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Alt 17.10.2017, 12:42   #8614
Helmut S
Szenekenner
 
Registriert seit: 30.10.2006
Beiträge: 9.632
Servus Beieinander!

Ich habe seit meinem letzten Post bis hierher mitgelesen, hatte aber nicht den Eindruck etwas weiteres Beitragen zu können. Weil hier aber viele Aussagen getroffen wurden, die ich als philosophische Prinzipien, Strömungen und Konzepte denke erkannt zu haben, möchte ich an der Stelle doch noch versuchen etwas beizutragen. Wahrscheinlich bin ich etwas spät dran mit meinem Beitrag - ich kann aber nicht so schnell denken wie ihr postet; sorry Ausserdem habe ich dann ab und zu auch noch mords Pech beim denken und muss von vorne anfangen

In der Diskussion wurde z.B. darauf hingewiesen das es nicht bewiesen sei, dass es keinen Gott gibt. Die Hypothese, deren beweis gefordert wird ist also "Es gibt keinen Gott". Solche Sätze sind im Sinne der Erkenntnistheorie sogenannte "Es-gib-nicht" Sätze, die inhaltlich äquivalent zu sog. "All-Sätzen" sind. Allsätze sind universell und allgemein gültige Sätze, die immer und unter allen Umständen gelten. Die wesentliche Eigenschaft eines Allsatzes ist, dass er nicht verifizierbar ist, sehr wohl aber falsifizierbar. Warum das so ist liegt auf der Hand: Wie soll man beweisen, dass es etwas nicht gibt? Man wird immer dem Vorwurf ausgesetzt sein, dass man nicht gründlich genug gesucht hat. Freilich kann man solche Hypothesen leicht falsifizieren, man müsste nur einen Gott finden um das zu tun.

Da solch ein Satz aber nicht zu verifizieren ist, ist die Aussage "Es ist nicht bewiesen, dass es keinen Gott gibt." eine Tautologie, d.h. die Aussage ist immer wahr und kann nie und zu keinen Umständen falsch werden, also auch nicht zu falsifizieren (Anm: Die Aussage würde dann falsch sein, wenn bewiesen wäre, dass es keinen Gott gibt. Das geht aber wegen des oben Gesagten nicht). Wenn sie aber nicht zu falsifizieren ist, ist sie sicher nicht geeignet in einer Debatte, die einer empirischen Logik folgt verwendet zu werden, denn Aussagen der Empirik müssen immer "an der Erfahrung scheitern können". Im Endeffekt ist es (also die Behauptung "Es ist nicht beweisen ...") umgangssprachlich ein Totschlagargument und wo es gebracht wird, wächst kein Gras mehr, wenn auch noch soviel im Anschluß zum Thema geredet wird. Mit vielen (wenn nicht sogar mit allen) mir bekannten Aussagen zum Thema "Existenz/Nicht-Existenz" Gottes verhält es sich so.

Was Arne in seinem letzten langen Beitrag geschrieben hat ist Ausdruck einer philosophische Strömung, die es seit dem Mittelalter gibt und im deutschen Idealismus bei Kant seinen Höhepunkt erreicht hat (Kritik der reinen Vernunft; kann man lesen, die Sprache ist etwas schwierig, sonst geht's aber). Es geht dabei u.a. darum, dass die Philosophie erkannt hat dass es die Welt "für sich" nicht gibt, sondern dass wir nur das wahrnehmen, was unser Bewußtsein uns vorgibt was die Welt ist. Wir nehmen die Welt also nicht "für sich" wahr, sondern nur "für uns". Nur die Anschauung eines Dinges ist unserer Erkenntnis also zugänglich, nicht das Ding selbst. An der Stelle hat sich die Kirche auch selbst im Mittelalter irgendwie ins Bein geschossen (viele Philosophen waren auch Theologen), denn ab dem Moment ab dem die philosophischen Erkenntnis im Mittelalter aufkam, war eigentlich klar, dass der Mensch einen "Gott an sich" gar nicht erkennen kann (selbst wenn es ihn gäbe) sondern das Gott nur "für mich" - also im Bewußtsein der Menschen, ja des einzelnen Menschen existiert. Damit war das Dogma Gott eigentlich schon tot.

