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Ich habe auch einen Bericht geschrieben:
Alle Jahre wieder…
…ja, kommt das Weihnachtskind. In gut vier Monaten steht es übrigens wieder auf der Matte. Es gibt aber noch andere Dinge, die alle Jahre wieder kehren. Manche sind unerfreulicher Natur (Autosteuer, Urlaubsvertretungen, Zahnarztbesuche etc.), über die regelmäßige Wiederkehr von anderen freut man sich. So zum Beispiel die des Hamburger City Triathlons, von dem ich euch heute berichten will, auf dass ihr Blut leckt und euch diesen Spaß auch mal leistet. Man muss dafür nämlich sein Sparschwein schlachten, denn die Startgebühr beträgt unverschämter Weise ca. 80 (!) Euro. Ich habe aber mittlerweile aufgehört, mich darüber zu ereifern und halte mir beim Ausfüllen der Anmeldung immer vor Augen, wie viel Spaß ich jedes Jahr in Hamburg habe und für welchen Mist ich im Leben schon viel mehr Geld verschwendet habe, zum Beispiel für Schuhe, die nicht passen, für Kleider, die mir dann doch nicht gefielen, für nicht gemachte Steuererklärungen, für viel zu spät abgegebene Bücher und Filme in der Stadtbibliothek (da habe ich gerade mal wieder ca. 8 € offen, das ist schon ein Zehntel der Startgebühr für Hamburg 2010)… Immerhin bietet die veranstaltende Upsolut Agentur eine prima Organisation für die viele Kohle, auch das versöhnt mich etwas mit der hohen Startgebühr.
Auch alljährlich wieder kehrend ist der Irrsinn der Anreise. Ich fahre immer mit meinem Liebsten hin, der regelmäßig um 4:45 Uhr morgens aufsteht und dann am Nachmittag gerne mal ein Schläfchen macht. Geht aber nicht, wenn er noch packen muss und wir uns vornehmen, so zwischen 18 und 19 Uhr zu starten. Ich bin abends sowieso immer früh müde und Autobahn fahren schläfert mich schon tagsüber ein. Unser Rekord liegt deshalb bei meh als sieben Stunden für die Strecke Essen-Hamburg. Ohne Stau! Das war vor zwei oder drei Jahren, als wir längere Schlafpausen jeweils an Raststätten bei Osnabrück, bei Bremen und dann noch mal vor Hamburg machen mussten, sollten unsere Triathlon-Ambitionen nicht schon auf der Autobahn oder besser an der Leitplanke, im Graben, im Krankenhaus oder dem Sarg enden… Sekundenschlaf lässt grüßen. Dieses Jahr hatte ich aber den festen Vorsatz, die Sache in einem Rutsch durch zu ziehen, was bei Björn großes Gelächter verursachte und mich zu einer Wette herausforderte: „Wetten, dass ich ohne Pause durchfahre? Um ein Essen beim leckeren Schnellfress-Inder unten in der Hamburger Europa- Passage?“ Er schlug ein, top! Also fein die Coffein-Tabletten eingepackt, jede Menge CDs zum Mitsingen (nur das kann mich wach halten) und los ging’s. Bis Herne. Dort haben wir erst mal einen Stopp beim ansässigen Decathlon-Händler eingelegt, weil meine Laufsocken alle ihren Geist aufgeben. Und dann bin ich tatsächlich in einem Rutsch, ohne Pinkelpause, durchgefahren. Verantwortlich für den grandiosen Wetterfolg waren folgende Interpreten/Künster: Die Truppe um Richard O’Brien (Rocky Horror Picture Show, konnten Björn und ich wunderbar im Duett mitsingen: „Hey Janet!“ „Yes, Brad?“ „“I’ve got something to say. I really love the skillful way you beat the other girl to the bride’s bouquet!“ „Oh Brad!“ usw.), Simon & Garfunkel, Jochen Malmsheimer und danach der Musik Mix von Radio FFN. Schwups waren wir da und haben gerade mal 5 Stunden gebraucht (incl. Shopping bei Decathlon und ca. 2000 Baustellen zwischen Bremen und Hamburg). In Hamburg übernachten wir beim nettesten Bruder der Welt, der auch noch meiner ist und freuen uns diesmal über die schöne neue Wohnung in (Achtung nobel!) unmittelbarer Nähe zur Alster.
