Zitat:
Zitat von Jörn
Über all diese Dinge hätte Jesus reden können, wenn er etwas für die Zukunft hätte sagen wollen. Aber dafür waren seine Autoren nicht klug genug.
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Wollte Jesus denn eine Ethik für zukünftige Generationen entwerfen?
Ich meine: nein. Er war ein Endzeitprophet jüdischen Glaubens. Er erwartete das Himmelreich auf Erden noch zu seinen Lebzeiten. Sein zeitlicher Horizont war entsprechend kurz und reichte noch nicht einmal zur nächsten Generation. (Daher seine Geringschätzung der Familie und der Appell, keine materielle Vorsorge für die Zukunft anzustreben).
Er wollte die Tora für seine jüdischen Hörer auslegen, damit sie beim nahen Endgericht bestehen könnten. Er wandte sich ausdrücklich nicht an Nichtjuden und nicht an Menschen künftiger Generationen. Seine Verkündigung ging an keiner Stelle nennenswert über das damalige Judentum hinaus. Sein Vaterunser ist ein jüdisches Gebet, seine Bergpredigt eine Auslegung der Tora.
Mir scheint, man missversteht zwei zentrale Punkte seiner Verkündigung, wenn man in ihr eine Ethik für unsere heutige Kultur sucht. Denn erstens hatte er diesen zeitlichen Horizont gar nicht; hätte man ihm damals gesagt, dass wir zweitausend Jahre später immer noch auf der Erde sitzen und auf das Weltende warten, hätte er das nicht geglaubt.
Zweitens hat Jesus sich selbst nicht als Gott gesehen, und deshalb darf man ihn auch nicht an der Weisheit einer allwissenden Instanz messen. Als Jude war sein Glaube streng monotheistisch. Dass Gott einen Sohn habe, und dass er selbst dieser Sohn sei, wäre ihm als schlimme Gotteslästerung erschienen. Jesus sah sich nicht als Gott.
Erst später hat man ihn dazu gemacht und damit die zentralen Punkte seiner Verkündigung ins Gegenteil verkehrt. Gemessen am Anspruch göttlicher Weisheit war er natürlich "dumm" (Zitat), so wie alle anderen Menschen auch, inklusive Einstein, Kant und Sokrates. Es ist aber nicht Jesus, der dumm war (das wissen wir nicht). Sondern die Übersteigerung seiner Person zu einem allwissenden Gott ist falsch.