Zitat:
Zitat von Zarathustra
Nur muß ich mich dann schon sehr über Deine bisherige Diskussionsstrategie wundern...
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Ja, das verstehe ich. Du wunderst Dich, warum ich häufig aus der Bibel zitiere, wenn doch angeblich die Auslegung dieser Verse irrelevant sein soll. Daran kann man sehen, wie effektiv der beschriebene Trick ist, und wie schwer es ist, ihn zu erkennen.
Also: Wann ist die Bibel relevant, und wann nicht? Nehmen wir zwei strittige Fragen als Beispiel. Die erste Frage ist, ob die Bibel ein Buch voller Liebe und Weisheit ist. Die zweite Frage ist, ob die Kirche die Homo-Ehe befürwortet.
Bei der ersten Frage ("Buch voller Liebe und Weisheit") geht es um die faktischen Inhalte der Bibel, also um die Frage, was drin steht und was nicht. Teilweise ist dafür ein historisches Wissen hilfreich. Die Anzahl der Morde, die von Gott selbst ausgeführt oder befohlen werden, kann man zählen. Das ist ein objektiver Maßstab.
Oder man könnte der Frage nachgehen, ob die Behauptung des Klerus zutrifft, die Bibel sei irrtumsfrei und wahr. Hierfür kann man Aussagen vergleichen wie: "Josef wohnte in Betlehem" (Matthäus) und "Josef wohnte
nicht in Betlehem" (Lukas). Hier ergibt sich
ungeachtet einer Auslegung ein Widerspruch.
Diese Betrachtung der Bibel ist wichtig. Denn oft herrscht der Aberglaube vor, dass der Klerus möglicherweise korrupt und sündig wäre, dass jedoch die Bibel göttlich, weise und gut sei. Das ist falsch, und zwar beweisbar falsch, unabhängig (!) von der Auslegung. Entweder wohnte Josef in Betlehem oder nicht.
Zwischenfazit: Auch wenn man die Auslegung beiseite lässt (weil es eine sinnlose Debatte ist), kann man zahlreiche Irrtümer rund um die Bibel klären. Das ist schon deswegen nötig, weil einem die Vorzüglichkeit der Bibel andauernd vorgehalten wird.
Die zweite Frage (ob die Kirche die Homo-Ehe befürwortet) ist davon völlig unabhängig. Diese Position könnte sich durch die Bibel ergeben, oder durch Nachdenken, oder durch ein Mißverständnis, oder durch Tradition, oder durch Bösartigkeit, oder aus anderen Gründen. Es spielt keine Rolle.
Wenn Papst Benedikt davon schwafelt, homosexuellen Menschen würden wesentliche seelische Eigenschaften fehlen (und zwar solche, die den Menschen vom Tier unterscheidet), dann könnte man untersuchen, ob das zutrifft. Aber für diese Untersuchung wird man natürlich nicht die Bibel aufschlagen, sondern man wird psychologische Tests durchführen. (Am besten fängt man damit bei Papst Benedikt an.)
Was folgt aus all dem? Wenn ein Kleriker seine Position mit Bibelversen begründet, darf man ihn sofort unterbrechen. Ich würde sogar dazu ermuntern, ihm mit Nachdruck ins Wort zu fallen. Seine altertümlichen Verse kann er seinem Friseur vorlesen! Entscheidend für die Debatte ist
seine Position, und nicht, was
Mose davon gehalten hätte. Man würde zu Papst Bendedikt sagen (und zwar mit Nachdruck):
"Jetzt hören Sie mal auf, uns mit diesem Käse zu langweilen! Sie haben behauptet, die Psyche von Homosexuellen wäre minderwertig, also belegen Sie es!"
Die Bibel ist kein Beleg -- aber genau das wird gerne suggeriert. Die Bibel ist
die Behauptung, die auf dem Prüfstand steht. Man kann eine Behauptung nicht mit sich selbst belegen. Deswegen spielt auch die Auslegung keine Rolle.