Hallo liebes Forum,
ich hatte vor drei Jahren mal einen Post über meine erste Sprintdistanz eröffnet, und da der Bericht ganz gut angekommen ist, dachte ich, meinen Bericht über meine erste Langdistanz dieses Jahr in Roth zu veröffentlichen.
Warum erst 8 Wochen danach - das erklärt sich im Bericht von selbst.
Würde mich freuen, wenn es jemand liest und wünsche viel Spaß
PS: Bericht ist aufgeteilt in zwei Teile, weil man nur 20.000 Zeichen haben darf...
Vorwettkampftag Samstag 11.Juli 2015
Um zehn Uhr verabschiedete ich mich zu Hause von meinen Eltern, mein Auto war vollbepackt mit all jener Ausrüstung, die ich morgen brauchen würde. Meine Schwester Nicki und ihr Freund Haui würden zum späteren Nachmittag mit dem Wohnmobil nach Hilpoltstein kommen, wo wir unweit des Schwimmstartes übernachten konnten.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl machte ich mich auf den Weg. Gut acht Monate Vorbereitung lagen hinter mir. Ich fühlte mich fit, dennoch fragte ich mich, ob mein Training ausgereicht hätte. Ich hatte mich in allen Disziplinen verbessert, keine Frage. Aber Langdistanz…
Auf der Autobahn kurz vor der Ausfahrt Roth ist dieses braune „Eventschild“ mit der Besonderheit der jeweiligen Region aufgestellt: „Triathlonregion Rothsee“.
Die leben dort wirklich für den Sport.
In Roth quetschte ich meinen Mini (ja da passt alles rein, von Neo bis Rad über Ersatzfelgen etc.) in eine Mini-Parklücke. Ich bin schon froh, nur ein kleines Auto zu haben, sonst wär ich da wahrscheinlich schon wieder ausgeflippt (hinsichtlich meiner Anspannung der letzten acht Tage auch kein Wunder).
Mental war es bei mir wirklich so, dass ich bis sechs Wochen vor Roth noch etwas Panik hatte a la – Ich muss trainieren!
Nach dem die harte letzte Trainingsphase drei Wochen vor dem Wettkampf für mich vorbei war, war mir alles egal. Da dacht ich nur, wird schon ins Ziel kommen.
Aber eine Woche vor dem Wettkampf wieder die Panik – Ich hätte mehr trainieren müssen.
Dabei lief mein Training eigentlich perfekt. Ich wurde kein einziges Mal krank, hatte keinerlei Probleme mit Verletzungen oder sonst was. Und ich trainierte trotzdem mehr Wochenstunden denn je. Also hatte ich irgendwo die richtige Balance für mich gefunden. Für einen Anfänger also gar nicht schlecht.
Ich holte also meine Startunterlagen ab im Triathlonpark. 568 war meine Startnummer. Super Zahl, wie ich finde. Die kann ich mir merken.
Ich schlenderte noch ein bisschen durch den Triathlonpark und schaute mir die Verkaufsstände an. Ich brauchte nichts, ich hatte alles, sodass ich mich auf den Weg in die Wechselzone 1 in Hilpoltstein machte.
Rad eingecheckt, Luft aus den Reifen raus gelassen (immerhin frisch beklebt nach meinem Wettkampf in Sankt Pölten), Trinken hab ich bereits dort gelassen. Es gab Galloway-Spucke (und das nennt sich Wettkampfernährung…), schmeckt eklig, aber bringt was.
Jedenfalls war ich um halb zwei fertig und trudelte zurück zum Auto, wo ich mir dachte, ich brauch noch irgendwas zu trinken und zu essen. So bin ich dann zum Edeka marschiert und hab mir Eistee und Kaba gekauft. Ich wollte noch Pistazien, aber wenn da eine Schlechte dabei ist, dann wars das mit dem Wettkampf – daher also keine Pistazien.
Danach bin ich noch zum Bäcker nebenan rein und hab mir eine Käsestange gekauft, an der ich mehr oder weniger rum kaute. Ich konnte nichts mehr essen. Die Nervosität schnürte mir schon fast meinen Magen ab, zumindest fühlte es sich so an.
Als ich da so blöd rum hockte, hab ich Sabine und Norbert gesehen. Ich hab mich gefreut, ich würd fast sagen, das sind meine Triathlon-Adoptiveltern. Weil immer, wenn ich was brauche, kann ich zu denen kommen. Das wäre in Roth genauso, das gibt schon Sicherheit und nimmt einem auch irgendwie die Angst, als wenn man jetzt komplett Einzelkämpfer wäre.
