Was genau geschah an Christi Himmelfahrt?
Am heutigen Feiertag gedenken die Christen der Auffahrt von Jesus in den Himmel.
Diese Idee geht vor allem auf das Lukas-Evangelium und auf die Apostelgeschichte zurück, die beide vom gleichen Verfasser stammen. Lukas verarbeitet hier religiöse Vorstellungen, die in der Antike allgemein verbreitet waren, nämlich eine Götter-Hierarchie, die sich auch durch eine Sitzordnung ausdrückt. Der Sitzplatz rechts von Gott war eine herausgehobene Stellung (wird auch heute noch so bei politischen Festbanketten so arrangiert, aber auch bei Hochzeiten). Die Auffahrt von Jesus, der sodann zur Rechten Gottes Platz nehmen durfte, drückt also eine besondere Erhöhung aus.
Diese Erhöhung verdeutlicht aber nicht einen
bereits vorhandenen Status (also dass jemand diese erhöhte Position schon immer hatte), sondern meint ausdrücklich die aktive Heraushebung durch Gott, also das Herausgehoben-
werden. Denn das frühe Christentum (das ja hauptsächlich noch ein Judentum war) sah in Jesus noch keinen Gott. Die frühen Evangelien betonen das ausdrücklich. Erst die späteren Evangelien vergöttlichen Jesus immer mehr, bis er dann im Johannes-Evangelium nur eine andere Gestalt von Gott geworden war.
Weil Jesus aber zur Zeit der Apostelgeschichte noch kein Gott war, machte die Vorstellung Sinn, er würde neben Gott Platz nehmen. Wäre Jesus damals bereits
identisch mit Gott gewesen, hätte er nicht neben sich selbst Platz nehmen können, denn das ist schwer vorstellbar. Die spätere Trinitätslehre versuchte, dies wieder plausibel zu machen.
Man beachte auch, dass Jesus emporgehoben
wurde -- er handelt also nicht selbst.
Die frühen Christen stellten sich vor, dass sie dieses Privileg ebenfalls erhalten konnten.
Das Datum für die Himmelfahrt ergibt sich aus einer Zahlenmystik, denn die Juden hatten eine ausgefeilte Tradition, bei der Zahlen eine große Bedeutung hatten. Die Zahl 40 kommt häufig vor, beispielsweise soll Moses 40 Jahre lang durch die Wüste geirrt sein; Jesus wanderte 40 Tage durch die Wüste; und nun stieg er 40 Tage nach seiner Auferstehung vom Tode zum Himmel auf. Diese Angaben finden sich nur in der von Lukas verfassten Apostelgeschichte; den anderen Schriften ist sie unbekannt. So wird "Christi Himmelfahrt" immer 40 Tage nach Ostern gefeiert.
Man beachte, dass Jesus mit seinem intakten irdischen Leib in den Himmel aufstieg. Es ist also keine "Seelenwanderung". Gestorben war er ja bereits am Kreuz. Danach wurde er von Gott erweckt, und er musste nicht erneut sterben, um in den Himmel aufzufahren. Er hinterließ keinen Leib.
Also wie genau fuhr Jesus in den Himmel auf?
Es war beim gemeinsamen Abendessen mit seinen Jüngern. Jesus hielt eine letzte Ansprache. Dann hob er sich empor und verschwand vor den Augen der Jünger in einer Wolke.
Apostelgeschichte 1,3-9
Beim gemeinsamen Mahl gebot er [Jesus] ihnen [den Jüngern]: "Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet* auf die Verheißung des Vaters**, die ihr von mir vernommen habt!" (...) Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.
Die Geschichte versichert uns im weiteren Verlauf, dass Jesus auf genau diese Weise wieder zur Erde zurückkehren würde, wenn die Zeit gekommen ist.
Diese spektakuläre Story vom plötzlichen Auffahren während eines gemeinsamen Abendessens, also umringt von Zeugen, ist den vier Evangelien unbekannt. Ist es glaubwürdig, so eine Sensation zu vergessen? Das früheste Evangelium berichtet weder von einer Jungfrauengeburt noch von einer Auferstehung, und auch nicht von einer Himmelfahrt. Es scheint sich also um recht vergessliche Autoren gehandelt zu haben. Vermutlich wurde diese Story erst später eingefügt.
Laut kirchlicher Tradition sind die Tage vor Christi Himmelfahrt besonders gut geeignet, um persönliche Bitten in den Himmel zu senden. Aufgrund der schon beschriebenen Zahlenmystik gelten drei Tage vor dem Ereignis als gute Wahl. Bauern wird empfohlen, während dieser Tage ihre Felder zu umrunden. Diese "Feldumgänge" sollen für eine gute Ernte sorgen. Es ist möglich, dass diese Empfehlung auf einen der Propheten im Alten Testament zurückgeht, der ein Jahr lang um einen Stein herum lief, um dadurch göttliche Weisheit zu erlangen. Viele Dinge im Neuen Testament sind ja Rückgriffe auf das Alte Testament.
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*Jesus spricht also von etwas, was die Jünger in ihren Lebzeiten noch erleben sollen. Gemeint ist die Rückeroberung von Jerusalem, das ja andauernd von verfeindeten Mächten besetzt war. Aber anstelle einer Rückeroberung wurde Jerusalem und vor allem der Tempel im Jahr 70 völlig zerstört. Ein freies Israel entstand erst ca. 1900 Jahre später, nämlich im Jahr 1948, als der heutige Staat Israel gegründet wurde. Jesus hat sich also eindeutig geirrt.
** Jesus macht einen Unterschied zwischen sich und Gott.