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Szenekenner
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Kriegerische Idylle...
Tag 9
24. Juli 2012
Wattens – Lager Walchen – Lizumer Hütte
Es gefällt mir zum ersten Mal nicht wirklich, an der Hütte anzukommen, das Ziel zu erreichen. Das liegt nicht an der Gegend, die ausnehmend schön ist, sondern an dem Militär, das die Szenerie beherrscht. Das ganze Gebiet gehört dem österreichischen Bundesheer, auch die Lizumer Hütte und gerade halten Österreichische und deutsche Soldaten hier eine große Übung ab. Überall Zelte, Militärfahrzeuge, Soldaten in Uniform, ein Hubschrauber fliegt dicht über der Hütte vorbei. Mich stößt das ab, ich kann es nicht ändern, kann keine positive Haltung zum Militärischen einnehmen, nicht einmal eine neutrale. Es löst in mir eine Angst und eine Beklemmung aus, Angst vor Krieg.
Idyllisch dagegen ist zunächst der Weg von Wattens hier hinauf. Ich mag es, aus den Tälern aufzusteigen. Unten die Orte, an die Hänge gebaut, dann noch einzelne Häuser, immer spärlicher werdend und dann gar nicht mehr.
Überall um mich ist’s so grün und überall, überall fließen Wasser: Kleine, blubbernde, gurgelnde, eilige, verspielte, reißende, flache, liebliche, tief stürzende und immer glasklare Wasser!
Immer wieder bildet der Wattenbach, an dem entlang wir heute hinauf gehen, kleine Becken, die einladend aussehen. Einer Einladung folge ich, ziehe mich nackt aus und nehme in so einer Badewanne ein eisiges Bad. Innerlich juchze ich vor Vergnügen und äußerlich quiecke ich als mein Körper ins eiskalte Wasser eintaucht. Als ich aus dem Wasser heraus steige, ist er noch ein paar kurze Momente taub und wie gelähmt, aber danach prickelt es herrlich von Kopf bis Fuß.
- Ein seltsamer Abend. André ist betrunken und bekifft. Eben kommt er mit Kai im Schlepptau, einem 29 jährigen Soldaten, der hier an der Bundeswehrübung teilnimmt, bevor er in den Kosovo muss. Mit ihm spreche ich eine Weile über seinen Beruf, dem gegenüber ich voreingenommen bin und mich jetzt (wieder einmal) frage, ob diese Voreingenommenheit einen vernünftigen, einen richtigen Hintergrund hat. Vielleicht, aber ich könnte es nicht begründen, weshalb es nichts wert ist. Vielleicht nicht, was noch schlimmer wäre.
Der Abend endet so seltsam, wie er begonnen hat: militärisch. In der Nacht halten die Soldaten eine weitere Übung ab und bis ca. 1 Uhr ist die Nacht erfüllt von den Furcht einflößenden Detonationen von Mörsergranaten und von Gewehrfeuer. Meine Urangst vor Krieg ist hellwach und ich fühle mich zum ersten Mal auf der Reise angespannt und nicht glücklich. Gut, dass André im Drogenrausch jenseits von Gut und Böse ist, so haben wir wenigstens zu Lachen, als wir uns lärmend und die anderen störend ins Matratzenlager verkrümeln...
Die Bilder:
-Ab dem Gasthof "Säge" geht's am wilden Bach entlang. Venedig ist schon ausgeschildert!
- der Wattensbach, wild und wunderschön!
- Eine Gedenktafel für den 1870 ertrunkenen Simon Steinlechner, der ein Kalb aus dem Bach retten wollte.
- Wir zünden die Kerze zu seinem Gedenken wieder an.
- Meine Badewanne.
Geändert von bellamartha (22.08.2012 um 19:09 Uhr).
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