rad unter dem Hintern als zu meinen Anfängen. Kompressionsstrümpfe funktionieren super für mich, und ich trage sie bereits auf dem Rad. Ferner nutze ich einige sehr praktische Eiweißbausteine ("Aminosäuren") in Wettkampf und Training.

Um mich noch weiter zu outen, eine Anekdote zur Verhältnismäßigkeit: Als junger Hirsch, gerade aus dem Zivildienst in die Freiheit entlassen, schlief ich über eine Woche lang im Auto, um am Staudamm des Mattmarksees bei Saas Fee Höhentraining zu machen. Auf diesem 800 Meter langen Damm lief ich einsam hin und her und spulte meine Kilometer ab. Den Rest des Tages lag ich bewegungslos im Auto ("Regeneration!") und langweilte mich in Grund und Boden. Nachts fror ich wie ein Schneider. Als ich kein Geld für Essen mehr hatte, fuhr ich mit dem letzen Tropfen Benzin mit Tempo 60 auf der Autobahn nach Hause.

Wozu das Ganze? Um im Nachbarort an einem Berglauf eine gute Zeit zu laufen. Ums Haar wäre ich zu spät zum Start gekommen, denn ich wollte wenige Minuten vor dem Startschuss ums Verrecken meinen Darm um unnötige 10 Gramm Ballast befreien. Im letzten Moment beschloss ich, außerdem meine Socken auszuziehen und warf sie ins Gebüsch.

Das war natürlich völlig unverhältnismäßig – aber es hat mir großen Spaß und Lebenssinn gegeben und war eine sehr intensiv erlebte Zeit. Für mich ist es fraglich, ob man den Begriff der Verhältnismäßigkeit überhaupt auf etwas anwenden kann, was für sich genommen eine sinnlose Tätigkeit darstellt (von gesundheitlichen Aspekten einmal abgesehen). Triathlon ist bei uns Nichtprofis sinnlos – eine "gute" Endzeit ebenso wie eine "schlechte". Der einzige Sinn ist Spaß. Die Verhältnismäßigkeit unserer Herangehensweise muss sich also am Spaß messen und nicht am Wettkampfergebnis. Angemessen ist, was Spaß macht.

"Old school" bin ich nach meinem Verständnis in gewisser Weise trotzdem. Klar, ich will das schnellste Material, aber ich brauche das nicht jedes Jahr neu. Mein Rennrad und mein Triathlonflitzer sind aus dem Jahr 2002. Ich habe das Wettkampfrad seither im Detail verbessert. Neue Laufräder, die bei Tempo 50 wackelig gemessene 2 Watt sparen, lassen mich kalt. Aber bezüglich meiner Sitzposition, dem Kraftschluss mit dem Pedal oder einem einem womöglich rutschigen Sattel werde ich zum Werwolf. Ich glaube das ist etwas, was dude meinte: Man muss die Potentiale an den richtigen Stellen suchen.

Im Wettkampf zählt für mich nur die Rangliste und nicht das Material oder Trainingsphilosophien. Wenn einer mit einem 5.000 Euro Rad, modernsten Laufschuhen, Kompressionssocken und einem Neo von der NASA bei einem Trainingsaufwand von 25 Wochenstunden (eigener Coach für jede Disziplin) um 1 Minute schneller war als ein 15-Stunden Oldschooler mit Stahlrad – dann war er schneller. Punkt!

Viele Grüße,
Arne, Jahrgang 69
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