Zitat:
Zitat von trithos
Ich melde mich hier ausnahmsweise zu Wort. ...
Aber die Grundsatzfrage bleibt: wann ist der richtige Zeitpunkt, um zu verhindern, dass eine Situation entsteht, die dann praktisch unlösbar ist? Und mit welchen Mitteln könnten wir da was tun?
Ich kann die Frage auch nicht wirklich beantworten...
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Sehr gut formulierte Fragen, die ich mir so ähnlich auch stelle und die mit der Grund sind, warum ich hier mitdiskutiere, weil ich mir aus den Gedanken und Argumenten, die wir hier austauschen auch Hinweise auf Antworten zu derartigen Fragen erhoffe.
Rückblickend hätte man in Bezug auf Putin aufgrund seiner KGB-Biographie und wegen seiner frühestens politischen Erfolge schon von Anfang an in höchstem Maße vorgewarnt sein müssen:
Schon als Ministerpräsident unter Jelzin und erst recht nachdem er dessen Nachfolger geworden ist, nutzte Putin nicht nur Krieg als Fortsetzung der Politik, sondern setzte bei dieser Kriegsführung auch auf eine (in der jüngeren Geschichte) beispiellose Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung, wenn man sich nur die Bilder aus Grosny aus dem zweiten Tschetschenienkrieg vor Augen führt und er nutzte auch ohne jede Zurückhaltung öffentliche Lügen, wo er sich irgendeinen Nutzen davon versprach (man denke nur an die Attentate in Moskau als Kriegsgrund für den zweiten Tschetschenienkrieg, die von Putin ohne Beleg den Tschetschenen zugeschrieben wurde, die aber möglicherweise sogar auf das Konto des russischen Geheimdienstes gingen und die möglicherweise letztlich nur die Kriegsstimmung in der Bevölkerung schüren sollten, ähnlich dem legendären false-flag-Attentat auf den Radiosender Gleiwitz).
Sowohl mit den Attentaten (sofern man der Erzählung glaubt, dass der russische Geheimdienst da mit drin steckte, was auch Marco Koschier glaube ich hier als möglich ansieht) als auch mit der extrem brutalen Kriegsführung in Tschetschenien hatte Putin genau den Erfolg, den er sich erwünscht hatte und neben dem vollständigen Erreichen seiner Kriegsziele wurde er anschließend auch noch mit einem überzeugenden Wahlsieg von der Bevölkerung belohnt und für sein Vorgehen nachträglich legitimiert.
Wenn man mit derartigen politischen und militärischen Schlüsselerfahrungen seine politische Karriere beginnt, auf keinen nennenswerten Gegenwind aus dem Westen trifft (der ohnehin ab 9/11 mit eigenen Problemen beschäftigt war), dann braucht man sich -rückblickend betrachtet- auch nicht wundern, warum man ein paar Jahre später bei der Krim-Annexion mit öffentlichen Lügen, Täuschungen und der Bereitschaft, Krieg für imperialistische Ziele zu führen weitermacht.
Und nachdem die Krim-Anexion unerwartet einfach war, ist es alles andere als verwunderlich, wenn man mit diesen Schlüsselerfahrungen im Gepäck ein paar Jahre später mit genau diesem Politikstil weitermacht, wie es Putin letztendlich getan hat. Den Westen hat Putin im Verlauf seiner gesamten Regierungszeit immer nur als schwach und zerstritten und letztlich uninteresiert an Russland erlebt.
Ab wann der Westen Putin hätte Einhalt gebieten sollen beantwortet diese Betrachtung von Putins Biographie natürlich auch noch nicht, aber es liegt auf der Hand, dass der Westen (und hier vor allem Deutschland, denn kein Land des Westens ist derartig abhängig von Russland wie wir) spätestens ab Machtübernahme Putins alles hätte daran setzen müssen, diese Abhängigkeit zu reduzieren, statt sie mit dem Bau weiterer Gaspipelines, dem Verkauf von Gasspeichern an Gazprom und dem Ausbau der Erdölabhängigkeit durch die Zusammenarbeit mit Rosneft auch noch zu vergrößern.