Zitat:
Zitat von Dafri
Wenn man sich die aktuellen Interviews von der Virologin Melanie Brinkmann anhört,wird es sehr bitter werden wenn man es nicht schafft die Inzidenz konstant auf unter 10 zu bekommen. Eine Explosion Ende April auf ne Inzidenz von 1000 und Lockdowns bis weit ins Jahr 2022.
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Ich hab' mir das Interview mit Frau Brinkmann am WE durchgelesen (hatte auch gestern mal daraus zitiert und halte sie auch sonst für vernünftig) hatte aber daraus nicht den alarmistischen Eindruck gewonnen, den der Spiegel in seiner Überschrift und im Teaser-Text mit einem aus dem Zusammenhang herausgerissenem Zitat vermittelt hat.
("Der Wettlauf ist längst verloren. Es wird kommen wie in England«).
Die obige Aussage bezieht sich darauf, dass die leichter übertragbaren Mutanten aus GB und Südafrika sich auch in Deutschland durchsetzen werden, nicht darauf dass der Kampf gegen die Pandemie verloren und eine dritte Welle unausweichlich ist. Dass sich die Mutanten mittelfristig auch in Deutschland prozentual gegen die Wildvariante durchsetzen werden, hat sie recht und der aktuelle Trend bestätigt ihre Prognose (trotz sinkender inzidenz steigt der relative Anteil der Mutanten).
Brinkmann zeichnet ansonsten in einem anderen Abschnitt des interviews ein Worst-Case-Szenario, was passieren
würde, wenn man willkürlich an einem wissenschaftlich unbegründeten 50er-Inzidenz-Wert einfach mal alles öffnen würde, was dann absehbar zu einem Stop-and-Go aus Lockerungen und Lockdowns weit bis ins nächste Jahr führen würde. Dass es zu diesem Worst-Case nicht kommen wird, ist ihr natürlich klar, trotzdem sind solche Gedankenspiele wichtig, um die Legitimation von anhaltenden Einschränkungen zu belegen.
Eine Zielinzidenz von weit unter 10 wäre demgegenüber ihr BestCase-Szenario und die Argumente, die sie und die anderen Wissenschaftler die an dem No-Covid-Paper mitgeschrieben habe, sind einleuchtend.
Da Politik aber aus Kompromissen besteht, wird sich die Realität zweifellos irgendwo in der Mitte treffen. Von der starren Fixierung auf die 50er-inzidenz als Startschuss für Lockerungen in größerem Stil hat sich die Politik erkennbar schon verabschiedet (heute wurde ja gerade abgesehen von einzelnen Lockerungen im Schulbereich und evt. ein paar Ausnahmen wie bei den Friseuren) ja mehr oder weniger aus der Politik an die Presse durchgestochen, dass der aktuelle Lockdown bis Ende Februar weiter gehen wird, obwohl die 50er-Inzidenz absehbar in ein bis zwei Wochen erreicht werden wird.
Als nächstes muss man sich in Deutschland sehr ernsthaft fragen, wie man mit den im März und April erreichten niedrigen inzidenzzahlen umgehen wollen, insbesondere was wir dann mit unseren Grenzen machen, denn um uns herum sind die Länder wie Österreich, Schweiz, Frankreich, Niederlande, Italien usw. mit deutlich höheren Inzidenzzahlen zufrieden und beginnen schon jetzt substanziell zu lockern.
Eine niedrige Inlandsinzidenz (in Verbindung mit geimpften Hochrisikogruppenen) würde zwar ein sehr normales Leben ohne echte Einschränkungen erlauben, wäre aber wegen der Attraktivität, die Deutschland dann mitten in Europa auch als Reiseziel gewänne bei offenen Grenzen und auch wegen der vom langen Lockdown befeuerten Reisefreudigkeit der Deutschen selbst bei bestehendem Inzidenzgefälle zu den Nachbarländern nur mit strengen Quarantänebestimmungen beim Reiseverkehr vergleichbar dem australischen Vorbild zu verteidigen.
Diese Debatte, ob man diesen Deal einzugehen bereit ist (weitgehende Freiheiten im Inland bis hin zu fast normalem Kultur- und Profisportbetrieb bei gleichzeitigen massiven Einschränkungen internationaler Reisetätigkeiten) muss man eigentlich schon jetzt im Februar, spätestens im März führen, wenn man die Zielmarke für den aktuellen Lockdown deutlich niedriger ansetzt als unsere Nachbarländer, die jetzt schon angefangen haben zu lockern. Sonst wäre der anhaltende Lockdown mit komplett geschlossener Gastronomie und Handel nur sinnlose und wirtschaftlich teure Zahlenkosmetik.