Natürlich haben mir beide Mut zugesprochen, ja ich musste einfach daran glauben, ins Ziel zu kommen. Und Spaß machen würde das alles bestimmt.
Im Anschluss suchte ich mir ein schattiges Plätzchen unter einem Baum, breitete meine Decke aus und schrieb ein bisschen an meinem Roth-Tagebuch weiter, während ich auf Nicki und Haui wartete. Zwischendrin hab ich wieder ein bisschen geschlafen, sofern das überhaupt möglich war.
Um kurz vor halb fünf waren die beiden dann da, wir holten unsere Campingstühle aus dem Wohnmobil und hockten in der Hitze. Hoffentlich kein Hitzschlag, dachte ich, aber zu späterer Stunde kriegt man den wohl eher nicht mehr.
Wir machten uns dann noch auf den Weg zur Wettkampfbesprechung, danach gingen wir noch ins Stadion. Das ist Gänsehaut pur, wenn man da drin steht, es ist alles leer, der rote Teppich wartet… und man selbst weiß, was am morgigen Tag hier los sein wird.
Danach gabs noch eklige Pizza, aber hier nicht mehr dazu… Wäre schade, den Bericht mit sowas miesem zu versauen.
Um halb zehn waren wir wieder am Wohnmobil, um zehn gings ins Bett… Wach war ich geschätzt noch zwei Stunden, aber immerhin hab ich geschlafen. Um drei war ich allerdings schon wieder fit. Oder was heißt fit… Ich war fetzenhin, aber schlafen konnte ich sowieso nicht mehr.
Wettkampftag Sonntag 12. Juli 2015
Um halb fünf stand ich auf. Zwei Toast mit Nutella, wäh. Ich konnte es kaum essen. Dazu noch Banane.
Meine dämlichen Armtattoos hab ich mir auch noch draufgeklatscht, aber irgendwie sind die lose gewesen. Weiß auch nicht, was da wieder schiefgelaufen ist.
Um 5 sind wir dann losmarschiert. Rad aufpumpen, Wechselbeutel hinlegen, nochmal alles durchgehen, ob alles da ist… das wäre erstrecht Panik gewesen, hätten Radschuhe gefehlt oder sowas… da wärs vorbei gewesen mit mir. Aber zum Glück hatte ich alles!
Ich quetschte mich dann in meinen Neoprenanzug rein. Die Zeit bis zum Start verging wahnsinnig schnell und ehe ich mich versah, verabschiedete ich mich von Nicki und Haui mit den Worten: „Aiso bis spada dann, so in 13 Stund hoffentlich.“
Irgendwo 12:30 Stunden wären wahrscheinlich schon gut machbar gewesen, aber ehrlich gesagt war mir das auch egal. Im Dezember hatte ich nochmal in meiner Altersklasse geschaut, da waren fünf Mädels angemeldet, also wusste ich, dass es mit dem Podium sowieso nix wird, und daher war es mir auch egal, mit welcher Zeit ich ins Ziel komme.
Andi meinte dazu mal in einem Schwimmtraining: „Stoi da vor, du werst jetzt irgendwie Dritte oder so, dann muasst do nomma hifohn zur Siegerehrung. Is doch scheiße!“
Wie wahr!
Also einfach nur genießen, das Beste geben und zufrieden im Ziel ankommen.
Ich gehörte zur dritten Startgruppe, also zweite Frauengruppe um 6:45 Uhr.
Zum Glück sah ich nur zwei Startgruppen vor mir starten, ansonsten wäre ich noch viel nervöser geworden. So hielt es sich in Grenzen. Als die erste Frauengruppe weg war, hat man uns ins Wasser gelassen, bis zur Linie vorgeschwommen, noch einmal konzentriert und sich den Neo zu Recht gerückt und plötzlich: KaBumm Startschuss.
Nervosität pur – diese legte sich aber nach 10 Armzügen, da ist man dann schon im Rennen und kommt sowieso nicht mehr aus. Sobald der Film einmal gestartet ist, ist die Nervosität weg und dieser Film endet erst wieder im Ziel.
