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Umverteilung
Letzte Nacht hat´s geregnet. Jetzt ist es trocken, aber der Boden ist noch nass und es ist drückend und schwül. Das Auto muss ´mal wieder sauber gemacht werden und ich fahre zur hiesigen Waschanlage mit dem schönen Namen "Abfluss Aal". Ja, die heißt wirklich so. Die Familienkutsche wird zuerst an den Auto-Staubsauger gefahren. Aussteigen, Matten raus, Mülltonne auf. Ganz oben im Mülleimer liegen zwei Plastikflaschen und zwei Dosen. Alles Pfand. Wenn mein Sohn jetzt dabei wäre, würde ich sagen: "Hier, die sind sauber. Willst du die mitnehmen? Dafür bekommst du so viel wie in einer Woche Taschengeld: ein Euro." Ich zögere und denke unwillkürlich "Wenn das einer sieht, wie du hier die Dinger einsteckst. Die denken doch, du hast sie nicht alle." Ich entscheide mich gegen die Haltung der Mittelschicht und für das Pfand und schmeiße Flaschen und Dosen in den Kofferraum. Als das Auto wieder blitzt, fahre ich zum Supermarkt. Vor den Einkaufswagen sitzt ein Mann und hält ein selbstbemaltes Schild hoch: BITTE HABE HUNGER GOTTES SEGEN. Der sitzt da öfter. Heute in einer viel zu dicken Regenjacke. Normalerweise gebe ich 50 Cent, heute bekommt er einen Euro.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass irgendwas falsch läuft.
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