Hallo trithos, danke für die Erläuterungen und die neuen Fragestellungen. Ich antworte Dir mal ausführlicher. Vielleicht müsste man die Frage anders stellen.
Ich gebe mal ein Beispiel: Eine Neonazi-Partei spendet eine Million Euro für die Erhaltung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Soll man die Spende annehmen oder nicht? Hier findet vermutlich eine Abwägung statt, welche Nachteile eine Abweisung der Spende hätte. Ich persönlich würde die Spende zurückweisen.
Hingegen: Ginge die Spende an die Rettung von ertrinkenden Flüchtlingen, würde ich das Geld auf jeden Fall annehmen.
Du sagst, den Opfern/Empfängern ist die Motivation des Spenders egal. Bei den Flüchtlingen stimme ich dieser Betrachtung zu. Denen wäre es egal. Bei den noch lebenden Opfern von Auschwitz-Birkenau würde ich mal vermuten, dass der Spender durchaus eine Rolle spielt.
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Ich würde die Frage insgesamt anders angehen.
Menschen sollten in der Lage sein, das Richtige zu erkennen und zu tun, auch wenn die entsprechende Situation völlig neu und unbekannt wäre. Nehmen wir an, es hätte noch nie irgendwo eine Flüchtlingskrise oder eine Hungersnot gegeben: Würden die Menschen dann trotzdem wissen, was zu tun wäre? Oder würden sie völlig hilflos in irgendwelchen Büchern nachsehen?
Diesen Kompass für unvorhergesehene Ereignisse erwarten wir von Politikern. Deswegen ist uns ihre Grundhaltung wichtig. Wir wollen, dass sie das Herz "am richtigen Fleck" haben.
Ein mögliches Kriterium für diesen Kompass wäre:
Vermeide unnötiges Leid. Oder:
"Was Du nicht willst, was man Dir tu', ..." Dieser simple Kompass sagt mir, was ich von ertrinkenden Kindern im Mittelmeer zu halten habe. Es sagt mir auch, was ich von 50.000 Hühnern halten soll, die zeitlebens in ihrer eigenen Scheiße herumlaufen. Ich käme nicht auf die Idee, in alten Schriftrollen nach einem versteckten Hinweis zu suchen.
Ein anderes Kriterium für diesen Kompass könnte sein:
Gefalle Deinem Gott. Hier ist schon weniger leicht vorhersagbar, wie sich die entsprechende Person verhalten wird. Ich gebe Dir dazu ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis.
Ein Bekannter von mir, ein gläubiger Christ (man könnte ihn direkt als unterwürfig bezeichnen), lehnt jede Spende kategorisch ab. Begründung: Man soll sich nicht selbst erhöhen; wer aber spendet, findet sich dabei selber gut, und dieses Sich-selbst-gut-finden sei eine Sünde.
Man beachte, dass dieser Bekannte nicht seinen Kompass verloren hat. Sondern im Gegenteil, er folgt einem sehr exakt abgestimmten Kompass. Weil der Kompass nicht auf das Leid ausgerichtet war, kam dieses in seiner Abwägung nicht vor. Sondern der Kompass war auf den Willen seiner Götter ausgerichtet, daher wog er sein Seelenheil gegen den Willen der Götter ab. Deswegen waren auch meine Gegenargumente erfolglos, als ich anlässlich einer Katastrophe sagte:
"Ist doch egal jetzt, schmeiß die lumpigen zehn Euro auf den Tisch und fertig!" Nein -- dem Kompass muss strikt gefolgt werden.
Was lehrt uns dieses wundersame Gleichnis?
Es lehrt uns, dass zwar im Einzelfall jeder Euro nützlich ist, wenn er denn gespendet wird. Es lehrt uns aber auch, dass die Beurteilung, ob eine Spende erfolgen sollte, fatal fehlschlagen kann, wenn der Kompass defekt ist. Deswegen kommt es zuerst darauf an, dass der Kompass funktioniert. Der Rest ergibt sich dann automatisch.
Ein Kompass, der in Richtung einer Götterwelt zeigt, ist vermutlich defekt, zumindest aber verschoben. (Begründungen habe ich ausreichend gegeben, hilfsweise reicht ein Blick in die Bibel.) Das kann mal gute, mal neutrale, und mal schlechte Auswirkungen haben. Wie ein Kompass, der orientierungslos ist. Warum also repariert man nicht zuerst den Kompass?