Für mich stand es außer Frage, ob ich ins Ziel komme. Ich werde es schaffen! Meine Kollegen haben mir dazu auch viel zu viel Mut zugesprochen, als dass ich versagen dürfte. Jürgen meinte am Freitag, wo wir uns ins Wochenende verabschiedeten: „Wenns oane schafft dann du.“
An diesen Satz würde ich an diesem Tag noch öfter denken, als zunächst gedacht.
Das Schwimmen in Roth ist im Main-Donau-Kanal. Man schwimmt von der einen Brücke am Start, die mit Zuschauern bereits um sechs Uhr vollgestopft ist, los und schwimmt irgendwas über einen Kilometer entlang zur anderen Brücke. Besagte andere Brücke sieht man von der Startbrücke aus aber gar nicht. Total irre!
Die Wendeboje erreichte ich nach gut 26 Minuten und dachte mir: Mist Mann, noch nicht mal die Hälfte geschafft. Aber da half es nichts.
Nach ungefähr 45 Minuten hat meine verdammte Schwimmbrille so zu drücken begonnen. Dieses Problem hatte ich bei meinen Halbdistanzen bisher ja nicht, da war ich immer unter 40 Minuten fertig mit dem Schwimmen. Aber jetzt macht sich alles bemerkbar, was nicht 100 % passt. Ich überlegte sogar schon, ob ich die Brille kurz anhebe und die irgendwie anders wieder aufsetze, damit es nicht mehr so drückt. Aber dann hätte ich wieder Wasser in den Augen, was wiederrum brennen würde. Also aushalten und aufhören zu jammern. In einer halben Stunde wäre es sowieso vorbei, dachte ich mir.
Kurz darauf wurde mir schlecht von dem Main-Donau-Wasser, bzw. von meinem Wasserbauch, den ich mir in den 50 Minuten angesoffen habe. Damit hat sich mein Schmerzempfinden von meinen eingedätschten Augen auf meinen Magen verlagert. War also auch nicht verkehrt.
Die Startbrücke rückte auch immer näher und schon schwamm ich auch unten durch. Jetzt noch 800 Meter oder so. Das Schlimmste hab ich ja gleich, noch eine Wendeboje, die kam auch schneller als erwartet und schon war ich auf meinen letzten 400 Metern. Ich freute mich, alles war gut. Und schließlich ab aufs Land, ich schaute natürlich auf meine Uhr, 1:12 Stunde, woah, damit hab ich nie im Leben gerechnet! Ich hab zwar schon 1:08 Stunde auch geschafft, aber das war im 25-Meter-Becken, also eigentlich nicht zu vergleichen. Die Schwimmstrecke in Roth ist wirklich sehr human und immer geradeaus mit nur zwei Wendebojen, daher ist meine Zeit sogar realistisch.
Mein Wechsel ging recht schnell über die Bühne. Das ist in Roth super, man nimmt seinen Wechselbeutel mit, der schön der Reihe nach am Boden liegt, läuft damit ins Wechselzelt und schon kommt ein Helfer, nimmt einem den Beutel ab und hilft einen quasi beim Umziehen. Grade, dass sie einem nicht die Radschuhe noch zu machen (würden die bestimmt auch, wenn man das selber nicht schon gemacht hat).
Dann packen die noch den Neoprenanzug und alles andere in den Beutel, während man selber schon los zum Rad laufen darf. Meine Startnummer am Arm hatte sich komplett verabschiedet, die fuselte im Neoprenanzug.
Was half es, dann hatte ich halt keine Nummer mehr.
Nach einem Becher Iso vom Versorgungsstand hockte ich endlich auf meinem Rad. Endlich war das Schwimmen rum, endlich wieder normal atmen, endlich wieder normale Orientierung, kurzum: endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Endlich Radfahren, ich liebte ja Radfahren!
Ich startete richtig stark, wahrscheinlich wie alle. Allein schon wegen diesen Zuschauermassen auf der Brücke sofort nach 200 Metern kriegt man schon so einen Schub. Noch dazu sah ich Nicki auf der Brücke, die schrie etwas wie: „Woah bist du scho do?“
Ich versuchte mich zusammenzureißen und langsam zu tun, ich wollte ja keine Körner verballern. Aber es fühlte sich gut an, ich habe es nicht als große Anstrengung empfunden. Also einfach mal locker weiterfahren.
Ich freute mich in Roth sein zu dürfen, das Schwimmen ging einfach super, jetzt auf dem Rad ein bisschen zurückhalten, dann würde ich beim Marathon auch nicht so schnell eingehen, dachte ich.
