Zu Kant (aber nicht nur): Unterm Strich geht es um a) Erkenntnisse und b) Rechtfertigungen.
Erkenntnisse kann man "einfach so" haben, ohne dass etwas daraus folgt. Man kann aus irgendeiner Erkenntnis heraus verabreden, so zu tun, als gäbe es Gott, oder auch nicht. Solange nichts daraus folgt, ist es ein akademisches Gedankenspiel. In diesem Sinne ist es einerseits interessant, was Kant dazu sagt, andererseits aber auch einerlei.
Rechtfertigungen dienen dazu, konkrete Handlungen zu legitimieren. Etwa: Weil es einen Gott gibt (oder wir es uns mal philosophisch so vorstellen), fordern wir von Dir dies-und-jenes. Beispielsweise dürfen Christen keine Juden heiraten, weil (XY). Eine Rechtfertigung braucht eine viel höhere Plausibilität als irgendein rein gedachtes Konstrukt, weil sie eine Zustimmung benötigt (außer bei Sklaverei).
Für eine Rechtfertigung bringen mir alle philosophischen Denk-Experimente nicht genügend Gewicht auf die Waage. Im Grunde bringen sie überhaupt kein Gewicht auf die Waage. Ich könnte beispielsweise einwenden, dass stets angenommen werden muss, dass es mehrere Götter geben könnte, die gelegentlich unterschiedlicher Auffassung sind. Allein diese These macht alle Spekulationen über Wille, Eigenschaften und Absichten von "Gott" bedeutungslos, denn eventuell gibt es mehrere.
Ich könnte weiterhin einwenden, dass der einzige Gott nach Gutdünken seine Meinung ändert. Man mag dem entgegnen, dass es ziemlich albern sei, dass Gott seine Meinung ändern würde. Ich könnte antworten, dass es ziemlich albern sei, dies einfach auszuschließen, und man möge mir bitte diese Annahme sauber herleiten.
Mit diesen Einwänden möchte ich meine Auffassung illustrieren, dass hier ein riesiges Gewicht an einem winzigen Scharnier aufgehängt wird. Aus Kleinigkeiten (dass es nur einen Gott gibt, dass dieser nie seine Meinung ändert) werden riesige und weitreichende Schlussfolgerungen gezogen. Aber schon winzige Änderungen in den Annahmen ändert alles.
Ein solches winziges Scharnier ist auch die Annahme, dass wir die Götter nicht geistig erfassen könnten, weil es ein für uns unfasslicher Bereich sei. Das wird einfach mal so angenommen, und an diesem kleinen Scharnier hängt man riesige Konstrukte auf. Ich halte diese Annahme aber für frei erfunden.
Am Ende erreichen alle diese Überlegungen und Gedankenspiele die Schwelle nicht, ab der man Rechtfertigungen ableiten könnte. Es könnte alles stimmen, aber es könnte auch alles falsch sein. Daher ist es egal, ob es die Götter gibt oder nicht.
Ob Götter einer Moral unterworfen oder der Moral überlegen sind: Wen kümmert's? Wenn Gott höchstpersönlich anordnen würde, jeden Tag ein Kaninchenbaby zu töten, würden wir es trotzdem nicht tun. Gottes Moral ist uns egal, denn wir haben unsere eigene Moral. Deswegen ist es bedeutungslos, ob Gott über oder unter der Moral steht. Es mag als Erkenntnis oder als Gedankenspiel unterhaltsam sein, aber es wird kein vernünftiger Mensch ein süßes Kaninchenbaby umbringen, weil irgendein Philosoph eine Schlussfolgerung zieht.
Damit möchte ich sagen, dass wir selbst dann, wenn wir zu einem zweifelsfreien Ergebnis kämen, dieses ignorieren würden, wenn es uns nicht in den Kram passte.
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