Arne Dyck triathlon-szene Coach
Registriert seit: 16.09.2006
Ort: Freiburg
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Menschen sind nicht nur körperliche, sondern auch geistige Existenzen. Wir haben seit Jahrtausenden das Bedürfnis, unseren geistigen oder spirituellen Hunger zu stillen. Selbst unsere frühesten Kulturen oder die ärmsten Gemeinschaften stell(t)en sich die Frage, warum wir auf der Welt sind und welchen Sinn das hat.
Heute ist die Kosmologie an einem Punkt, an dem sie wichtige Beiträge zur Beantwortung dieser Frage liefern kann. Wem das etwas zu hoch gegriffen erscheint, kann ich das im Folgenden erläutern.
Voraussetzungen für das Leben
Damit Leben entstehen kann, müssen sehr viele Naturkonstanten ganz bestimmte Werte haben: Die Bindungskräfte zwischen Atomen müssen komplexe Moleküle ermöglichen, ohne dass diese sofort zerfallen. Die Gravitation muss genau so stark oder schwach sein, dass sich Gaswolken zu Sonnen zusammenballen können und dass Planeten sie auf stabilen Bahnen umkreisen können (sonst wird es organischen Verbindungen zu heiß oder zu kalt). Und so weiter. Die Forschung hat verblüfft festgestellt, dass sehr viele Naturkonstanten mit einer Genauigkeit von 40 Stellen hinter dem Komma exakt die Werte haben müssen, die wir heute vorfinden, sonst können weder Sonnen noch Planeten und auch kein Leben entstehen. Zu Recht fragt man sich daher: Ist das Zufall, dass in unserem Universum die Naturkonstanten so "lebensfreundlich" eingepegelt sind? Das ist eine sehr weitreichende Frage, die auch die Philosophie und die Theologie berührt.
Es gibt vor allem zwei Gedankengänge, die das Mysterium der Lebensfreundlichkeit des Universums erklären sollen:
1. Gedanke:
Es gibt nicht nur ein Universum, sondern sehr viele, vielleicht sogar unendlich viele. In jedem davon gelten andere Naturgesetze und Naturkonstanten. Wir befinden und in einem Universum, in dem rein zufällig die Naturkonstanten und die Naturgesetze so zu liegen kamen, dass Leben möglich ist. Das Leben wäre wahrscheinlich das Ergebnis eines Zufalls.
Woher kommen die unendlich vielen Universen? Buchstäblich durch Tod und Wiedergeburt: Nach dem Urknall dehnt sich das Universum explosionsartig aus, doch durch die Gravitation wird der Schwung der Explosion allmählich abgebremst. Irgendwann dehnt sich das Universum nicht weiter aus, sondern stürzt wieder in sich zusammen. Nach einer kosmischen Kollision gibt es einen neuen Urknall, der gleichzeitig der Tod eines Universums und die Geburt eines neuen ist.
2. Gedanke:
Es gibt nur ein Universum, aber die Naturkonstanten sind nicht wirklich "konstant", sondern können sich unter bestimmten Umständen ändern. Das würde bedeuten, dass die für das Leben so günstigen Werte nicht von Anfang an gegeben waren, sondern sich erst nach einen Regelprozess realisiert haben. Diese Werte und damit die Lebensfreundlichkeit unseres Universums wären damit nicht zufällig.
Derzeit laufen viel versprechende Forschungen in diese Richtung. Theoretische Physiker haben in ihren Gleichungen Hinweise auf veränderliche Naturkonstanten gefunden; die Experimentalphysiker versuchen nun, solche Effekte zu messen.
Das Deuterium und Gott
Ob wir in einem pulsierenden Universum leben (Gedanke 1) oder in einem unendlich lange währendem (Gedanke 2) hängt entscheidend von der Materiedichte des Universums ab: Gibt es genug Masse, die sich gegenseitig durch die Gravitation anzieht, um sich dem Schwung der Urknallexplosion entgegenzustemmen? Dann wäre die Lebensdauer des Universums zeitlich begrenzt und eine pulsierende Abfolge zahlloser Universen wäre eine Möglichkeit. Oder reicht die Masse nicht aus um die Explosion abzubremsen? Dann bewohnen wir ein endlos auseinanderfließendes Universum, in dem alle Sterne irgendwann verlöschen und sich alle Energie so weit verdünnt, dass alles erstirbt.
Also: Wie dicht ist die Materie unseres Universums? Interessanterweise können wir das messen, aber nicht am heutigen Universum, sondern für die Zeit, als es etwa eine Sekunde alt war! Ich erkläre kurz, wie das funktioniert und was das mit dem Mondwasser zu tun hat.
