Zitat:
Zitat von Schwarzfahrer
Da aber aktuell in Deutschland das Bestehen auf kultureller Identität eines Volkes negativ bewertet wird, geht man auf diese Ängste gar nicht ein, sondern unterstellt nur finanzielle Ängste, weil man diese viel einfacher (und zurecht) als nicht stichhaltig entkräften kann.
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Aus meiner Sicht ist es in der Tat nicht gut, wenn man vorhandene Ängste ignoriert oder nur mit Ablehnung reagiert. Die Angst vor Ausländern und fremden Kulturen in Deutschland ist eine Tatsache, mit der man sich politisch und gesellschaftlich auseinandersetzen muss.
Schwierigkeiten habe ich mit dem Begriff der kulturellen Identität. In Deutschland haben wir aus meiner Sicht vor allem eine kulturelle
Vielfalt, weniger eine kulturelle
Identität. Um ein persönliches Beispiel anzuführen: Ich fühle mich einem in vegetarisch lebendem Physiklehrer aus Sydney näher, als einem AfD-wählendem Schlachthofbesitzer aus Sachsen-Anhalt. Weil wir uns kulturell näher sind, obwohl uns sowohl geografisch als auch national vieles trennt. Wir Deutschen sind untereinander kulturell nicht identisch.
Die kulturelle Identität unterliegt außerdem einem steten Wandel. In diesem Forum sind aktuell 14.523 Personen registriert. Doch ich wette, keine 10 davon wären in der Lage, auch nur eine einzige Melodie von Beethoven zu summen, außer dem berühmten Eingangsmotiv seiner 5. Sinfonie und dem Chor aus der Neunten. Wer wüsste sicher etwas von Goethe zu zitieren? Wer kann spontan einen einzigen berühmten deutschen Maler der Moderne nennen (Gustav Mahler ist falsch)?
Früher standen diese Namen für die deutsche kulturelle Identität, heute jedoch nicht mehr. An ihre Stelle sind andere Namen getreten. Die Generation der heutigen Kinder wird wiederum eigene Namen hervorbringen. Es ist aussichtslos und falsch, die jeweils aktuelle kulturelle Identität für die Zukunft festschreiben zu wollen. Noch verkehrter ist es, Kriegsflüchtlinge für diesen Wandel verantwortlich zu machen. Denn auch ohne sie wird die nächste Generation eine andere kulturelle Identität haben als die vorhergegangene.
Stimmt nicht? Dann möge jeder einfach seine Großeltern befragen. Internet, Europäische Union, Dschungelcamp, facebook, Foren, Klimawandel, bedingungsloses Grundeinkommen, Techno-Raves, Ehe für alle, massenhafter Kindesmissbrauch in den Kirchen, Antibiotika in allen Fleischwaren, Mission zum Mars, Elektromobilität, 80% des weltweiten Datenverkehrs in Form von Pornografie, WhatsApp und Flugreisen nach Malle für 59 Euro wären empfehlenswerte Themen. Ist unsere kulturelle Welt mit denen unserer Eltern und Großeltern identisch?