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Zitat von schnodo
Dass Politiker lügen ist vermutlich eine unstrittige Feststellung. Interessanterweise häuft sich die Lügerei, wenn sie Dinge sagen, die mir nicht in den Kram passen.
Um nicht länger im Dunkeln zu tappen, habe ich jetzt mal eine Stichprobe genommen und nachgeschaut, was die Regierung Österreichs selbst zu dem Thema schreibt.
Zusammengefasst: Ihnen passt die "Vermischung der Suche nach Schutz mit Arbeitsmigration" nicht und man legt Wert darauf, dass weiterhin zwischen "Asyl und illegaler Migration" unterschieden wird. Man hat Angst, dass ein Beitritt zum Pakt eine "künftige Bindung durch Völkergewohnheitsrecht" zur Folge haben könnte. Das will man nicht.
Ob die befürchtete Vermischung sich tatsächlich so aus Migrationspakt ergibt, weiß ich nicht. Momentan habe ich auch nicht die Neigung den Pakt komplett durchzuackern. Geschmeidig wie ein Roman liest sich das Ding nicht.
Das Völkergewohnheitsrecht scheint etabliert zu sein und wird z.B. als Rechtfertigung für den NATO-Angriff im Kosovokrieg herangezogen. Ob der Migrationspakt ein Kandidat für einen Übergang in Gewohnheitsrecht ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Völlig aus der Luft gegriffen scheint mir diese Befürchtung aber nicht.
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Du fasst den Standpunkt der österreichischen Regierung gut zusammen. Ich kann als Nicht-Jurist natürlich auch keine eigenständige juristische Expertise vorlegen. Als beobachtender Staatsbürger sind mir allerdings in den letzten Tagen zahlreiche Expertenstellungnahmen untergekommen, die der Regierungseinschätzung widersprechen. Und auch bei den Passagen des Paktes, die ich bisher im wörtlichen Zitat gelesen habe, finde ich nichts, das die öffentlich geäußerten Befürchtungen der Regierungsspitze unterstützen würde.
Beispielsweise das Völker-Gewohnheitsrecht. Da geht es nicht um juristische Texte, sondern darum, dass eine bestimmte Praxis jahrzehntelang ausgeübt wird. Um diese Befürchtung wahr werden zu lassen, müsste Österreich also jahrzehntelang zahlreiche Migranten einfach so ins Land lassen, ohne zwischen legal und illegal oder sonstwas zu unterscheiden. Dass das die aktuelle oder irgendeine künftige Regierung tatsächlich tut, und damit die Gefahr hervorrufen würde, dass in hundert Jahren das Gewohnheitsrecht schlagend wird, scheint mir ausgeschlossen.
Abgesehen davon ärgert mich ein bisschen, dass die Politiker so tun, als würde die Rechtsverbindlichkeit eines Vertrags automatisch bedeuten, dass man sich als Staat auch wirklich daran halten muss. Beispiel: Italien missachtet die verbindlichen EU-Budgetregeln, und zwar ganz bewusst. Und wie oft werden Staaten kritisiert, weil sie z.B. einzelne Punkte der Menschenrechts-Konvention nicht einhalten? Und in wie vielen Fällen hat das tatsächliche Konsequenzen? Wer sollte denn das auch durchsetzen?
Die österreichische Regierung erfindet hier ein Bedrohungsszenario, das mit schön und kompetent klingenden juristischen Fachbegriffen garniert wird. "Tarnung durch Bombast" würde ich das nennen, wobei man bei diesem rhetorischen Trick (laut Wikipedia) "eine leere Hülle mit viel Füllmaterial ausstopft, um dem mangelhaften Gedankengerüst Gewicht zu verleihen.
