Wettkampf
Donnerstag 30.07.:
Der Start ist um 14 Uhr.
Wir als Kurzdistanzler müssen vormittags die Wechselzone 2, oben in Alpe d´Huez, einrichten. Es bietet sich an, von dort aus mit dem Rad die ca. 23km lange Ab-/Anfahrt über Villard Reculas zum Lac de Verney (Schwimmstart und T1) in Angriff zu nehmen, was wir dementsprechend auch tun. Wir haben vorsichtshalber noch zusätzlich zum Pannenspray zwei Schläuche und einen Mantel dabei, da Pittermännche aus dem Vorjahr von 3 Reifenschäden berichtet hatte. Die am Berghang entlang gezogene Strecke bietet einen atemberaubenden Ausblick, welcher aber Aufgrund der sich auftuenden Abgründe, gepaart mit dem Vorstartfieber irgendwie teilweise für weiche Knie sorgt. Wir kommen um 12:30 Uhr wohlbehalten und ohne Panne am See an und erledigen innerhalb von 5 Minuten den Check-In.
(Die Langdistanzler müssen übrigens nichts nach Alpe d´Huez hochbringen, sie geben lediglich vor dem Start Ihren Beutel am Stausee ab)
Die Temperatur liegt bei ca. 28°C und die Sonne brennt.
Das Briefing findet zunächst auf französisch statt, es gibt zwar noch Informationen auf Englisch, allerdings lag der Informationsgehalt hier bei ca. 20% des französisch gesprochenen.
(Der erfahrene Triathlet kommt großteils auch so klar aber in Frankreich ist es sehr oft von Vorteil zumindest etwas französisch zu verstehen.)
Als Einstimmung wird übelstes Franzosen-TECHNO-Geknüppel in unglaublicher Lautstärke gespielt (nichts gegen Franzosen aber ich wüsste nicht, wie ich es sonst bezeichnen sollte)...ich frage mich welche Aggression hier in mir geweckt werden soll, vielleicht steht eine böse Schlägerei im Wasser bevor?!
Schwimmen
Das Wasser ist glasklar und mit 18°C geradezu wohltemperiert. Man kann sich nicht einschwimmen, man wird erst unmittelbar vor dem Start ins Wasser gelassen. Der Start erfolgt urplötzlich und ich befinde mich noch viel zu weit hinten und muss zunächst noch ca. 25m bis zur Startlinie schwimmen um zuerst ein paar „brustende“ Schwimmer zu überholen und mich dann das gesamte Rennen über nach vorne zu arbeiten. Ungewohnterweise sieht man die Füße seines Vordermanns schon mehrere Meter vorher und beim Blick nach unten sieht man durchweg in sauberstem Wasser den Boden der komplett mit Steinen gepflastert scheint. Für einen Massenstart mit 880 Startern hält sich die Prügelei aufgrund des großzügigen Platzangebots und lediglich zweier zu umschwimmender Bojen in Grenzen, was sich auf dem Rückweg ändern sollte...Ich überhole wieder einen Schwimmer und komme nicht vorbei, nun bekomme ich bei jedem dritten Zug einen Schlag auf den Hinterkopf...da wir offenbar gleich schnell schwimmen und noch maximal 400m verbleiben beschließe ich in Anbetracht der noch folgenden Radbelastung nicht auf Biegen und Brechen vorbeizukommen sondern mich damit abzufinden und mich an die Schläge auf den Kopf zu gewöhnen. Bald darauf erreiche ich den extrem steilen Schwimmausstieg.
T1:
In der Wechselzone 1 erreiche ich meinen Tageshöchstpuls von 187 Schlägen. Da direkt nach dem Aufsteigen aufs Rad ein knackiger Anstieg vom Stausee zur Straße hinauf folgen wird, habe ich mich entschlossen, die Radschuhe schon in der Wechselzone anzuziehen. Dummerweise falle ich beim Versuch die Schuhe anzuziehen dauernd um, weil mir unglaublich schwindelig ist (ggf. von den Schlägen auf den Hinterkopf). Ich muss mich kurz an meinem Rad festhalten um wieder irgendwie weitermachen zu können. Beim etwa sechsten Anlauf findet auch mein rechter Fuß den Weg in den Schuh und es kann losgehen.
Rad:
Die Anfahrt in Richtung Bourg d´Oisans zum Anstieg nach Alpe d´Huez ist etwa 16km lang. Nach dem Aufsteigen auf´s Rad ist zunächst ein kurzer und relativ steiler Anstieg (ca. 400m Länge und 30HM) zur Straße hinauf zu bewältigen und die nächsten 8km sind von einem Wechsel aus kurzen Anstiegen und Abfahrten geprägt. Es ist hier verdammt eng auf der Radstrecke und an ein „Non-Drafting-Rennen“ ist nicht zu denken. Am Ende einer kurzen Abfahrt stürzt kurz vor mir ein Athlet bei mehr als 70km/h aufgrund von plötzlich einsetzendem böigem Wind. Ich sah sein trauriges Gesicht an mir vorüberziehen und da ihm schon zwei Männer zur Hilfe eilten entschied ich mich zur Weiterfahrt mit reduziertem Risiko.