Am nächsten Morgen zeigte ein Blick aus dem Fenster, das wir alles richtig gemacht haben, als wir uns für die olympische und nicht für die Volksdistanz angemeldet haben: Es regnete nämlich in Strömen. Die armen Triathleten, die schon seit ca.7 Uhr morgens alle 10 Minuten in Gruppen zu je Hundert Startern auf die Strecke geschickt wurden. Fast 4000 an diesem Vormittag. Wir frühstückten erst mal in Ruhe und überlegten uns ein Schlechtwetter-Programm für den Vormittag. Shoppen ging leider nicht, weil ich pleite bin. Mein Bruder stand als Animateur nicht zur Verfügung, weil an diesem Wochenende der erste St. Pauli Fan-Kongress statt fand, an dem er natürlich als völlig irrer Anhänger aktiv beteiligt war. Björn und ich fuhren mit der Bahn auf die Insel Veddel, wo wir das Auswanderer-Museum besuchten. Wir entschlossen uns zu einer Führung, die eine ältere Dame recht interessant nur für uns beide machte. Wir haben allerlei über die Auswanderung über Hamburg von Ende des vorletzten bis Mitte des letzten Jahrhunderts gelernt. Und außerdem weiß ich jetzt endlich, nach wem der Ballindamm in Hamburg benannt ist.
Am Nachmittag sind wir dann zunächst mal zum Inder gegangen, wo Björn für seine Wettschulden gerade stand: Ich entschied mich für die köstlichen vegetarischen Pakoras und ein vegetarisches (logo!) Curry aus Kartoffeln und Kichererbsen. Gestärkt haben wir uns dann zunächst zum Abholen der Startunterlagen begeben, wo alles mal wieder ohne Warten und langes Anstehen klappte und dann auf die Tribüne am Rathausmarkt, von wo aus wir das Rennen der Elite Frauen verfolgten. Wieder einmal, wie so oft in den letzten Jahren, zeigte sich das Wetter chauvinistisch an diesem Wochenende. Während die Elite Männer am nächsten Tag bei herrlichstem Wetter starten würden, fiel das Frauen Rennen mal wieder buchstäblich ins Wasser. Eine Amerikanerin kam nach grandiosen 16:41 min aus der Alster heraus und war damit gerade mal 32 Sekunden langsamer als der schnellste Mann am nächsten Tag. Sie hatte dann aber Pech auf dem Rad und war eine von mehreren Frauen, die stürzten. Denn mittlerweile goss es in Strömen, was auch für uns Zuschauer kein sehr großer Spaß war. Das Frauen Rennen war nicht so sehr spannend, schon früh war ziemlich klar, wie die Reihenfolge auf dem Treppchen aussehen würde.
Abends dann Nudeln essen bei meinem Bruder und bin ich noch bis in die Nacht vor dem Fernseher und Computer versackt, so dass ich erst nach ein Uhr das Licht ausgemacht habe.
Am nächsten Morgen war das Wetter OK, so dass ich etwas mehr Lust auf den bevorstehenden Wettkampf bekam. Ich war mit meiner Startzeit um 8:50 Uhr sehr zufrieden. Björn war erst um 11:20 Uhr dran, ist aber schon mit zum Start gekommen. Mein Bruder auch, weil der Fussball-Fan-Kongress erst um 11 Uhr begann. Und dann wieder alles wie immer in Hamburg: Problemlose Abfertigung von auch an diesem Sonntag wieder mehr als 3500 Teilnehmern. Ich liebe diese verrückte, lange Wechselzone und das Gewusel darin. Als ich eincheckte, waren die ersten schon auf der Laufstrecke und als ich fertig war, gingen die letzten gerade erst an den Start. Der für mich obligatorische Gang auf das reizende Dixi-Klo durfte vor dem Start natürlich nicht fehlen. Bei 80 € Startgebühr erwarte ich natürlich auch kein Toilettenpapier… Die kluge Triathletin hatte aber im Vorfeld mitgedacht und sich welches mitgebracht und konnte so auch gleich noch Sympathiepunkte bei den nachfolgend Anstehenden sammeln, an welche ich übrig gebliebenes WC-Papier großzügig verschenkte. Wer weiß, vielleicht hätte ich einen Teil der Startgebühren wieder reinholen können, indem ich das Papier meistbietend versteigert hätte? Sei’s drum, auf zum Start! Nach dem ätzenden Kampf in Frankfurt, wo ich erst nach ca. 1,5 km einigermaßen frei schwimmen konnte (dann aber so viel Wasser in der Brille hatte und starkes Gegenlicht, dass ich nix gesehen habe), freute ich mich auf das entspannte Schwimmen in der Alster. 100 Leute auf einem Kurs, der reichlich Platz lässt, das ist fast wie im Schwimmbad. Wieder mal ein grandioses Gefühl, unter der Brücke durch zu schwimmen, die Zuschauer dicht an dicht am Wasser und dann raus am Steg und rein in die längste Wechselzone der Welt. Hat den Vorteil, dass man reichlich Zeit hat, die Arme aus dem Neo zu pellen.
