triathlon-szene.de Autor
Registriert seit: 04.10.2006
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Ich finde ja Diskussionen wie diese immer recht amüsant. Menschen die sich auf das doch recht hohe Ross begeben, andere die bestimmte Dinge ihres Lebens mit Herzblut angehen als "neurotisch" o.ä. zu titulieren, kann ich leider nicht wirklich ernst nehmen. Währen der 6 Stunden meines ach so asozialen Trainingstages heute kamen mir dazu wieder die üblichen Gedanken.
Mir kommt es so vor, als würden diejenigen, die jemanden der seinem Traum entgegenarbeitet, als Neurotiker bezeichnen, noch nie einen echten Traum gehabt haben. Was meine ich mit Traum? Ganz einfach: etwas, dass ich nur unter Aufbietung aller meiner Kräfte erreichen kann.
Wenn ich 50.000,- Euro im Jahr verdiene und ein Häuschen für 200.000,- kaufen will, dann ist das vielleicht ein Ziel, ein Traum wird es, wenn ich 10.000,- verdiene und ein Haus für 1.000.000,- kaufen will.
Nichts anderes ist ein sportliches Ziel. Genauso wie der Hauskauf ist das sportliche Ziel für alle anderen vollkommen bedeutungslos. Nicht aber für denjenigen, der träumt. Und nun möchte also ein Außenstehender beurteilen, ob das neurotisch ist, unsozial oder sonst was? Reichlich überheblich.
Schön sind in diesem Zusammenhang dann auch Athleten, die im Wettkampf fluchen und frusten, weil es nicht so läuft wie geplant, dann im Ziel rumjubeln, weil ja alles so toll ist und hinterher dann über die milde lächeln, die so armseelig sind und verbissen irgendwelchen Zeiten hinterherhecheln. Da werden die Dinge dann schnell so gedreht, wie es dem eigenen Ego am besten passt.
Nun zu der Frage des Unsozialen. Wer ist denn unsozialer? Jemand der 70 Stunden die Woche arbeitet oder jemand der 40 Stunden arbeitet und 20 Stunden trainiert (was in Summe in etwa auf das Gleiche hinausläuft)?
Dazu ein konkretes Beispiel: wie einige wissen, bin ich neben dem Sport auch beim THW engagiert. 300 - 400 Stunden im Jahr. Dort wissen alle: wenn im Kalender Anfang Juli dick "QCR Roth" steht, dass ich im Frühjahr an den Wochenenden tendenziell wenig Zeit habe, weil ich da auf dem Rad sitze. Dafür bin ich im Sommer in der Pause nach dem WK und im Herbst deutlich öfter da.
Ich habe meinen Freundeskreis beim Sport und beim THW. Einer meiner besten Freunde hat nun einen Job, der ihn 70 Stunden die Woche beschäftigt. "Das macht in ein paar Jahren den Unterschied zwischen 50.000,- oder 70.000,- im Jahr aus" sagte er. Sehen tue ich ihn fast gar nicht mehr, so wie seine anderen Freunde ihn auch nicht. Ob er mehr oder weniger verdient, ist für uns alle bedeutungslos, dass er sich nun fast gar nicht mehr engagiert und wir ihn nicht mehr sehen allerdings nicht.
Nun also die Frage: wer ist unsozialer? Wer ist neurotischer? Komischerweise wird jemand, der seine Zeit dem Sport widmet dann als der Spinner oder unsozial bezeichnet, derjenige, der genauso viel Zeit im Job verbringt aber als jemand, der was geschafft hat. Bisschen merkwürdig, finde ich.
Diejenigen, die hier mit dem Finger auf andere zeigen und sagen "wer soviel Sport treibt, kann ja nicht sozial und beziehungsfähig sein" wollen doch IMHO nur davon ablenken, dass sie ihr Lebensideal der Abwechslung und der doch so vielfältigen Beziehungen als das "richtige" hinstellen oder aber, dass sie schlicht kein Lebensideal haben.
Warum soll ich ins Kino gehen, wenn mich die Filme nicht interessieren? Warum soll ich Bücher lesen, wenn ich keine Lust dazu habe? Warum soll ich mich mit Menschen treffen, die mich nicht wirklich interessieren? Es ist immer lustig zu sehen, was einem da so aufgetischt wird als "sozial korrekt" und "gesellschaftlich angemessen". Schaut man dann mal genauer hin, stellt man fest, dass eben jene, die dies postulieren, an sich keinen Deut besser sind, nur halt in anderer Beziehung.
"Wer aufhört zu träumen, hat aufgehört zu leben!" - das gilt noch immer und wer meint, andere lächerlich zu machen, bloss weil diese darum kämpfen, ihren Traum (was immer er auch darstellt) zu verwirklichen, ist selbst reichlich arm dran.
Habe fertig.
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„friendlyness in sport has changed into pure business“
Kenneth Gasque
Zum Thema "Preisgestaltung Ironman":
"Schließlich sei Triathlon eine exklusive Passion, bemerkte der deutsche Ironman-Chef Björn Steinmetz vergangenes Jahr in einem Interview. Im Zweifel, so sagte er, müsse man sich eben ein neues Hobby suchen."
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