Zitat:
Zitat von Seyan
Doch, sind sie. Soll ich dir sagen, wo das immer wieder passiert? Bei der Vergabe von Spenderorganen.
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Ich denke da ist ein Unterschied: Die Aufrechnung von Menschenleben
gegeneinander in bloßer Zahl einerseits. Und die Vergabe von Spenderorganen (hauptsächlich) nach Erfolgsaussichten der Transplantation und Dringlichkeit andererseits.
Wartelisten und die zugehörigen Kriterien werden mWn von Transplantationszentren geführt, die
nicht staatlich sind. Bei der vorliegend diskutierten Grundrechtsabwägung und Verfassungskonformität geht es jedoch um
Eingriffe des Staates per Gesetz.
Worum geht es mir? Die Argumentation über die Grundrechts
abwägung halte ich für unglaublich schwierig aus dargelegten Gründen; aber wenigstens deshalb, weil es an konkretem Wissen über die Situation und deren Auswirkung auf die Zukunft mangelt. Einzig wenn man es schaffen würde über die Menschenwürde bzw. den Menschenwürdekern des Rechts auf Leben zu argumentieren, würde man die Abwägungsproblematik umgehen. Aber ob das funktioniert? Ehrlich gesagt kann ich mir das schwerlich vorstellen. Es würde ja darauf hinauslaufen, dass man dem Staat entgegenhalten müsste, dass er ohne lock-down den Menschenwürdekern des Grundrechts auf Leben verletzen würde. Klingt für mich abwegig, denn man müsste zeigen, dass es nicht ne mildere Maßnahme auch getan hätte. Gehe hier nun zurück auf Los!
Leider gibt es in der aktuellen öffentlichen Debatte von berufener Stelle kaum oder gar keine Beiträge hierzu. Keiner traut sich irgendwie an die Abwägung ran habe ich das Gefühl. Vielleicht auch deshalb, weil es schwierig bis unmöglich ist, die konkreten Auswirkungen der konkreten Maßnahmen irgendwelchen Ergebnissen zuzuordnen? Will sagen: Wie kann man eigentlich abwägen, ob es verhältnismäßig ist, wenn wir uns entscheiden, das Grundrecht der Freiheit der Person
im Hier und Jetzt einzuschränken auf Kosten eines
möglichen Schutzes des Grundrechts auf Leben von zunächst unbestimmten Personen
in der Zukunft? Allerdings bleibt der Judikative das ja nicht erspart: Im Falle des Falles - wenn die Fragen gestellt werden - MUSS sie eine Abwägung treffen und entscheiden.
Wie auch immer: Die Freiheitsrechte nicht einzuschränken ist ne "Wette auf die Zukunft" meine ich. Einsatz: Freiheit aller im Jetzt. Möglicher Verlust: Leben einiger in der Zukunft. Und diese Wette wollen wir eingehen? Wo doch vergleichsweise wenig über den Virus bekannt ist? Wo es keine medikamentöse Therapie gibt? Wo es keinen Impfstoff gibt? Wo man schreckliche Bilder aus anderen Ländern sieht? Wenn die Antwort ja ist, sollte man sich noch fragen: Würde ich die Wette auch dann eingehen, wenn der mögliche Verlust nicht das Leben einiger ist, sondern das Leben konkreter Menschen im eigenen Umfeld - das der Eltern zum Beispiel? Ich finde man sollte in Risikoabschätzung niemals die Frage vergessen: Und was is wenn doch? Selbst wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos echt klein ist, der Impact, falls es dann doch eintritt, kann dramatisch sein. Vielleicht sollten wir mal die Dinosaurier fragen