Die Radstrecke ist schön und ich konnte sie in vollen Zügen genießen. Die Sonne schien schon nett, es war nicht zu kalt und die ersten Touristen schlendern an den Landungsbrücken entlang und gucken verwundert, was wir denn da machen. Dann rechts den Anstieg hoch und links auf die Reeperbahn, die um die Zeit recht verlassen ist. Die wenigen Obdachlosen, Junkies, Anwohner (wer will da eigentlich wohnen?) und von der Nacht übrig gebliebenen nahmen kaum Notiz von uns. Dann ein kleiner Berg runter, einen wieder hoch und dann ging’s raus an der Elbe entlang die Elbchaussee entlang. Schön war es hier und reichlich Platz war da, weil der Hamburg Triathlon auf komplett gesperrten Strecken verläuft. Dann die Wende, alles zurück und dann das ganze noch einmal, jetzt auf dem Weg stadtauswärts mit reichlich Gegenwind. Ich fuhr mal wieder blind, weil ich keinen Tacho am Rad habe und kann meine Geschwindigkeit nicht gut einschätzen. Fuhr viel große Gänge, weil es sich so anfühlt, als ob das gut so ist, überholte viele Leute (ICH ÜBERHOLE VIELE AUF DEM RAD, unglaublich!), teilweise auch die auf den Aufschneiderrädern, ha! Die zweite Runde ist wohl langsamer und dann freute ich mich auf das Laufen. So weit ist meine Versöhnung mit der zweiten Disziplin dann doch noch nicht, dass ich mich nicht freute, vom Rad runter in die Laufschuhe zu kommen. Pünktlich zum Frankfurt Triathlon hatte ich mich überwunden und es geschafft, mir diese ekeligen Gels reinzudrücken. Bin dort auf der Laufstrecke gut damit klar gekommen und habe deshalb beschlossen, es auch hier auf der kurzen Distanz zu versuchen. Aber nur eins am Anfang, vielleicht am meisten für den Kopf. Dann der Schreck beim ersten Kilometerschild: 5 Minuten. Oje, doch zu viel im Langstrecken-Tempo gebummelt in der letzten Zeit? War aber doch eigentlich gar nicht so, habe viel Intervalle gemacht und hatte ja auch den schnellen 10er in Mülheim gelaufen. Der zweite Kilometer war dann schon besser, der dritte auch und ich hatte den Eindruck, dass ich das Tempo halten kann. Dem war denn auch so und es war zwar anstrengend, aber keine sehr große Quälerei. Bei km 5 und 6 überholten mich zwei unglaublich laufstarke Frauen, die mich noch mal motivierten, mein Tempo hoch zu halten. An mitlaufen war bei der zweiten gar nicht zu denken. Ich traf sie im Ziel wieder, wo ich hörte, dass sie eine 41er Zeit gelaufen ist. In der Ergebnisliste fand ich sie später als Gesamtzweite wieder. Der Zieleinlauf in Hamburg ist unglaublich! Er steht denen bei den großen Langdistanzen in nix nach. Gerade diejenigen, die ganz spät ins Ziel kommen, werden frenetisch gefeiert, weil die Zuschauer sich schon fürs Männer Elite Rennen warm schreien. Ich kam mit 2:25:08 h ins Ziel und bin damit super zufrieden. Bin 25:02 Minuten geschwommen, 1:14:28 h geradelt und 47:17 min gelaufen. Der Rest ist Wechselzeit. Damit bin ich 22. Frau geworden und sogar 3. meiner Altersklasse.
Im Ziel gab’s lieblose Verpflegung in ausreichender Menge und ich habe mich dann erst mal an den Schwimmausstieg gestellt, denn nun war Björn im Wasser. Da kam er auch schon, hübsch und knackig anzusehen in seinem alten Surf-Neoprenanzug ohne Arme (mit schicken Farbakzenten in pink und grün), in den er schon vor über 20 Jahre passte und der heute auch noch tacko sitzt. Ein Kuss, gute Wünsche für den Weg und dann ging ich erst mal duschen. Schön heiß sind die mobilen Duschkabinen und ich konne schon wieder Sympathiepunkte sammeln, als ich ein Handtusch und Duschgel verleihen konnte. Den Rest des Tages verbrachte ich mit anfeuern und essen. Erst feuerte ich Björn an, der aufgrund seiner Knie- und Knöchelprobleme nicht so gut durch kam und weit über seinen früheren Zeiten in Ziel kam und später die hübsch anzusehenden Männer mit den Bestellnummern auf dem Arm oder wofür sind die Zahlen noch gleich? Ein spannendes Männerrennen, das beim Laufen entschieden wurde, wie sich das für einen anständigen Triathlon gehört. Da schlägt mein Läuferinnenherz höher.
Die Rückfahrt verschief ich (gut wenn man einen Kastenwagen hat, in dem man sich hinten lang machen kann) und wachte erst wieder auf, als wir um Mitternacht ankommen. Mit auspacken, noch Wäsche waschen und aufhängen wird es dann fast zwei Uhr, ehe ich einschlafe.
Fazit: Ein schönes Triathlon Wochenende in der einzigen Stadt außerhalb des Ruhrpottes, in der zu wohnen ich mir vorstellen kann.
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