Sein und Sollen können von mir aus auf einer abstrakten logischen Ebene getrennt sein. Die bloße Existenz der Dinge sagt uns nicht, wie wir uns verhalten sollen. Wendet man das aber auf konkrete Beispiele an, ergibt sich für mich Unsinn:
- Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
- Du sollst Dir kein Bildnis machen
- Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen
- Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen
- Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat
- Du sollst Dich stundenlang vor einer Mauer verneigen
- Du sollst freitags kein Fleisch essen
- Du sollst am Karfreitag nicht tanzen gehen
Wenn man zu der Einsicht gelangt, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott gibt, der das oben genannte von uns verlangt (Sein), kann man freilich trotzdem sagen: "Auch wenn es diesen Gott nicht gibt, heißt das noch lange nicht, dass die obigen Verhaltensgebote falsch sind (Sollen). Wer weiß? Vielleicht ist es auch ohne Gott gut, den Sabbat zu heiligen, sich vor einer Mauer zu verneigen und am Karfreitag das Tanzen zu verbieten? Sein und Sollen sind ja zweierlei!"
Das zeigt meiner Meinung nach, dass Sein und Sollen in der Lebenswirklichkeit der Menschen nicht völlig getrennt sind. Wenn die Kirche sagte: "Natürlich gibt es keinen Gott, das ist alles erfunden. Die Menschen sollten jedoch trotzdem die Kirchen finanzieren, oder sollen die Priester etwa arbeiten gehen?!". Die Menschen würden ihnen etwas husten, meinst Du nicht?
