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Alt 11.03.2008, 12:29   #3
Jimmi
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7,5 km Schwimmen flußabwärts

Die Wolken haben sich endgültig verzogen. Karin säubert mich notdürftig mit Isobrühe. Es ist schön, endlich die verschwitzten Klamotten ausziehen zu können. Der Einstieg in den Neo gestaltet sich wie immer etwas schwierig. Ohne Supporter hätte ich wohl etwas länger gebraucht. Dann geht es Richtung Schwimmeinstieg. Karin winkt mir noch von der Böschung zu, ich winke zurück und es geht flußabwärts. Die Streckenlänge beträgt Luftlinie 7,5 km, anhand der Schwimmzeiten errechnen wir später eine effektive Länge von ca. 4 km. Beim Schwimmen als dritte Disziplin gilt vor allem eins: Krämpfe vermeiden. Also lang machen, viel Luft holen und keine Sprints zwischen durch. Alle 300 m ist ein Boot mit gelbgewandeten Helfern, die ich immer mal wieder von weiten für Bojen halte. Soviel zu Thema nicht vorhandene optische Schwimmbrille. Aber die Strecke ist alle 150 m mit weißen Kanistern markiert, und diese Orientierungshilfen fliegen, genauso wie Brückenpfeiler und verankerte Boote geradezu vorbei. Das Wasser ist angenehm kühl. Ich hole 10 Singles und etliche Staffelschwimmer ein. Zahlreiche leichte Krampfanfälle in den Waden löse ich durch Anziehen der Fußspitzen. Die Schweizer sind keine Freunde des Wassersports. Ich überhole Brust- und Rückenschwimmer die sich mehr treiben lassen als selbst für Fortbewegung zu sorgen. Singles tragen gelbe Kappen, die Teams orangefarbene.
Am Ufer eine Dame mit halb ausgezogenem Neo – ich wundere mich was die da veranstaltet.
Ansonsten kommt mir die Zeit auf der Schwimmstrecke sehr kurz vor. So sehr ist der Geist beschäftigt. Tatsächlich waren es aber inklusive Wechsel 1:43, netto vielleicht also 1:30. Dafür, daß ich kaum richtig Gas geben, ist das in Ordnung.

46 km Inline

In der Wechselzone empfängt mich Sebastian. Als gelernter Physiotherapeut massiert er meine Beine etwas und hat dankenswerterweise was zu trinken geholt (Boullion und Iso). Nicht daß ich im Fluß nicht genug getrunken hätte (ich kann übrigens auch im Schwimmen pinkeln), aber Flußwasser ist auf die Dauer etwas fade.
Bis ich abgetrocknet bin, die frischen Sachen und die Schützer anhabe, dauert es etwas. Dann in die Inliner rein. Jetzt beginnt das Abenteuer. Die ersten Schritte sind noch sehr unbeholfen, aus der Wechselzone raus geht es gleich über ein schmales Kopfsteinpflasterband auf die Straße. Aber ich falle nicht.
Die mühsam eingeübte tiefe Hocke gebe ich auf, als der erste Schnellere aufrecht an mir vorbeizieht. An vielen Abbiegungen bremse ich ab. Da fehlt mir noch etwas die Sicherheit, aber je länger ich auf den Rollen stehe, desto eher nehme ich auch mal eine scharfe Kurve. Einige Absätze und Unebenheiten sind auch kein Problem mehr. Dafür schon eher der inzwischen ganz wolkenlose Himmel – es wird war und wärmer, und das Asphaltband windet sich über schattenlose Felder. Ohne Trinkflasche wäre ich verloren.
Inzwischen rauschen die ersten Inline-„Züge“ an mir vorbei: Die späten 5er Teams werden im Massenstart aus der Wechselzone 3 gemeinsam losgeschickt. Man läuft hintereinander im Windschatten und bekommt so eine wahnsinnige Geschwindigkeit drauf. Zu schnell für mich.
Die Inline-Strecke hat 70 HM. Fast nichts, aber diese konzentrieren sich auf 3 Anstiege an denen ich fast zum Stehen komme. Neben meiner eher bescheidene Lauftechnik bergauf liegt es vielleicht auch an den Inlinern selbst. Hier gibt es kilometerlange Strecken und Massen von Leuten die das als Sport betreiben, bei uns nur sporadisch welche. Wenn ich bei uns einen Händler fragen würde, welche Rollen er mir für warmen Asphalt geben könnte, würde der mich verwundert anschauen. Ich behaupt, daß der schweizer Händler zurückfragen würde, für welche Art warmen Asphalt die Rollen gebraucht werden. Auf alle Fälle kommen alle etwas schneller voran als ich und ich verliere in der Kategorie Singles 6 Plätze.
An der ersten Verpflege wird viel getrunken, es geht einen Fluß entlag, der für kühlen Wind sorgt. Gegenwind zwar, aber egal. Als wir uns wieder Richtung Felder bewegen, bleibt der Gegenwind, wird aber warm. Nach 40 km reicht es mir langsam. Die Füße tun weh, es ist nach wie vor unerträglich heiß. Gut, daß ich ein weißes Shirt trage. An einem Bahnübergang gibt es eine Sonderverpflegung mit Wasser. Das war nötig. Ich stürze 3 Becher hinunter. Noch eine Kurve, wieder ein kurzes Stück Straße, noch ein Wirtschaftsweg, links, rechts, so geht es endlos. Einen Sportsfreund überhole ich sogar. Aber der kann es gar nicht. Ein wenig hat sich das Inlinertraining doch ausgezahlt. Ohne allzu viele Körner zu verlieren beende ich auch diese Disziplin nach 2:55 Stunden. Beim Einlaufen in die Wechselzone verkündet der Sprecher meinen Namen. Auch hier, wie auch in allen anderen Einläufen, werde ich mit Beifall und Bravo-Rufen empfangen. Das tut gut. Im Einlaufkanal hängen Werbetafeln, auf welche die Zuschauer schlagen und damit einen motivierenden Lärm erzeugen.
Bisher ist mein Konzept aufgegangen, möglichst im Grundlagenbereich zu bleiben und nicht auf Zeit zu laufen. Denn jetzt kommt noch ein Marathon. Und das sind 42 km durch die Nachmittags- und Abendsonne.

