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Zitat von MattF
Wie würde das in Gesetzesform ausgedrückt?
Welche Zeit für den Arbeitsweg wäre noch angemessen?
Man kann irgendwo in Brandenburg aufs platte Land Wohnblocks ballern für 50.000 Leute und denen dann sagen: Fahrt 2h nach Berlin rein zum Arbeiten. Würde damit dem einklagbaren Recht auf wohnen Genüge getan?
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Im Prinzip geht es mir allein darum, dass der Staat die Pflicht wahrnimmt, für bezahlbaren, die ärmeren Schichten leistbaren Wohnraum zu sorgen. Ein ungeregelter freier Markt richtet das nicht von sich aus für die Wohnbedürfnisse der Menschen. Für die Schulpflicht und das Recht auf einen Kitaplatz muss der Staat doch auch mit entsprechenden Bauten vorsorgen, die in zumutbarer Entfernung die Versorgung sicherzustellen. Bevor das Recht gesetzlich verankert wurde, sorgte der Staat nur unzureichend für Kita-Plätze. Heute muss er u.U. Eltern eine Entschädigung zahlen, wenn ihnen für das Kind keinen Platz angeboten werden kann, weil sie deswegen nicht arbeiten können, was zu einer flächendeckenden Versorgung mit Plätzen führte.
Ich bin nach der Rente ca. 2h von Berlin entfernt in die Nähe von Templin gezogen, unter anderem auch weil mir der Mietanteil an der Rente in Berlin zu hoch wurde. Zweimal musste ich in Berlin wegen angeblichen Eigenbedarfs, einmal wegen Modernisierung aus Altbauten umziehen. Darauf hatte ich für die Zeit meiner Rente keinen Bock mehr.
Während meines Arbeitslebens wäre ich nie insgesamt 4h täglich zur Arbeit und zurück gefahren, dafür ist mir meine Lebenszeit viel zu schade. Zumutbar auf Dauer fände ich max. insgesamt 2h pro Tag, ich versuchte sogar immer in der Nähe der Ausbildungsstätte, später des Arbeitsplatzes zu wohnen. Es ist nur eine sehr, sehr kleine Minderheit, die 4h am Tag für den Arbeitsweg aufbringt. Und das sollte auch so bleiben, schon allein aus ökologischen Gründen.
Über die Versorgungslücken mit bezahlbarem Wohnraum gab die Böckler Stiftung eine breite Studie in Auftrag. Sie weist nach, wie gross der Bedarf in DE ist, auf 148 Seiten. Auf S. 10 findet man eine Zusammenfassung, wer sich dafür interessiert. Gedeckt werden kann dieser Wohnungsbedarf nicht mit Bauten für teuere Eigentums- oder Mietwohnungen und Grundstückspekulationen. Geeignet wäre das Wiener Konzept.
https://www.miete-bezahlbar.de/filea...o-sta-dten.pdf
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Zitat von MattF
In dem Artikel steht ja im übrigen auch drin, dass es schon Rechte im Bezug auf Wohnen gibt, sich aber keine drum schert. Ein weiteres Recht bringt nichts.
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Das "Recht auf Wohnen" ist Teil der Menschenrechte und wie ich im Unterschied zu Helmuth finde, sicher nicht "veraltete Politik", sondern an vielen Stellen auf der Welt höchst aktuell einzufordern. Auch wer unter Brücken und auf Parkbänken wohnt, findet ein solches Recht sicher sehr aktuell.
https://www.amnesty.de/mit-menschenr...e-zwangsraeumu
Einfach immer mehr Menschen noch mehr Wohngeld zu geben, führt nur dazu, dass der Staat die Immospekulation zugunsten privater Grosskonzerne wie Vonovia, Deutscher Wohnen etc. unterstützt. Die öffentliche Hand muss hingegen selbst inform gemeinnütziger Gesellschaften und bei Neubauten wie nach dem Wiener Konzept 2/3 der Mieten festlegen und damit die Mieten insgesamt beeinflussen können.
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Zitat von MattF
Es gibt auch bei Wohnraum Überproduktionskrisen. Geh mal aufs Platte Land, da steht die Überproduktion von nicht mehr benötigtem Wohnraum. Dass Wohnraum ne andere Ware als Rinderlende ist erschließt sich mir nicht.
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Verzichte mal einen Winter auf Deine Wohnung / Haus und einen Winter auf die Rinderlende? Oder frage die Obdachlosen, ob für sie Wohnung und Rinderlende dasselbe bedeuten? Beide Waren verfügen über einen Tauschwert, richtig, aber der Gebrauchswert inbezug auf die menschlichen Grundbedürfnisse unterscheidet sich existentiell und die Menge der Grundstücke in bestimmten Lagen ist fest begrenzt. Ich betrachte die Gebrauchswertfunktion, Du den Tauschwert. Oder betrachte die Milch, die im Überfluss produziert wird. Wer den Fleisch-, Milch-,Handymarkt auf den Wohnungsmarkt anwendet, braucht sich IMHO nicht zu wundern, wenn er keine bezahlbaren Wohnungen findet und stattdessen wenige Konzerne hohe Börsengewinne erzielen.
Ich kenne die ländliche Wohnsituation. Es handelt sich in DE nicht um den Neubau, der am Bedarf vorbei errichtet wurde und zu einer Überproduktion führt, sondern um regional vereinzelten alten, baufälligen Bestand, wo die Energiewerte katastrophal sind, vor allem in den östlichen Bundesländern. Und fast jeder Grundstücksbesitzer wünscht sich nichts mehr, als eine Umwandlung seiner Flächen in Bauland, egal wo.
Templin in Brandenburg, 2h von Berlin entfernt, z.B. modernisierte sogar die Plattenbauten und baut heute neue Wohnhäuser (auf Genossenschaftsbasis) unter einem Bürgermeister der Linke.