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Zitat von derpuma
Ich beispielsweise war eigentlich schon immer strikter Anti-Atomkraft Verfechter
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Das ist eine sehr interessante Geschichte. (Ich sehe gerade, dass Du sie wieder gelöscht hast. Ich fand sie sehr interessant.)
Ich habe es persönlich ganz anders erlebt, deswegen antworte ich ebenfalls mit einer Geschichte. Es ist natürlich keine Antwort auf Deine Frage bezüglich des Klimas (aber vielleicht doch?), aber vielleicht gefällt Dir die Geschichte.
Ich war zuerst ein Befürworter der Atomkraft. Damals war ich noch Schüler (muss so um die 7. oder 8. Klasse gewesen sein). Ich befürwortete den technischen Fortschritt und war der Meinung, dass alle Probleme beherrschbar wären. Bislang haben wir noch alle Probleme lösen können, dachte ich.
Beherrschbar wären die Probleme der Atomkraft meiner Meinung nach auch deswegen, weil die Kritiker sie klar benennen konnten. Wenn ein Problem klar benannt werden kann, dann kann man auch etwas dagegen tun -- und falls nicht, dann weiß man, dass es nicht funktioniert. Keins der Probleme schien mir besonders knifflig zu sein. (Auch nicht das Problem der Endlagerung. Wie schwierig kann es sein, ein paar Fässer zu verbuddeln?)
Dann passierte Tschernobyl. Die Gründe waren recht idiotisch, nämlich menschliche Nachlässigkeit -- aber sie zeigten auch, wie ein System plötzlich außer Rand und Band geraten konnte, sobald der vorgesehene Pfad verlassen wurde. Es zeigte, wie sich ein Unfall in den Tiefen von Russland in Europa auswirken konnte, nämlich über radioaktiven Niederschlag. Es zeigte, wie ein einfaches Kraftwerk einen ganzen Landstrich unrettbar verwüstete, auf Jahrhunderte. Damals konnte man sich einreden, naja, die ollen Russen eben. Mit ihrer alten Technik.
Dann Fukushima. Fukushima ist letztlich wegen ein paar idiotischer Kleinigkeiten in die Luft geflogen (mehrmals). Eins der Probleme bestand darin, dass die Stromversorgung für die Kühlung ausfiel. Die Notfall-Generatoren waren zwar vorhanden, konnten jedoch nicht eingesetzt werden, weil die Kabel etwas zu kurz waren. Und so weiter, und so weiter -- man klatscht sich vor den Kopf. Niemals hätte ich erwartet, dass es an solchen Kleinigkeiten scheitern könnte.
Als Programmierer weiß ich mittlerweile, wie unvorhersehbar komplexe Systeme sind. Es wird immer Szenarien geben, die niemand für möglich gehalten hätte, und die dennoch eintreten und fatale Folgen haben. Es gibt die absurdesten und dämlichsten Kombinationen, die man beim besten Willen nicht hat testen oder auch nur in Betracht ziehen können.
Dies ist eine prinzipielle Eigenschaft komplexer Systeme. Sie sind nicht völlig beherrschbar, aus Prinzip. Computer-Betriebssysteme werden nun seit 60 Jahren optimiert. Sie stürzen immer noch gelegentlich ab. Sie haben immer noch Sicherheitslücken. Selbst nach dem tausendsten Update. Das lehrt uns, dass man solche Systeme nicht völlig vorhersehen und beherrschen kann. Daher muss man alles so gestalten, dass ein Fehlschlag keine fatalen Konsequenzen hat. Folglich sind Kraftwerke, die ganze Landschaften verwüsten können, keine gute Idee.
Deswegen bin ich mittlerweile gegen
diese Art von Atomenergie. Die Ökos hatten Recht. Es ist alles so gekommen, wie sie es vorhergesagt hatten. Daher habe ich meine Meinung geändert. Die Frage der Beherrschbarkeit ist zudem falsch gestellt. Die Frage müsste eher lauten, ob ein Fehlschlag fatale Auswirkungen haben wird. Denn es wird Fehlschläge geben.