Lauf 42 km 700 HM

In der Wechselzone warten meine beiden Betreuer und kümmern sich vorbildlich um mich. Nur fragt keiner von beiden, ob ich mir wirklich noch einen Marathon antun will. Also frage ich mich das auch nicht, sondern lasse mich mit Sonnencreme einschmieren und wieder kurz die Beine massieren. Es ist schön Karin zu sehen. Der Tag war schon sehr lang und jetzt kommt der Prüfstein. Ich hätte vorher vielleicht etwas rausholen können, aber dann vielleicht beim Laufen 3 mal soviel verloren.
Als erstes fällt mir schon nach 500 m ein, daß ich sehr wahrscheinlich im Dunkeln ankommen werde und keine Stirnlampe habe. Aber ich habe Karins Handy mit und sie will mir vom Ziel aus entgegenkommen. Da kann ich noch anrufen.
Die erste brutale Steigung nach 600 m. Das kann ja lustig werden. Die Schritte sind noch nicht richtig rund, also gehe ich hoch. Laufen fast ohne Schatten. Auf dem Kopf habe ich ein helles Tuch, welches ich immer mal naß mache und welches dann etwas kühlt. Die erste Verpflege bei km 7. Trinken. Boullion, Iso, Wasser. Immer in dieser Reihenfolge. Knabberzeug, Gel, Riegel. Obwohl mich das süße Zeug langsam anwidert. Weiter durch die knalle Sonne. Ina schickt SMS auf Karins Handy, die ich nur im Stehen beantworten kann. Karins Onkel Peter ruft an. Da Karin in Bern ist, kann sie schlecht zu Ihrem Großvater vorbeischauen. Zur Sonne kommen noch die Höhenmeter. Nach dem ersten Gipfel ein steiler Abstieg auf Treppen. Kurz vorher überholen mich zwei Sanis auf Cross-Motorrädern. Am Fuß der ersten Treppe liegt ein leicht Verletzter, der aber von seinem Betreuer schon versorgt wird. Die Sanis wuchten hinter uns die Kisten irgendwie die steilen Stufen nach unten. Schweizer und Berge. Die können gut miteinander. Ich habe schon Probleme flotten Schritts runter zu gehen. Dafür ist es schattig, bis wir unten sind, dann wieder offenes Feld, aber für ein paar Kilometer halbwegs eben. Ich laufe inzwischen relativ locker und kann sogar den einen oder anderen überholen. Trotz der am Ende beschissenen Zeit und für mich als schlechter Läufer werde ich auf der Marathondistanz später den Platz 129 von 193 belegen. Also gar nicht so schlecht. Was wiederum etwas über die Härte des Rennes aussagt.
Am Rande ein Kollege dem übel ist. Ein weiterer liegt neben einer Verpflege mit Kreislaufproblemen im Gras. Einer läßt sich von seinem Betreuer die Zehen tapen. Viele haben jemandem auf dem Rad dabei, der die Trinkflasche reicht und Mut macht. Ein Single gießt sich an jeder Verpflege mehrere Becher Wasser über den Kopf. Ich überhole und werde wieder eingeholt. Alle leiden wegen der Hitze. Ich kann mich aber ein ganz klein wenig vom lang auseinandergezogenen Feld absetzen.
Es geht am Rande eines Sees entlang. Herrliche Landschaft, wenn nur die Kilometer etwas rücken würden. Über eine Staumauer zum Seeufer. Dahinter wieder eine steile Rampe mehr hinauf. Danach wieder steil bergab und immer noch erst 25 km. Ich rede mir ein, daß der Rest ein lockerer Trainingslauf wäre. Das hilft zumindest immer kurzfristig weiter. Als der km 27,5 ausgeschildert ist, heißt es, daß wir eigentlich schon bei der 29 wären. Das gibt Mut, nur noch 13. Karin müßte schon losgelaufen sein. Ich freue mich riesig. Langsam wird es dunkler. Ich habe nur die optische Sonnenbrille und sehe mit und ohne Brille gleich viel. Immer noch überholen mich Läufer von 5er Teams. Endlich sehe ich Karin. Kurz vor km 32. Nur noch zehn. Sie erzählt, lenkt mich ab. Noch ist der Schritt einigermaßen flott, aber alle Steigungen gehen wir hoch. Der Höhenmesser hat auch schon längst die 500 HM überschritten. Am Ende werden es knapp 700 HM sein. Dann wartet Sebastian auf meinem Mountainbike schon in Dunkeln. Ich trage inzwischen die Stirnlampe. Verpflegung bei km 37,5. Über eine Autobahnbrücke nach Bern hinein. Ich fiebere der letzten Verpflegung entgegen. Sebastian versichert mir dauernd, hinter der nächsten Kurve gäbe es Verpflegung, aber es kommt keine. Denken ist ausgeschaltet, es gibt nur noch das Ziel und den Zielschluss um Mitternacht. Ich gehe viel. Ein Blick auf die Uhr zeigt, daß ich es gut im Zeitlimit schaffen kann. Aber es geht scheinbar endlos durch Bern. Immer noch eine Kurve, ein Kreuzung. Alle für Läufer gesperrt. Meine linke Wade tut weh. Ich muß gehen. Am der letzten Verpflege, die nach Ewigkeiten auftaucht sind es immer noch 4 km. Die Schweine. Ich werde wieder laufen müssen. Es geht mir gar nicht mehr. Ich will nur noch in dieses verdammte Ziel. Fußgängerzone, immer noch ein paar Kurven, mörderischer Schlußanstieg, noch 600 m, dann Zielkanal. Karin und Sebastian hinter mir, höllischer Lärm von den Schlägen auf die Bandenwerbung. Es läuft mir den Rücken herunter. Finish nach 23:32:01 Stunden.



