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Alt 02.11.2019, 20:47   #14966
Jörn
Esst mehr Gemüse
 
Benutzerbild von Jörn
 
Registriert seit: 22.09.2006
Beiträge: 3.499
Es entsteht vielleicht der Eindruck, als wäre die "Seelenlehre" des Aristoteles identisch mit jener der Christen. Denn warum sollten Christen sich sonst auf ihn berufen?

Aber hier haben wir es mit einer hartnäckigen Legende zu tun, vergleichbar mit Zitaten von Einstein über Gott, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen oder gar erfunden wurden. Aktuell kann man das in der christlichen Szene mit "Zitaten" von Stephen Hawkins beobachten.

Aristoteles widerspricht den wichtigsten Punkten der christlichen "Seelenlehre". Ganz besonders widerspricht er einer unsterblichen menschlichen Seele. Die menschliche Seele vergeht für ihn nach dem Tod. Er widerspricht der Vorstellung, eine Seele höbe sich vom toten Leib empor und schlüpfe erneut in einen Leib hinein (womöglich im Jenseits). Er widerspricht der Vorstellung, eine Seele könne auch ohne Leib existieren und dabei aktiv sein, etwa indem sie etwas denkt oder wünscht.

Er widerspricht der Vorstellung (die Platon noch vertrat), Leib und Seele seien unterschiedliche Dinge. Sondern für Aristoteles war die Seele ein Aspekt (eine Eigenschaft) des Leibes. Er verwendet dazu den Vergleich von Wachs und dessen Form als Kerze. Die Form ist einfach eine Eigenschaft des Kerze, und das Material (Wachs) ist ebenfalls eine Eigenschaft der Kerze. Verbrennt man die Kerze, hebt sich nicht etwa das Wachs (oder die Form) empor und schlüpft später erneut in eine andere Kerze, sondern beide vergehen gemeinsam, und das war's.

Das christliche Seelenbild einer unsterblichen, vom Körper gelösten Seele, die im Jenseits weiterlebt, hat mit Aristoteles nichts zu tun. Viel eher hat es mit alten ägyptischen und babylonischen Vorstellungen zu tun. Auch das "Jenseits" kommt von dort.

Warum sollte eine der wichtigsten Weisheiten des Christentums (die Seele und deren Unsterblichkeit) nicht in der göttlichen Offenbarung (der Bibel) offenbart werden, sondern ausgerechnet in alten Schriften eines Heiden? Das macht überhaupt keinen Sinn. Aber es war für die junge Kirche (etwa 500 n.Chr.) einfach zu verlockend*.

Die Kirche pflückt sich einige aus dem Zusammenhang gerissene Fragmente heraus, und ignoriert den Rest.


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*Vor diesem Datum hatten Christen die Schriften des Aristoteles vernichtet, weil sie Ketzerei waren. Später kamen Übersetzungen aus dem arabischen Raum zurück in die christlich-römische Welt. Erst um das Jahr 500 n. Chr. entdeckte man deren Potenzial für die christliche Kirche.
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