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Alt 02.11.2017, 20:06   #8785
qbz
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Registriert seit: 24.03.2008
Beiträge: 12.573
Zitat:
Zitat von Jörn Beitrag anzeigen
qbz, danke für das informative Posting. Wenn ich Dich richtig verstehe, plädierst Du im letzten Absatz dafür, die guten Dinge von Luther nicht über die paar schlechten Begleiterscheinungen zu vergessen. Sondern man soll beides trennen -- so täten es auch die Gläubigen.
....
Es kommt mir weniger auf "gut" oder "schlecht", sondern darauf an, was Luther bewirkt hat und ob das historisch als reaktionär, konservativ, progressiv, revolutionär zu bewerten ist. So half er bekanntermassen mit den hier zitierten Texten aktiv mit, die Bauernaufstände zu unterdrücken, die sich gegen die Fürsten und den Zehnten richteten, und verbündete sich mit den die Bauern ausbeutenden Fürsten, die sich von der Römischen Kirche lossagten, um seine für die Lossagung passende Lehre mit der Erlaubnis der fürstlichen Obrigkeit unter das Volk zu bringen. Die aufständischen Bauern hätten allerdings auch keine Chance auf Erfolg für eine andere Ordnung gehabt, hätte sich Luther auf ihre Seite gestellt.

Die "neue geistliche Ordnung" Luther's beendete in einigen Fürstentümern die damals sehr grosse Macht des Papstes sowie der Römischen Kirche und lieferte für diese Zwecke die Gnaden-Lehre, die Du ja umschrieben hast. Er predigte herrschaftsbejahendes Verhalten gegenüber den weltlichen Mächten und Kritik an der päpstlichen Aneignung der Seelen. Ich denke, darüber kann es eigentlich keinen Streit geben, dass die Römische Kirche eine konservative bis reaktionäre Herrschaft zum damaligen Zeitpunkt in Europa darstellte und die Beschneidung ihres Einflusses durch Luther's Ablasskritik insofern als progressiv und die Bauernaufstände als revolutionär zu werten sind.

Verbündete sich Luther mit den feudalen Fürsten, suchten Zwingli und Calvin hingegen die Unterstützung des herrschenden Bürgertums in den Städten Zürich und Genf (beide als Stadtbürgermeister), dem Träger der späteren bürgerlichen Revolutionen. Die Zwinglianer und Calvinisten beschäftigten sich anders als Luther auch mit neuen weltlichen Gesetzen (Puritanismus, Arbeitsethik). Die (calvinistischen) Hugenotten in Frankreich forderten später z.B. die Trennung von Staat und Religion sowie die Religionsfreiheit. Der Calvinismus wirkte vor allem in den angelsächsischen Sprachraum nicht nur als Religion und geflohene Hugenotten beeinflussten auch Friedrich den Grossen und das preussische Staatswesen.

Man kann natürlich mit sehr guten Gründen der Meinung sein, dass die Abschaffung des mittelalterlichen, durch die Römische Kirche eingeführten Zinsverbotes in der italienischen Renaissance den Kapitalismus und das Ende des Mittelalters viel stärker beförderte als das Wirken von Luther. Und den Reformationsfeiertag zeitgemäss durch einen Zinsfeiertag ersetzen, ehrlicherweise.

Ps:
Darüber, dass die Lutherbibel die Entstehung der (früh)neuhochdeutschen Sprache beeinflusste, wie Schussel schreibt, bestehen keine Zweifel. Zwingli übersetzte die Bibel, die bekannte Zürcher-Bibel ins Alemannische (mittelhochdeutsche), weshalb sie und Zwingli ausserhalb dieses Sprachraumes halt keine Verbreitung fanden.

Geändert von qbz (02.11.2017 um 22:27 Uhr).
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