Post race

Sofort nachdem den Anspannung vorbei ist und der Geist den Körper nicht mehr zum weiterlaufen zwingt sammeln sich Tränen in meinen Augen. Ich muß mich erst mal eine Weile sammeln. Ich bin durch. Nach einem endlosen Tag. Nach einem noch endloser erscheinendem Lauf durch die Nacht.
Ich hole meine Finisher-Uhr ab, dann muß ich mich erst mal setzen. Es gibt noch ein paar späte Nudeln. Mein Geist ist immer noch irgendwo auf der Strecke. Um eins sind wir wieder bei W***ers, wo es noch ein Bier gibt. Der Körper ist noch so in Aufruhr, daß ich schon um acht wieder wach werde. Die Heimfahrt nach Deutschland döse ich viel.
Jetzt ist Mittwoch, mein Immunsystem ist im Keller, habe mir eine Mandelentzündung eingefangen, die aber schon wieder im Abklingen ist. Bin Sonntag abend anscheinend einer Pflanze zu nahe gekommen und habe an den Knie Blasen vom Nesselgift. Gestern abend ein wenig Fieber, aber das Schlimmste ist überstanden.
Ich habe mit diesem Wettkampf die für mich möglichen Limits für 24 h ausgelotet. Ich bin froh, mitgemacht zu haben, froh gefinisht zu haben. (Ein Viertel der männlichen Singles hat aufgegeben). Aber ich werde ab sofort wieder richtigen Sport machen, meine Abstecher in die Ultra-Welt mit dem 100er von Biel, einem 400er Rad-Brevet und schließlich diesem Gigathlon waren eine wertvolle Erfahrung für mich. Aber damit soll es auch gut sein.


http://www.gigathlon.ch/DesktopDefault.aspx/tabid-1498/
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Keine Panik!
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