Zitat:
Zitat von Foxi
Natürlich nicht - was für eine rhetorische Frage...
Aber es scheint mir doch ein besonderes Phänomen zu sein, dass wir uns in Deutschland in einem besonderen Maße für Athleten (jeglicher Sportart) begeistern können, die außergewöhnlich leistungsfähig, talentiert und erfolgreich sind. Diese "Stars" werden - durch reichlich Medienpräsenz unterstützt - auch durch unsere Erwartungen und unsere Identifikation "gemacht" und in ihrer Funktion als Vorbild am Leben gehalten.
Besonders gut funktioniert dieser Mechanismus der Identifikation, wenn diese Sportler aus den sogenannten "einfachen Verhältnissen" kommen oder zumindest irgendwie "normal" sind. Denn "normal" wollen wir doch alle irgendwie sein... und zugleich etwas Großes vollbringen. Anders als wir haben es die "Stars" aber geschafft, sie sind nach oben gekommen und haben den ganz großen Erfolg gehabt. Wir wollen einerseits sein wie sie und anerkennen zugleich, dass sie uns turmhoch überlegen sind, quasi unerreichbar. Sie stehen stellvertretend für unsere unerfüllten Träume. Besonders beeindruckt zeigen wir uns, wenn einem dieser Sportler etwas gelingt, was trotz aller Rekorde eben noch keinem vor ihm bzw. ihr gelungen ist.
In der Fan-Kultur gelingt der Brückenschlag von "uns" zu "denen" -- es ist eben " unser Bobbele", "unsere Steffi", "unser Wasi", "unser Ulle", "unser Schumi" usw. Der Mechanismus ist bekannt und seit Jahren von der Sportpsychologie ausgiebig erforscht. Er hat nur heute technisch bedingt ein paar neue Erscheinungsformen angenommen wie z.B. der Selfie-Boom mit den Stars oder die gelikten Videos bzw. Tweets.
Ach ja, grundsätzlich Vergleichbares gab es auch schon vor Jahrzehnten, gerade im Fußball: Ferenc Puskas wurde zum "Nationalhelden" hochstilisiert, Franz Beckenbauer zur "Lichtgestalt", zum "Kaiser" etc. Nein, in dieser Form habe ich das im Ausland nicht kennengelernt.
Fällt nun einer dieser Stars aus dem Himmel, in den wir ihn gehoben haben, dann reagieren wir zumeist in einer der beiden Weisen: - Entweder wir verdammen ihn und rechnen haarklein nach und vor, wie verwerflich sein Tun ist, mitunter wird dann sogar mit moralisch-ethischen Begrifflichkeiten hantiert: "verkommen", "unentschuldbar" usw. heißen die Vokabeln der Entrüstung. Auch darin sind wir gründlich und gnadenlos. Wie konnte er/sie nur !!!
- Oder wir verteidigen tapfer ihre Verdienste, Erfolge, die doch über den "Verfehlungen"stehen, die da dann das Licht der Medienwelt erblicken. Echte, treu Fans sind erschüttert, wollen nicht, dass ihr Idol "beschmutzt" wird von jenen, die anscheinend "den Erfolg neiden" oder "nicht gönnen können" ...
Hier zeigt sich auch die Identifikation, nur von ihrer anderen Seite:
Es ist doch auch ein bisschen UNSER Erfolg, der da nun hässlich schwarze Flecken bekommt, UNSER Glanz wird matt - sei es durch Doping, durch Korruption, durch Familientragödien, Steuerhinterziehung oder oder oder.
Zurück zu Jan Ullrich. Ich finde es gelinde gesagt "äußerst beeindruckend", wie hier die Diskussion läuft bzw. gelaufen ist, wie die o.g. Mechanismen genau so funktioniert haben. Wie deshalb Streit entstand, ob dieses oder jenes usw. ...
Deshalb mein persönlicher Standpunkt: Ich weiß, dass ich mit meiner eigenen Sportbegeisterung auch Teil des Systems bin. Die Straftaten sind Sache der Justiz. Den Menschen Jan Ullrich sollte man in Ruhe lassen. Auch hier. Er eignet sich denkbar schlecht als Stellvertreter für unsere eigenen Rechtfertigungen und Enttäuschungen. 
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Interessant, aber ich habe mch nie mit JU identifiziert, sein Erfolg war nie mein Erfolg, etc. Und trotzdem kritisiere ich sein Verhalten.
JU wurde viel verziehen, mehrere Alkoholfahrten, etc. Er steht noch immer gut genug da, hat eine Menge Fans, Sponsoren, etc- auch da kann ich Deine Argumentation nicht nachvollziehen. Jeder "Normalo" wäre mit dieser Geschichte schon längst unten durch. Da besteht eher ein Plus an Toleranz, anstatt einem Minus.
Du setzt Begeisterung für eine Leistung mit der Begeisterung für die, die Leistung erbringende Person gleich- dieser Zusammenhang ist nicht zwingend gegeben.
Zur Vorbildfunktion: in dem Moment, in dem sie bewusst mit der Werbung für ein Produkt sich selber darstellen stehen sie als Vorbild da und nutzen diese Vorbildfunktion auch finanziell. Die Vorbildfunktion wird da nur zu gerne genutzt, läuft es schlecht, wollten sie "nie Vorbild sein". Diese einseitige Position sieht man immer wieder, gerade auch bei JU: auf der einen Seite will er angeblich seine Ruhe haben, gerade auch vor den "bösen Medien", auf der anderen Seite benutzt er diese nur zu gerne um weiter im Rampenlicht zu stehen und ihr Leid zu klagen, bzw. ihre Sponsoren zu präsentieren. Wer hätte es denn groß erfahren, dass JU solo ist wenn er nix gesagt hätte? Niemand! Wenn er nicht selber die Mediien gesucht hat in de letzten Jahren hörte man auch nichts von ihm. Die Zeit, in der Reporter vor seinem Haus saßen sind nun wirklich längst vorbei.
Die restlichen Radfahrer wie Zabel, etc. sind nicht so hart angegangen worden weil sie nicht so im Rampenlicht standen, bzw. weil sie zumindest (unehrliche)Teilgeständnisse abgegeben haben. Auch ein Ivan Basso, etc. Nur Ulle wollte weiterhin absolut nix zugeben, ging gegen jeden gerichtlich vor der das in Zweifel zog. Hätte er gestanden wie Basso wäre er genauso schnell wieder Rad gefahren und die meisten hätten ihm verziehen.
Ebenso bei LA. Große Lügen führen zu großen Abstürzen, außergewöhnlich große Lügen zu außergewöhnlich großen Abstürzen. Da sind dann nicht die Medien schuld, nicht die Fans, niemand, nur der Lügner selbst.