Als das Universum noch ein Baby war, war es noch so heiß, dass keine Atome existieren konnten. Erst eine Hunderttausendstelsekunde nach dem Urknall war es so weit abgekühlt, dass sich Quarks zu Protonen und Neutronen zusammenballen konnten. Das war die Geburtsstunde der uns vertrauten Materie, denn aus diesen Kernbausteinen baut sich alles auf, was wir heute an Materie kennen. Atomkerne gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine, denn dafür war es noch zu heiß. Erst eine Sekunde später war es so weit: Das Universum war auf rund zehn Millarden Kelvin abgekühlt, und nun verbanden sich Protonen und Neutronen zu Atomkernen und bildeten die ersten Elemente, vor allem Wasserstoff und Helium.
Interessant ist vor allem das Helium. Es wurde aus Wasserstoffatomen zusammengebacken, allerdings nicht direkt, sondern über eine Zwischenstufe, das Wasserstoffisotop Deuterium: Aus Wasserstoff bildete sich zunächst Deuterium und daraus Helium. Als das Universum drei Minuten alt war, hatten sich die Verhältnisse so weit geändert, dass kein Deuterium mehr gebildet werden konnte. Alles Deuterium, das wir heute noch vorfinden können, stammt aus dieser Epoche in den ersten drei Minuten des Universums nach dem Urknall.
Jetzt wird es spannend: Bei der gerade beschriebenen Umwandlung von Wasserstoff zu Deuterium und weiter zu Helium wurde quasi Deuterium verbraucht, denn es wurde zu Helium umgewandelt. Das geschah einfach durch Kollision, also durch Zusammenstöße. Je mehr Zusammenstöße es gab, desto mehr Helium wurde damals gebildet und desto mehr Deuterium wurde in diesem Prozess verbraucht. Die Häufigkeit dieser Kollisionen und damit der Verbrauch an Deuterium hängt aber sehr empfindlich von der Dichte des damaligen Universums ab.
Nun haben wir den Fisch am Haken: Die Menge an Deuterium, die wir heute vorfinden, hängt direkt zusammen mit der Materiedichte des Universums zur Zeit bis 3 Minuten nach dem Urknall. Da sich die Größe des Universums zu dieser zeit berechnen lässt, haben wir damit ein genaues Maß für die Materiemenge, die im Universum enthalten ist. Diese Materiemenge entscheidet darüber, ob wir in einer pulsierenden Abfolge zahlloser Universen leben, oder ob es vielleicht nur ein einziges, unendlich währendes Universum gibt, dessen Naturkonstanten sich in einem selbstreflexiven Prozess auf potentielle Lebensfreundlichkeit einstellen. Das Deuterium macht dadurch eine Aussage zu der Frage, ob wir zufällig auf der Welt sind oder nicht.
Die Häufigkeit von Deuterium wurde genau untersucht, indem man Licht aus dem äußersten Rand des Universums untersucht hat. Die gefundenen Ergebnisse wurden von mehreren anderen Gedankengängen und Messungen bestätigt:
Wir leben in einem "offenen" Universum, das sich nicht wieder zusammenziehen, sondern bis in alle Ewigkeit expandieren wird. Die Geschwindigkeit dieser Expansion wird immer weiter zunehmen. Das Universum wird dadurch immer kälter. Alle Ansammlungen von Energie verdünnen sich zunehmend; alle Sterne in allen Galaxien werden für immer verlöschen. Es wird dunkel und kalt, und zwar an jeder Stelle des Weltraums. Trotzdem ist dieses erstarrende Universum ein per se lebensfreundliches Universum gewesen, und die Wahrscheinlichkeit ist etwas kleiner geworden, dass dies ein Zufall war.
Das Mondwasser
Das Mondwasser ist möglicherweise 3 Milliarden Jahre alt. Es ist, wie auch sämtliches Wasser der Erde, aus den Vulkanen ausgeschwitzt worden. Wer weiß, welche Gase oder Stoffe in diesem Wasser gelöst sind? Und ob in diesem Wasser eine Information steckt, die wie das Deuterium plötzlich in Zusammenhang mit den uralten Fragen der Menschheit stehen?
Ob das Mondwasser Grundlagenforschung ist oder nicht, hängt allein von den Fragen ab, die wir in der Lage sind, an es zu stellen. Jetzt oder in Zukunft.
Viele Grüße,
Arne
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