Normalerweise bin ich ja tiefenentspannt beim Schwimmen und lasse mich kaum aus der Ruhe bringen. Heute hat es aber eine Schwimmerin geschafft. Respekt!
Ich habe versucht, meinen Beinschlag zu verbessern und mich schnorchelnd auf Wasserlage und geschmeidige Fußgelenke konzentriert. So bin ich mit geschätzten vier Minuten pro 100 m die im COVID-Style sehr breit abgeleinte 50-m-Bahn entlanggestrampelt, mich immer schön rechts haltend, damit ich niemandem im Weg bin. Plötzlich kratzen Fingernägel an meiner rechten Wade, wo eigentlich nur die Leine sein sollte. Ich denke, da hat ein Rückenschwimmer auf der Gegenbahn zu weit ausgeholt. Kommt vor. Dann gleich nochmal. Das ist nicht plausibel, der Rückenschwimmer müsste längst weg sein. Ich schrecke hoch, drehe mich um und werde von einer Dame wüst beschimpft: Wenn ich sie schon überhole, soll ich gefälligst Abstand halten. Ich war komplett fassungslos und konnte ihr nicht beibringen, dass ich sie in meinem Tempo sicher nicht überholt habe und stattdessen sie auf mich aufgeschwommen ist und sich zwischen mich und die Leine gezwängt hat. Einen derart extremen Fall von Wahrnehmungsstörung habe ich bislang noch nicht erlebt.
Nach 300 m hatte ich das traumatisierende Erlebnis halbwegs überwunden. Schön war das Schwimmen trotzdem, auch wenn ich zu allem Unglück noch meine Lieblingsschwimmbrille (orange, jedes Becken sieht nach Urlaub aus) daheim vergessen hatte und mit der Hochsommer-Dunkelbrille schwimmen musste, die für Notfälle immer dabei ist, aber an einem Herbstnachmittag eine so finstere Stimmung erzeugt also ob sich gleich ein Vampir auf mich stürzen könnte.
Vorbereitung ist die Mutter des Glücks, und so habe ich meiner zukünftigen Nachlässigkeit vorgebeugt und noch eine grüne Schwimmbrille in mein Notfall-Set gepackt. Nicht ideal, aber allemal besser als mit Mirror-Superschwarz zu schwimmen, im Winter.
