@steinhardtass: danke, besonders dein erster Post trifft meine Gedanken, sehr gut ausformuliert.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Gewiss, aber was bedeutet "sich selbst" im Fall von Deutschland? Was ist das deutsche "Selbst", das es mit Stolz zu bewahren gälte?
Leben ist Veränderung. Deutschland verändert sich permanent. Bereits vom Deutschland unserer Großeltern sind wir meilenweit entfernt. Vieles von dem, worauf sie besonders stolz waren und was ihnen als besonders erhaltenswert erschienen war, lehnen wir heute aus ganzem Herzen ab.
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Wem nichts einfällt, worauf er bzgl. seines Landes stolz sein kann, was er bzgl. seiner Kultur für erhaltenswert hält, tut mir ehrlich Leid - das klingt nach fehlenden Wurzeln und Zugehörigkeit. Ich bin zu 75 % Ungare aus Siebenbürgen, und bin (nur ein paar spontane Beispiele) stolz darauf, aus einem Land zu kommen, das als erster die Religionsfreiheit für alle beschlossen hat (17. Jh.), aus einem Volk, das als erstes der Wandervölker im Donaubecken nicht von der Geschichte verweht wurde, das 300 Jahre den osmanischen Ansturm von Europa abschirmen konnte, das besonders im 20.Jh eine große Zahl an wichtigen Wissenschaftlern der Welt gegeben hat. Als 25 % Deutscher kann ich z.B. stolz sein, zu einem Volk zu gehören, das nach einer üblen Vorgeschichte einen beispiellosen Aufstieg in Wohlstand und Freiheit geschafft hat, das geschafft hat, friedlich die Mauer zu überwinden, das der Welt viele wichtige Philosophen und Wissenschaftler gegeben hat. Und jeder andere darf noch andere Punkte finden. Und jeder findet seine eigene Sprache besonders ausdrucksstark und vielfältig, und pflegt diese durch Schule, Literatur, Journalismus und im Alltag. Ebenso gibt es viele Bräuche und Traditionen, die es mit ausmachen, daß man zu diesem oder jenem Volk gehört, und deren Erhalt diese Zugehörigkeit bestätigt und verfestigt. Dem tut kein Abbruch, daß man auch jede Menge weniger positives sieht, kennt und anspricht.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Alle Länder verändern sich. Am meisten solche, die wir als menschenfreundlich und lebenswert wahrnehmen. Niemand von uns würde in einem jener Länder leben wollen, wo man versucht, in der Vergangenheit zu leben.
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Die Vergangenheit sich bewußt zu machen, und das als Teil der Identität zu sehen heißt noch lange nicht, in der Vergangenheit zu leben. Ich weiß nur wo ich stehe, wenn ich auch weiß, woher ich komme.
Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Ich bin nicht stolz auf Deutschland, denn stolz bin ich auf Dinge, die ich selbst geleistet habe. Ich finde aber, dass man hier im globalen Vergleich sehr gut leben kann. Gut finde ich an Deutschland seine Fähigkeit, sich weiterzuentwickeln. In unseren Schulen werden keine Kinder mehr geschlagen und wir fördern die gesellschaftliche Gleichstellung von Männern und Frauen.
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Das klingt so, als ob Du nicht mal meinst, Du hättest etwas zu diesen Veränderungen beigetragen, sonst könntest Du Dir auch etwas Stolz diesbezüblich leisten. Passiert das dann ohne Dein Zutun? Ansonsten sind die Beispiele nicht spezifisch deutsch, sondern international über viele Länder ähnlich, gehören insofern in eine andere Kategorie - dafür kann man aber Stolz auf die "westliche Kultur" empfinden, zu der wir im weiteren Begriff auch gehören, und die diese Errungenschaften hervorgebracht hat.