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Habe mit mir gerungen und muss jetzt doch noch mal etwas zum Thema Grundschule loswerden:
Wir haben anfangs auch darauf vertraut, dass Grundschule ein Selbstgänger ist und sind damit ziemlich auf die Nase gefallen. Das liegt allerdings nicht nur an den Kindern. Beispiel: Kaum jemand wird die deutsche Rechtschreibung ordentlich lernen, wenn er immer "freischreiben" darf. Kleine Mathematiker verzweifen, wenn Aufgaben nicht präzise gestellt sind und aus ihrer Sicht Aufgaben damit nicht lösbar sind. Am Ende denken sie, sie sind zu dumm, und es gibt fürchterliche Tränen. In der zweiten Klasse gab es in einer Deutscharbeit einen Lesetext, der 6 Fehler enthielt. Da kann man schon mal kurz die Fassung verlieren, finde ich.
Vor den Sommerferien war ich für 10 Wochen Klassenlehrerin einer ersten Klasse (ich bin keine Pädagogin) und hatte eine andere Klasse in Mathe. Fast alle Kinder haben in ihren Tests super abgeschnitten. Für Diktate haben wir richtig geübt, ich habe alle Übungen korrigiert, damit die Kinder lernen, sich selbst einzuschätzen. Am Tag des Diktats haben die Kinder sich gefreut, dass sie endlich zeigen konnten, was sie können und waren dann auch sehr gut. In Mathe das Gleiche: Die richtigen Wiederholungen und Übungen zur richtigen Zeit und immer, immer Hausaufgaben.
Unser Sohn ist jetzt in der vierten Klasse und hat seit Wochen (!) keine bis wenig Hausaufgaben in Deutsch auf. Da könnte ich mich jetzt locker zurücklehnen, wenn wir da nicht schon böse Erfahrungen gemacht hätten. Unser Kind lernt Deutsch wie eine Fremdsprache und so langsam erkläre ich ihm ein paar Rechtschreibregeln, da das in der Schule eher nicht nicht passiert (dafür lernen sie, was Präsens, Präteritum und Futur sind). Es ist verblüffend zu sehen, wie schnell ihm das Schreiben leichterfällt und darüber freut er sich total!
Angeblich zieht das Niveau ab Klasse drei an. Davon haben wir nichts bemerkt. Seit Klasse 3 fällt unserem Kind die Schule deutlich leichter. Weniger Auswendiglernen, mehr Denken - das liegt ihm. Punkte verschenkt er bei den einfachen Sachen, nicht bei den schwierigen. Kopfrechnen ist immer noch schlecht, aber das lassen wir jetzt so und üben auch nicht.
Ich kenne Leute, die schwerst hochbegabt sind und in der (Grund-) Schule schlecht oder gar nicht klargekommen sind. Die meisten haben die Kurve bekommen, andere nicht. Wer mit 30 Jahren drogensüchtig im Knast sitzt, einen IQ von 150 attestiert bekommt und dann hört "Kein Wunder, dass Sie in der Schule nicht klargekommen sind", für den ist das ein schwacher Trost. Erwachsene, die hochbegabt sind und zeitweise in einer Umgebung aufwuchsen, die mit Bildung wenig am Hut hatte, erzählen mir, dass sie sich lange Zeit wie behindert vorkamen, weil sie so ganz anders als alle anderen waren. In einem Fall war der Wechsel aufs Gymnasium dann eine wahre Offenbahrung (der Vater wollte, dass das Kind ein Handwerk lernt, aber zum Glück hatte die Mutter sich durchgesetzt). Auf einmal lernte das Kind ganz andere Kinder kennen und die kamen aus Familien, in denen die Eltern Pofessoren, Ärte oder Vorstände waren. Die empfundene Andersartigkeit war weg, auf einmal war nicht nur das Können wichtig, sondern vor allem das eigene Denken.
So lange Kinder gut in das System Schule passen, gibt es keinen Anlass, sich einzumischen, finde ich auch. Wenn es Probleme gibt, sollte man vielleicht doch mal gucken, woran es liegen könnte. Darauf zu vertrauen, dass es nur gute Lehrer gibt, würde ich nicht mehr.
Geändert von Pantone (16.11.2015 um 12:34 Uhr).
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