Schon lange haben wir das Mannschaftszeitfahren HH-Berlin im Forum diskutiert. Schlussendlich entschlossen sich Jens, Stefan Will und ich zur Teilnahme. Als wir für die Veranstaltung gemeldet haben war ich mir ziemlich sicher, dass das eine total lockere Sache wird, denn wir leben ja im Klimagürtel der steten Westwinde, was bedeutet, dass ich fest glaubte, von einem Westnordwest Stärke 4 ohne viel treten nach Berlin geblasen zu werden. Den Rest, dachte ich, erledigt mein Talent als Lutscher. Dachte ich. Aber, ihr wisst ja, was zählt is aufm Platz und die Wettervorhersage war exakt das Gegenteil: Südost 4, gerne auffrischend, immer mit reichlich Regen. dns? Natürlich nicht. Alle waren da, eine echte Traditionsveranstaltung des Audax Club SH, massig Bekannte aus der Tri-, Rad- und Ausdauerszene. Und finanziell ein echter Schnapper: 30 € Startgeld inkl. eines Frühstücks in Allermöhe sowie einer Gulaschsuppe in Spandau. Wow.
Die Bedingungen waren unterirdisch. Den Regen hält man aus, den Wind auch, wenn geschickt zusammengearbeitet wird, ein echtes Problem ist aber das Wasser, das von den Hinterrädern der Vordermänner aufgewirbelt, und, mit Sand, Schlamm und Kuhdung angereichert, dem Aktiven direkt ins Gesicht geschleudert wird. Interessant, wie das Aroma sich ändert, von Hamburg über Schleswig-Holstein und Niedersachsen sowie Sachsen-Anhalt und Brandenburg nach Berlin. Sieben Bundesländer an einem Tag, und das in einem Wettkampf, beat this.
Das Mannschaftszeitfahren ist eigentlich gar kein richtiger Wettkampf, er hat eigentlich eher Randonneurscharakter, soll heißen, wer sich stellt ist schon ganz weit vorn, wer ankommt ist ein Sieger, unterwegs denkt man vor allem an andere: biete Windschatten, helfe mit Material und Werkzeug, Freude wird generiert durch das gemeinsame Erleben. Es gibt zwar eine Ergebnisliste aber keine Urkunden. So war es bei uns so, dass wir ca. auf halber Strecke einige Sportkameraden von Radsportclub Göttingen getroffen haben, sie waren fünf, wir waren drei, dazu kamen noch zwei Einzelstarter und so hatten wir eine lockere Gruppe von zehn Leuten, die in Zweierreihe richtig schön Meilen machte, sich regelmäßig in der Führung abwechselte und durch regelmäßige Durchmischung auch für reichlich Unterhaltung sorgte, das übliche halt: „Wie war die Saison?“ „Wo bist Du gewesen?“ „Schönes Rad!“ usw., usf.
Na klar, das war wirklich kein Zuckerschlecken, Es dauerte eigentlich nur eine halbe Stunde, da waren wir durchnass, es regnete ganz wunderbar, seitlich von vorn. Nass auch die Kamera, das Handy und das Portemonnaie. Schön ist ja, dass man auch nach 12 Jahren in der Triathlonszene immer noch was dazulernt, meine heutige Lektion: steht man mit durchnasser Radhose auf, um sich mal die Beine lockerzufahren und sie zu strecken, fließt das Wasser aus der Hose in die Schuhe. Aha. Eine wertvolle Information, die jüngeren Triathleten unbedingt zugänglich gemacht werden muss.
Nach 95 km und ca. 3,5 h erreichen wir Dömitz. Ein interessanter Ort, denn hier befindet sich eine Eisenbahnbrücke, die im Krieg zerstört worden ist. Auf der Westseite sind alle Brückenköpfe erhalten und stehen unter Denkmalsschutz, sieht gut aus, auf der Ostseite wurden in Zeiten der DDR alle geschleift. Da die Eisenbahnstrecke von Lüneberg nach Wittenberge nicht so richtig wichtig ist, wurde die Strecke natürlich nicht wieder aufgebaut, von der Straßenbrücke, die kurz nach der Wende errichtet worden ist, hat man aber einen schönen Blick auf das Denkmal.
Kurz darauf ist die einzige Kontrollstelle der Strecke, wo wir nochmal nett verpflegt werden. Ein Drittel ist vorbei.
In Mecklemburg und Brandenburg sowie Sachen-Anhalt gibt es endlose Passagen durch Wälder und Felder, keinerlei Verkehr, auch nicht auf der Bundesstraße, kaum Ansiedlungen und wenn, dann Orte, die alles hinter sich haben wie Wittenberge. 2/3 der Einwohner sind weg, Arbeit gibt es nicht, es ist trostlos. Nur weiter.