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Oktoberfestgedicht von Ludwig Thoma:
Die Abenteuer des Gymnasiallehrers
(Teil 3 von 5)
Wie ein Moralprinzip verschwindet
Selbst aus dem stärksten Intellekt,
Wenn man ein hübsches Mädchen findet
Und eine Flasche Sekt!
Auch Josef mußte dies erfahren,
Und an sich selbst sah er die Spur
Der ewig gleich unwandelbaren,
Das All beherrschenden Natur.
Schon wollt‘ er sich im Walzer drehen
Und sucht‘ im Tanze den Genuß;
Doch mußte er sich eingestehen,
Daß man auch dieses lernen muß.
Er mühte schwitzend sich im Kreis,
Er drehte sich nach rechts und links,
Versucht’s auf die uns andre Weise
Und fand’s unmöglich schlechterdings.
Er wußte zwar von den Hellenen,
Wie man im Auftakt sich bewegt,
Doch lernt‘ er leider nicht bei jenen,
Wie man das Schwergewicht verlegt.
Mit stattlichem Gelehrtenschuhe
Trat er dem Mädchen auf die Zeh‘;
Sie bat ihn flehentlich um Ruhe,
Denn auf die Dauer tut es weh.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
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