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Forderungen nach einer grundsätzlichen VMax auf der BAB halte ich für wenig zielführend, solange man nicht Willens und in der Lage ist auch nur Ansatzweise bestehende Tempolimits wirksam zu überwachen.
Da nunmal ein Großteil meiner täglichen Arbeit mit der Bearbeitung von Verkehrsunfällen zusammenhängt, kann ich auch sagen, wie die statistische Dominanz der Unfallursache "unangepasste Geschwindigkeit" zum Tragen kommt.
In der statistischen Unfallauswertung gibts es fest definierte Unfallursachen. Die Klassiker sind "unangepasste Geschwindigkeit", "unzureichender Abstand" und "andere Fehler beim Fahrzeugführer". Die statistische Analysestelle bekommt regelmäßig einen Fön, wenn der unfallaufnehmende Beamte hier "andere Fehler beim Fahrzeugführer" wählt, da "unangepasste Geschwindigkeit" oder "unzureichender Abstand" in 9 von 10 Fällen (bei Unfällen im fließenden Verkehr) immer begründbar, aber zumindest meiner Meinung nach wenig sinnvoll, sind.
Unfallklassiker. Der unfallbeteiligte A fährt mit seinem PKW hinter dem PKW des unfallbeteiligten B. B bremst verkehrsbedingt und A fährt aus Unachtsamkeit (Radioeinstellung, kurz aus dem Fenster geschaut oder was weiß ich) ungebremst auf. Der Unfall wäre völlig unabhängig von der gefahrenen Geschwindigkeit passiert, solange A und B gleich schnell gefahren wären. Dennoch wird hier darauf bestanden als statistische Unfallursache unangepasste Geschwindigkeit und unzureichender Abstand zu wählen, obwohl beides bei ausreichender Aufmerksamkeit des unfallbeteiligten A, zu keinem Verkehrsunfall geführt hätte.
Anders herum argumentiert, ist man bei einem Zusammenstoß immer zu schnell oder halt zu wenig Abstand für die jeweilige Situation. Denn wäre man langsamer gewesen oder / und hätte mehr Abstand gehalten, wäre es ja nicht zum Zusammenstoß gekommen. In diesem Fall hätte man halt so viel Abstand halten müssen, dass die Unaufmerksamkeit bei ausreichendem Bremsweg beendet gewesen wäre.
So kann ich mir eine Statistik für eine erforderliche Verkehrsüberwachung und Tempolimits einfach schaffen. In den meisten Fällen sehe ich die Unfallursache eher in einem absoluten situationunangepassten Aufmerksamkeitsdefizit, als in der Wahl der richtigen Geschwindigkeit, denn am Tag fahren zB 2897401270 Menschen die selbe Kurve mit einer vergleichbaren Geschwindigkeit. Nur weil der 2897401271 vom können oder technischen Zustand des Fahrzeugs nicht in der Lage ist die selbe Kurve mit einer ähnlichen Geschwindigkeit zu durchfahren, handelt es sich um eine grundsätzlich unangepasste Geschwindigkeit? Oder ist es nicht viel mehr ein Zusammenspiel aus Fahrtauglichkeit und Selbsteinschätzung.
Aus meiner Erfahrung kann ich noch berichten. In Osnabrück gibt es die Autobahn 33 mit der Anschlussstelle Osnabrück Schinkel Ost. Vor der Fahrbahnerneuerung kam es hier bei regennasser Fahrbahn sehr häufig zu Verkehrsunfällen, die alle sehr ähnlich abliefen. Der Verkehrsunfallbeteiligte fährt von der Autobahn ab, ist von der etwas komischen Führung der Mittellinie irritiert, macht komische Lenkbewegungen und Gerät ins Schleudern und fliegt dabei zum Kurveninneren aus der Kurve. Statistische Unfallursache war immer "unangepasste Geschwindigkeit". Aber war man wirklich zu schnell? Nein. Rein physikalisch fliegt man, wenn man zu schnell ist, immer nach Außen aus der Kurve. Hier war man einfach zu blöd zum Autofahren und hat falsch gelenkt. War man subjektiv zu schnell (Also zu schnell für das eigene Fahrkönnen). Natürlich. Aber ist dadurch die gefahrene Geschwindigkeit allgemeingültig unangepasst? Ich denke nicht. Und damit war nicht objektiv zu schnell, denn dann müssten ja alle, dort auf gleich Art abfliegen, die ähnlich zügig dort herumfahren. Wurden die Unfälle weniger als es dort eine Begrenzung auf 40km/h gab? Nein. Die Unfallzahlen sanken erst mit der Erneuerung der Fahrbahnoberfläche und der Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung
Grundsätzliche Forderungen ohne Prüfung des Einzelfalls haben für mich immer einen populistischen Beigeschmack.
Hier fände ich es viel sinnvoller, wenn man das Vorkommen von Verkehrstrainingsplätzen deutlich erhöhen würde und die Teilnahme an solchen Trainings entsprechend fördern oder gar vorschreiben würde. Es ist nämlich erschreckend wie wenig Wissen über einfach Fahrphysik in breiten Teilen der Autofahrer/innen vorhanden ist.
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Auf dem Weg vom “steifen Stück” zum geschmeidigen Leopard
Geändert von noam (14.03.2017 um 17:50 Uhr).
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