Szenekenner
Registriert seit: 08.05.2008
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Von Ruhm und Ehre
Heute Morgen schlurfen wir so Richtung Schule. Meint der Dicke plötzlich: "Wer wohl eine Absage bekommt, Mama." "Na," grinse ich ihn breit an, "beim Fußball du, nehme ich an." "Nee," meint der Filius genau so grinsend zurück, "ich meine doch heute bei Leichtathletik." "Ach so," antworte ich und warte mal, ob noch was kommt. "Ich glaube, ich weiß schon, wer heute gehen muss", sagt er. "Na, wer denn?", frage ich interessiert. "Das Mädchen, das aussieht wie ein Junge", überlegt er. "Meinst du echt?", frage ich erstaunt, "Die war doch neulich ganz gut, oder nicht?" "Jetzt war sie aber gar nicht gut", sinniert das Kind. "Wir haben ja dieses Biathlon-Spiel mit Rennen und Stehenbleiben und dann Bälle in den Kasten werfen gemacht und da war die echt so schlecht. Die hatte voll Vorsprung und dann hat die nichts getroffen und dann hatte ich ganz viel Vorsprung." "Och", meine ich, "das war ja nur eine Übung. Ihr habt doch auch ganz viele andere gemacht. Und stell dir mal vor, ihr hättet jetzt die ganze Zeit nur Weitwerfen machen müssen. Also, ich glaub, dann bräuchten wir heute gar nicht mehr hinzufahren". "Das stimmt", lacht er mich an. ""Und außerdem sind Mädchen meistens ein bisschen langsamer", füge ich noch hinzu. "Ich möchte lieber ein Junge sein, "erklärt er noch, "und zum Glück bin ich ja auch ein Junge."
Wir trotten weiter. "Weißt du, Mama, ich könnte mir ja doch vorstellen, an die Schule zu gehen", meint der Junior auf einmal. Ich starre ihn an, sehe gerade sämtliche Planungen den Bach runtergehen und setze ein Poker-Face auf so gut ich kann. "Das ist nämlich echt so ein cooles Gefühl, wenn die alle über einen reden", straht er. "Die reden bei Leichtathletik über dich?" frage ich verwirrt. "Nein, Mama", schüttelt er den Blondschopf, "in der Klasse. Wenn alle davon reden, dass ich der Schnellste in der Klasse bin. Das ist dann so cool!" "Ah, verstehe", sage ich. "Und auf so eine Sportschule gehen ja nicht viele und da gucken die ja auch immer, wie man sich entwickelt.", überlegt er noch. "Das stimmt", gebe ich ihm Recht, "aber Herr Ullrich hat auch gemeint, dass es eigentlich noch viel zu früh für eine Sichtung ist und es später immer noch Quereinsteiger in die Sportklassen gibt. Du könntest dir also auch überlegen, ob du in einen Leichtathletikverein gehst und erstmal dort zwei Jahre trainierst. Und vom Fußball wird man auch schnell. Na, und Koordinationstraining machst du ja auch alle zwei Wochen beim Fußball. Wenn du willst, zeige ich dir ein paar Tricks, wie man besser werfen kann, dann kriegst du das bestimmt ganz schnell viel besser hin." "Ich könnte mir ja schon vorstellen, an die Sportschule zu gehen und da Leichtathletik zu machen," beharrrt er freundlich, aber bestimmt.
Dann sagen wir nichts mehr. Ich verabschiede ihn und wünsche ihm einen schönen Tag. Viel Glück für die Deutscharbeit wünsche ich ihm nicht. Macht ihn nur nervös. Er hasst Lesearbeiten und er wird noch früh genug daran erinnert werden, dass die Arbeit heute ist. Vor lauter Sportüberlegungen hat er das heute Morgen wohl ganz vergessen gehabt.
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