Zitat:
Zitat von Zarathustra
Erstaunlich wieviel Du jetzt plötzlich über die Ansichten und das Wissen von Jesus zu wissen glaubst!
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Es gibt zwei verschiedene Personen, die wir missverständlich mit demselben Namen "Jesus" bezeichnen: Erstens den historischen Jesus aus Nazareth, zweitens den Messias, den Christus, welcher als Erlöser der Sohn Gottes sei.
Der Christus ist eine Erfindung vorwiegend von Paulus, sowie der Evangelisten. Er hat mit der historischen Person des Jesus praktisch nichts zu tun. Die literarische Figur des Christus wurde in den Paulusbriefen und in den Evangelien immer weiter übersteigert, ausgeschmückt und mit damals bereits vorhandenen Erzählfiguren anderer Religionen vermischt.
Vom historischen Jesus wissen wir daher so gut wie nichts. Denn unter den ganzen Schichten erzählerischer Erfindungen, die sich in großen Teilen gegenseitig widersprechen oder sachlich unmöglich sind, lässt sich ein historischer Jesus nicht mehr ausmachen. Generationen von Bibelforschern haben das versucht; das Ergebnis ist, dass man praktisch kein Jesuswort, keine Begebenheit mit Sicherheit dem Mann aus Nazareth zuschreiben kann. Allenfalls lässt sich sehr vage mit Wahrscheinlichkeiten argumentieren, also Einschränkungen wie "es wäre möglich, dass...". Von diesen wackeligen Wahrscheinlichkeiten führt kein Weg zum absoluten Wahrheitsanspruch der Kirchen, die zu wissen vorgeben, wer Jesus war und was er wollte. Sie können lediglich etwas zum Messias, zum Christus sagen, also der Kunstfigur, die sie selbst geschaffen haben.
In diesem Sinne kann ich freilich nichts sicher über den historischen Jesus sagen, ebensowenig wie Du oder irgend ein anderer. Ich argumentiere mit Wahrscheinlichkeiten. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Jesus, der selbst Jude war, sich für einen Gott gehalten hat. Das wäre für ihn und seine Umgebung eine unfassbare Gotteslästerung gewesen. Ebenso wäre ihm und seinen Zeitgenossen die Vorstellung völlig fremd gewesen, dass ein Gott sich den Menschen geopfert hätte. Denn geopfert wurde ausschließlich umgekehrt: Der Mensch bringt ein Opfer für Gott dar. Die umgekehrte Vorstellung wäre für die damaligen Juden ebenso gaga gewesen, als würde der Papst heute verkünden, nach dem Ende der Welt würden die Menschen über Gott zu Gericht sitzen und ihn entweder in die Hölle oder ins Paradies schicken.
In den frühen Evangelien, die den historischen Vorgängen also zeitlich am nächsten sind, bezeichnet sich Jesus nicht als Gottheit, auch nicht als Sohn Gottes. Ein heiliger Geist ist ihm unbekannt.