Nun kommt ein 8km langes Flachstück bis zum Einstieg in den Berg, welches stark dazu einlädt schon vor dem Anstieg zu überzocken. Leider gab es hier relativ viel Autoverkehr durch einige Unverbesserliche, die mit Sportveranstaltungen wohl nichts anfangen können.
(Auch der Pass selbst ist leider nicht gesperrt und selbst außer Konkurrenz fahrende Radfahrer finden sich hier durchweg.)
Der legendäre Anstieg über die 21 Kehren nach Alpe d´Huez beginnt mit einer offiziellen Zwischenzeitnahme woraufhin ein Teil des Feldes anfängt ab hier richtig reinzutreten, während der andere Teil plötzlich von jeglicher Kraft verlassen zu werden scheint. Ich entscheide mich für eine kontrollierte Offensive und finde mich in der untersten Kehre (Kehre21) dennoch schon wieder bei einem Puls von 183 Schlägen pro Minute wieder.
Da die untersten 3-4 Kehren die steilsten und schwierigsten sind beschließe ich einfach so weiterzufahren. Ich fliege förmlich durch das Feld und die Sonne brennt, es wird wärmer und wärmer. Gottseidank gibt es am Berg zwei Verpflegungsstellen an denen Wasser, Cola und Iso in Radflaschen gereicht werden.
Ich habe inzwischen meine Uhr auf die Höhenanzeige umgeschaltet um mich mit Rechenspielchen zu den Prozentzahlen der verbleibenden Höhenmeter zu beschäftigen und aufzumuntern. Zwischendurch übe ich mich die ganze Zeit darin, die Startnummern meiner Mitstreiter auf französisch aufzusagen (damit kann man sich wirklich ewig beschäftigen). Ab Kehre 6 ziehen ein paar wenige Wolken auf und es wird erträglicher, dafür setzt nun auf dem Weg zu den Kehren mit den ungeraden Nummern ständig ein starker Frontalwind ein, welcher erheblich Kraft kostet und meine Hoffnung, den Anstieg in weniger als 60 Minuten zu bewältigen zur Wunschvorstellung werden lässt.
Ich weiß genau, dass ich es beim anschließenden Lauf bereuen werde aber ich trinke pausenlos Cola und halte mich und meine Hirnfunktionen mit zwei Gels mit Espresso-Geschmack am Leben.
Irgendwie gehen auch die letzten Kehren mit Gegenwind rum und ich habe noch nie so oft die Wörter „Fuck“ und „Merde“ gehört. Die letzten 300-400m sind leicht abfallend und so kann man sogar mal kurz verschnaufen. Ich komme nach 62 Minuten (und einem Durchschnittspuls am Berg von 183 bpm) oben in der Wechselzone an und habe mich auf dem Rad um ca. 170 Plätze verbessert.
T2:
Der 2. Wechsel läuft wie geschmiert und ich springe mit einem guten Gefühl in die Laufschuhe.
Laufen:
Mit dem Bewusstsein, dass ich ja eigentlich Läufer bin gehe ich souverän in den abschließenden 7km Lauf (der sich im Nachhinein als 7.6km lang herausstellt).
Ich laufe erstaunlich locker los, der erste Kilometer läuft prima und ich überhole sofort 7-8 Mitstreiter. Danach setzt das vom übermäßigen Trinken erwartete Seitenstechen ein und ich bekomme keine Luft mehr.
Es geht zwischenzeitlich über einen steinigen Trailweg, der mir jegliche Kraft raubt und mich daran zweifeln lässt, ob ich mittlerweile wirklich noch Läufer bin. Die letzen 4.7km führen im Wesentlichen über asphaltierten Untergrund und zehren, aufgrund der Tatsache, dass auch noch zwei Serpentinen zu bewältigen sind, nicht minder an den Kräften.
Ich erreiche schließlich die Ankündigung des letzten km, der von einer kurzen Schleife innerorts eingeleitet wird. Leider entpuppt sich dieser „letzte Kilometer“ als ziemlich genau 1400 Meter lang und somit krieche ich auf dem Zahnfleisch bis zur Zielgeraden um dort auf dem blauen Teppich einen umso lockereren Eindruck machen zu können. Ich bin mehr als glücklich diese Tortur hinter mir zu haben und fresse mich förmlich durch das reichlich bestückte Finisherbuffet.
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