Als Mensch (Naturwissenschaftler, Mathematiker, Philosoph, ..) der die "absolute Wahrheit" sucht, hat man nun zwei Möglichkeiten: Entweder man lehnt sich entspannt zurück, lächelt und akzeptiert das unsere Fähigkeit zur objektiven Erkenntnis begrenzt bis hin zu nicht vorhanden ist. Oder man wird zum Zyniker - das geht auch. Meine Haltung ist eher die Erste. Denn: Wenn man diesen "Subjektivismus" (es gibt keine Realität "für sich" sondern nur eine "für mich") mal versucht in seienr Praxistauglichkeit zu betrachten, kommt man schnell drauf, dass der nix taugt, denn ich kann jeden Versuch irgendwas zu erklären, sofort damit zertrampeln, dass ich sage: Das ist ja subjektiv und keine objektive Wahrheit. Wenn ich einem Physiker das sage was Leibnitz schon gesagt hat, nämlich das es keinen Raum und und keine Zeit gibt, sondern Raum und Zeit sind nur Anschauungskategorien, dann wird dieser Menschen wahrscheinlich strinrunzeln und Diskussionsbedarf haben. Natürlich ist das aber trotzdem nicht falsch, man muss halt eine zusätzlich Sicht einnehmen um das zu akzeptieren.

Warum erzähle ich das? Zum einen weil hier doch ab und an was diskutiert wird - zum Teil auch mit einer gewissen Hilflosigkeit - was schon längst völlig durchgedacht wurde. Zum anderen, weil ich denke, es hilft den Menschen überhaupt nicht wenn sich Philosophen oder auch Naturwissenschaftler oder wer auch immer hinstellen und den anderen versuchen zu verargumentieren, was sie sich den alles vormachen und einbilden. Das ist m. E. zwecklos es sei denn man strebt den "Ich-hab-recht-und-du-nicht-weil-du-eher-aufgibst-als-ich" Orden an.

In der bisherigen Diskussion hat es aus meiner Sicht einige Punkte gegeben, die richtig Klasse waren:

1) Religion/Kirche/Glauben hat durch Taten der Gläubigen viel Leid über die Menschen gebracht und tut das noch immer
2) Wissen ist vorhanden, Glaube ist in dem Kontext nicht zwingend nötig


Ich denke darüber hinaus, dass man sich recht schnell darauf einigen kann, dass die Welt eine bessere wäre, wenn es dieses Leid nicht gäbe.

Meine Ansatz ist nun Folgender: Wenn trotz verfügbarem und zugänglichem Wissen heute immer noch durch Taten Gläubiger Leid über die Menschen gebracht wird, ja dann kann es doch nicht erfolgversprechend sein, diesen Leuten nochmal den empirisch/wissenschaftlichen Zeigefinger hinzuhalten. Wie realistisch ist es, demjenigen, der in den Dschihad zieht durch empirisch/wissenschftliche Argumentation davon zu überzeugen das Ahlla nicht existiert und er einem Fake aufgessesen ist? Wie realistisch ist es, durch ebensolche Methoden den Pabst davon zu überzeugen, dass seine Sichtweise auf Fake beruht/Fake ist?

Ich bin der Meinung, dass es in der heutigen Zeit wichtig ist, dass die freiheitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen oder sonstwas Gesellschaften/gesellschaftlichen Gruppen mit denen die das nicht sind in Dialog treten und dort auch bleiben. Es sollte m.E. aber kein Dialog gegen Überzeugungen sein - der wird in einer Frontenbildung und weiter in offener Konfrontation enden und Verlierer erzeugen. Das gilt für den Dialog zwischen Gläubigen und Kirchenvertretern mit deren Gegenern genauso, wie für den Dialog zwischen den Kulturen. Ein Dialog sollte gesellschaftlich und politisch auf kleine Dinge abzielen, so dass die Dinge auf der Welt Schritt für Schritt besser werden. Bei vielen Dingen fragt man sich da aber: "Wie soll das konkret gehen? Wie sieht das konkret aus - ich bin kein Politiker oder Diplomat". Ganz ehrlich: Ich denke das ist fallbezogen. Deshalb sollte man vielleicht zwischen Gläubigen und nichtgläubigen einen Dialog über ein gaaaaaanz konkretes Problem und einer Lösung dazu führen. Ich halte das für viel zweckmäßiger als zu versuchen dem Pabst auszureden, dass es einen Gott gibt.

Just my 5 Cents.

Viele Grüße
Helmut
Helmut S ist offline   Mit Zitat antworten