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Zitat von kuestentanne
Und zu dem tollen Wort vollwertig hätte ich dann auch noch ne Frage, was bedeutet das? Ist das nur Marketing-Gebrabbel?
Liest man Wikipedia dazu, war das ursprünglich auch mal ne neue tolle Diät ...
Heutzutage wird vollwertig von der DGE festgelegt und wer da den größten Einfluss hat, muss man nicht lange nach googeln ...
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Das Wort "vollwertig" als Leitbild der Ernährungsrichtlinien der DGE steht historisch in gerader Linie zur nationalsozialistischen "Vollkornbrotpolitik". Deshalb ist es m.E. auch nicht verwunderlich, warum insbesondere im deutschsprachigen Raum nach wie vor das Märchen vom überlegen gesunden Vollkornprodukt verbreitet wird. Die Nachkriegsgeneration der Ökotrophologen waren Altnazis, deren Kinder von ihren Eltern geprägt - und die heutige Generation, die die DGE leitet ist weitgehend geschichtslos.
http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2002/10/05/a0250
"Esskultur und Versorgung der Nation wurden bereits in der frühen NS-Zeit zur nationalen Aufgabe erklärt. Der Reichsparteitag 1936 formulierte die "Nahrungs- und Wehrfreiheit" als vorrangiges Ziel des Vierteljahresplans. Ein wesentliches Mittel zur Durchsetzung dieses Ziels bestand in einer staatlich gelenkten Brotpolitik, die um die Verbreitung des damals kaum bekannten Vollkornbrotes bemüht war.
Seit den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts hatte die Gruppe um die so genannten Brotreformer ein Verfahren entwickelt, um ein natürliches und gesundes Brot herzustellen. Die neue Brotsorte setzte sich aber zunächst allenfalls zögernd durch. Die Nationalsozialisten integrierten den neuen Brotgedanken schließlich in ihre Ideologie: Vollkornbrot sei gesund, nahrhaft und helfe gegen Karies, es sei gewissermaßen ein Nahrungsmittel, das den deutschen Volkscharakter in besonderem Maße unterstreiche.
1939 wurde die Vollkornbrotpolitik reichsweit institutionalisiert und ein Reichsvollkornbrotausschuss gegründet. Das Vollkornbrot entsprach den NS-Hygienevorstellungen. Das typisch arische Brot wurde den Volksgenossen über das Kartensystem zugeteilt, während Nichtarier vom Verzehr ausgeschlossen blieben.
Im weiteren Verlauf der NS-Herrschaft blieb die Brotpolitik bedeutend. Bis zum Ende schied das Brot zwischen Deutschen und Nichtdeutschen. Vollkornbrot hier - "Russenbrot" dort."
* Dazu insbesondere:
Uwe Spiekermann, Vollkorn für die Führer. Zur Geschichte der Vollkornbrotpolitik im „Dritten Reich“, in: Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, Band 16 (2001), S. 91
* Zum "Vater der Vollwertkost" Werner Kollath und seine ideologischen nationalsozialistischen Wurzeln:
http://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Kollath
Wenn man heute also bar jeglichen Geschichtsbewußtseins von "Vollwerternährung" spricht, sollte man sich ihre ideologische Verwurzelung bewußt machen. Insbesondere, wenn man andere Ernährungsformen (zb Paleo-Ernährung, die geschichlich und politisch völlig unbelastet ist da erst Ende der 1980er Jahre entwickelt) der "Ideologie" bezichtigt.
Abseits davon:
Die Gleichsetzung von "vollwertig" mit "Whole Food" als Gegenstück zu "Processed Food" ist sicherlich eine sinnvolle Auffassung. Wobei gerade beim vollen Korn die gesundheitlichen Risiken, die in den Phytochemika in den Randschichten des Korns lauern, mit denen sich die Pflanze vor Fraßfeinden schützt, gerne von der Vollkornlobby kleingeredet bzw. (bewußt oder unbewußt) verschwiegen werden.
Auch Hülsenfrüchte sollte man aus den gleichen Gründen nicht unbearbeitet (roh) essen und auch der Fleischverzeht bedarf einer Bearbeitung wenn man das Risiko von Vergiftungen (zb Salmonellen) oder Parasiten (zb Bandwurm) minimieren will.
Wenn man also "processed food" als Begriff bzgl. gesunder Ernährungsrichtlinien definieren will, so muss man zwischen der häuslichen Bearbeitung zb durch Kochen und der industriellen Bearbeitung unterscheiden.
Gruß Robert