Soziale Absicherung bzw. das große Überthema Sozialstaat / Soziale Marktwirtschaft und das Thema Gerechtigkeit sind Themen die man vermutlich schwer in einem Forum, einer Talkshow oder bei drei vier fünf gemeinsamen Bier im echten Leben abschließend und zu 100% beantworten kann.
In einem wirtschaftspolitischen Seminar haben wir während des Studiums mal "alle" Möglichkeiten in Seminararbeiten ausarbeiten und dem Plenum vorstellen müssen. War sehr spannend, wenn die einen mit bedingungslosen Grundeinkommen, die nächsten mit Mindestlohn, die dritten mit Pflicht zur Arbeit für Erwerbslose (Fördern und viel Fordern) u.s.w. ihre Themen vorstellen und voller Elan verteidigen.
Vorneweg:
Ich stimme zu, dass das aktuelle System hinkt und krankt und unsere Gesellschaft spaltet. Wie es davor war, kann ich nicht beurteilen, damals war ich noch zu jung.
Ich glaube man findet schon keinen Konsens wenn man fragt was "Gerechtigkeit" bedeuten muss. Leistungs- oder Verteilungsgerechtigkeit? Wir haben in D einen Zwischenweg mit dem gefühlt beide Seiten eher unzufrieden sind.
Gibt man Menschen die Wahl, entweder 100.000€/a zu haben und alle im Umfeld haben 150.000 €/a oder aber sie haben selbst 80.000€/a und alle anderen 60.000€/a entscheidet sich die Mehrheit - auch wenn die Kaufkraft gleich bleibt! - für Variante B, weil sie dann relativ gesehen reicher sind als die anderen... und würden dafür auf reale Kaufkraft verzichten. Bei diesem Fragedesign wird die "aber durch höhere Geldmengen im Umlauf ziehen auch alle Preise an etc.".ausgeklammert. Dieser Punkt wo man sich selbst verorten kann (am besten weiter oben) ist sehr wichtig.
Und nun zum Thema:
Was muss H4 leisten? Grundsicherung? Sorgenfreies Leben? Teilhabe an sportlichen, kulturellen oder sozialen Events?
Es gibt meiner Meinung nach die Pflicht für jeden Menschen dahingehend zu sorgen, dass seine Grundbedürfnisse (Essen, Unterkunft, Hygiene, Kleidung, medizinische Versorgung) zu jeder Zeit erfüllt sind. Und es ist ein Zeichen von Würde und Respekt, dass er gute Scheine, als Geld, und keine Gutscheine, bekommt um selbst zu entscheiden, wie er das macht. Auch wenn das heißt, dass manche alles für Junkfood, Alk und Kippen ausgeben und damit noch ihre Gesundheit ruinieren - aus Trotz oder weil sie es nicht besser wissen. Viele machen mit wenig Geld extrem viel aus ihrem Leben und bekommen das sehr beeindruckend hin. Mancher hat Pech und kommt in H4, mancher hat nicht die besten Voraussetzungen. Kindern und Jugendlichen müssen Perspektiven gezeigt werden, ansonsten gibt es Familien mit H4-Karrieren.
Armut per Definition (60% des Durchschnitteinkommens) wird es quasi per Definition immer geben so lange wir nicht im Sozialismus oder Kommunismus leben.
Nun haben wir aber Arbeitnehmer im sogenannten Niedriglohnsektor. Diese Personen arbeiten vermutlich zwischen 140 - 170 Stunden im Monat. Und zwischen diesem Gehalt und H4 muss es einen deutlichen Abstand geben (und das bezieht sich eben auch auf die Hinzuverdienstregelungen) damit es sich lohnt Vollzeit zu arbeiten. Ansonsten kann ich auch H4 beziehen und legal (oder noch besser: Schwarz) arbeiten und mit viel weniger Zeitaufwand die gleichen finanziellen Mittel am Monatsende haben. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass ein AN der mit 9€/h brutto heimgeht das eher akzeptiert wenn er Hoffnung hat irgendwann auf 11€ oder sogar 12€/h zu steigen. Aber das passiert nicht mehr. Schwache Gewerkschaften, Chefs die die Kosten drücken, große Dax-Konzerne die ihre Tier1-Zulieferer drücken die ihre Folgezulieferer drücken und am Ende steht der kleine Angestellte und Arbeiter. Die aber sind frustriert wenn die BLÖD vorrechnet was eine H4-Familie mit 2 Kindern bekommt und was der in Vollzeit arbeitende Papa bei dem die Frau daheim bei den 2 Kindern ist hat und es nur ein paar hundert Euro Unterschied sind, wenn überhaupt...
Die Lösung? H4 auf einen ehrlichen Satz anheben damit es reicht, Hinzuverdienstregeln (100€ zu 100%, danach 20%) lassen und die niedrigen Einkommensklassen bei Steuer- und Sozialabgaben massiv entlasten. Gegenfinanzierung durch eine Spitzensteuer von ein paar Prozentpunkten die bei einem X-fachen (6 - 10x) des Medianeinkommens liegt. Ergänzend endlich die Torbin-Steuer einführen um Finanzspekulationen zu beenden. Ich frage mich bis heute ob es dem Finanzplatz Deutschland tatsächlich den Todesstoß versetzen würde wenn man das in einem Alleingang durchsetzt und glaube nicht.
Dann geht es aber weiter: Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Neubauten sind selbst für Akademiker mit einem durchschnittlichen Gehalt - wenn nicht in einem Konzern, UB o.ä. angestellt - ohne Vermögen aus der Familie kaum bezahlbar (also im Kauf) und die Investoren werden irgendwann ihre Mietrendite erzielen wollen. Die steigenden Preise sind aber auch z.T. falschen gesetzlichen Vorschriften geschuldet weil wir in Deutschland gerne vorschreiben WIE etwas erreicht werden muss und nicht einfach nur WAS und der Weg frei ist (-> Wohnungsbau, Energiewende...). Also wieder mehr bezahlbare Wohnungen, weil die bezahlt der AN auch mit seinem geringen Einkommen selbst während es bei dem anderen das Amt übernimmt und ich kenne Leute die sagen "H4 sind super Mieter. Amt bezahlt und wenn etwas sein sollte übernehmen die auch die Reparaturen nach dem Auszug"... da spielt man die Armen gegen die Ärmeren aus.
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