gemeinsam zwiften | youtube | forum heute
Coaching 2026
Triathlon Coaching
Individueller Trainingsplan vom persönlichen Coach
Wissenschaftliches Training
Doppeltes Radtraining: Straße und Rolle mit separaten Programmen
Persönlich: Regelmäßige Skype-Termine
Mehr erfahren: Jetzt unverbindlichen Skype-Talk buchen!
triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Da fasse ich mir echt an den Kopf…
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 29.05.2018, 22:38   #12480
Jörn
Esst mehr Gemüse
 
Benutzerbild von Jörn
 
Registriert seit: 22.09.2006
Beiträge: 3.499
Hallo ziel, ich finde persönliche Erlebnisse auch interessant, sofern man dabei berücksichtigt, wie stark deren Beweiskraft ist, oder wie sie in ein Argument eingefügt werden. (Und wenn sie nicht überhand nehmen.)

Als fleißiger Beobachter von Bibel-TV und k-tv weiß ich jedoch, dass die Argumentation mit persönlichen Erlebnissen oft dazu verwendet wird, die Zuschauer hinter die Fichte zu führen. Dazu werden zwei einfach zu erkennende Tricks besonders häufig angewandt -- mit dem Ergebnis, dass die Zuschauer diese Tricks ebenfalls anwenden, ohne sich bewusst zu sein, dass es Tricks sind.

Trick 1: Das persönliche Erlebnis steht nicht am Anfang einer Debatte, sondern am Ende. Wenn das Erlebnis am Anfang steht, kann man sich fragen: "Hm, was folgt nun daraus? Ist es Zufall? Einbildung? Oder göttlicher Eingriff?" Das ist eine legitime Fragestellung. Es folgt eine Debatte.

Aber wenn das Erlebnis am Ende steht, wird es zur Begründung. Das Schema ist wie folgt: Irgendwer hatte großes Unglück, oder sein Leben schien ihm bedeutungslos, oder er war dem Alkohol und der Pornografie verfallen -- und dann, puff!, erschien Gott und hat alles wieder ins Lot gebracht. Damit ist die Debatte zu Ende, und alle haben leuchtende Augen, weil die Geschichte so schön war. Eine Überprüfung fand überhaupt nicht statt. Die Hypothese, die eigentlich geprüft werden sollte, wird zu ihrer eigenen Begründung. Es ist, wie so oft, ein Zirkelschluss.


Trick 2: Erzählungen können entweder ein konkretes Geschehen beschreiben ("Gott hat meinen Rasen gemäht -- ein Wunder!"), oder sie berichten vor allem von der eigenen Ergriffenheit. In beeindruckender Weise wird erzählt, wie schlecht es einem ging, und wie man nun zu Gott gefunden hätte, und wie wunderbar erleuchtet man sei, und dass sich nun alle Fragen von selbst beantworten. Diese Erzählweise lässt den Zuhörer überhören, dass die eigene Ergriffenheit zum Thema wird. Die eigene Ergriffenheit ist aber kein Argument.

Man müsste also unterschieden: Erzählt jemand tatsächlich ein persönliches Ereignis? Oder erzählt er von seiner eigenen Ergriffenheit? Falls die eigene Ergriffenheit thematisiert wird, kann man nur mit den Schultern zucken und sich gemeinsam freuen. Es ist ja nicht verboten, sich ergriffen zu fühlen.

In religiösen Kreisen wird aber die persönliche Ergriffenheit als ganz besonders überzeugendes Beweismittel anerkannt. Die eigene Begeisterung, so lautet das Argument, darf keinesfalls so enorm enttäuscht werden. Je größer die Begeisterung, desto gemeiner und unmöglicher wird es, sie den Leuten wegzunehmen. Deswegen steigert man sich bis ins Unendliche in diese Begeisterung hinein, einfach um deren Widerlegung so weit weg zu schieben wie nur möglich. Es ist ein Selbstbetrug.
Jörn ist offline   Mit Zitat antworten