Aber es kommt doch immer alles anders, als man denkt.
Ich fuhr so locker vor mich hin, doch irgendwie kam dann diese Linkskurve…
Das war die Ortsdurchfahrt Wallesau. Ich fuhr da mit meinen 35 KmH oder sowas, kam an, dann sah ich noch Heubüschel auf der „Geradeaus-Strecke“ und dachte mir noch: „Ouh, nach links muass i.“
Ich hab dann schon noch versucht zu bremsen und die Linkskurve zu nehmen, mein Gedanke dabei war nur: „Scheiße, des dergrei i nimma.“
Ich hätts wahrscheinlich gestanden, wenn ich nicht von zwei Gullideckeln ausgehebelt worden wäre. Keine Straßenhaftung mehr oder was weiß ich, und schon rutschte mir mein Radl nach rechts weg und ich landete auf der linken Seite.
Autsch! Zefix, dachte ich, hoffentlich ist meinem Radl nix passiert!
Die Helfer taten einen Aufschrei, ich schaute nur, dass ich schnell von der Straße wegkomme, dass mich die nachkommenden Fahrer nicht über den Haufen fahren.
Währenddessen hat mir ein Helfer bereits meine Trinkflaschen eingesammelt und mich gefragt, ob ich einen Verband wolle. Ich sagte nur so etwas wie: „Naa, mir geht’s guad, i brauch bloß mei Radl.“ Ich hatte echt am allermeisten Angst, dass mein Rad kaputt wäre oder irgendwas ist und ich nicht mehr weiter fahren kann. Ich schaute kurz, aber es schien nicht mal einen Kratzer abbekommen zu haben.
Ich bestückte mein Rad wieder mit den Trinkflaschen, bedankte mich bei den Leuten und tat so, als wäre alles in Ordnung. Ich hatte schon bemerkt, dass mein rechter Daumen weh tat, weil ich die Trinkflasche, welche mir der Helfer wiedergegeben hatte, nicht mehr halten konnte und stattdessen mit der linken Hand zugriff.
Aber so dringend würde ich die rechte Hand ja auch nicht brauchen zum Radln, das geht schon, sagte ich mir.
Nachdem ich auf meinem Rad saß, war für mich die Welt wieder in Ordnung, zunächst… Nach ein paar Metern hab ich verstanden, was der Helfer mit Verband meinte. Mir floss das Blut in Strömen aus meinem Ellenbogen den Arm runter, nach kurzer Zeit war der Oberlenker samt Hand voll mit Blut, gleichzeitig tropfte es auf meinen Oberschenkel. „Da hätt a Pflaster moi net gschadet“ hab ich mir gedacht, aber dafür war es jetzt halt auch schon zu spät… Wird schon irgendwann verkrusten und zu bluten aufhören… haha… An meinem rechten Daumen hatte ich auch drei blutige Löcher dran, aber das war ja nur was kleines, das konnte ich getrost ignorieren.
Meine Trinkflasche am Aerolenker hatte zum Glück Wasser drin, sodass ich erst mal einen Schluck nahm und damit auf meinen linken Arm spritzte, damit das Blut wieder weggeht. Kann ja nicht rumfahren wie so ein Vampir. Außerdem brauchte ich die vollgeblutete linke Hand ja zum Aufnehmen der Wasserflaschen an den Versorgungsständen, weil es mit meiner rechten Hand nicht mehr ging. Wie sieht das denn aus, wenn man da so ne blutige Hand hinhält…
Erst dachte ich, ich kann nicht mehr in der Aero-Lenker-Position fahren, denn wenn ich mich drauf legte, brannte die Wunde am linken Ellenbogen. Ich lag mal eine Zeit lang drauf, das ging gar nicht, es blutete noch viel mehr. Mein Pad, wo man die Ellenbogen reinlegt, ist zum Glück auch aus Gel und nicht aus Stoff, sodass ich das hin und wieder auch abwaschen konnte. Das musste ich auch tun, wenn ich mich hinlegen wollte, weil trockenes Pad viel mehr brennt als nasses Pad (hab ich festgestellt).
Ich fuhr dann in der Oberlenkerposition weiter, hielt mich mit beiden Händen fest. Bis auf das Vampir-Problem hatte ich die ersten 10 Kilometer wie gesagt nicht so Probleme. Der Daumen tat zwar weh, aber das ist nur eine Prellung, sagte ich mir… Das hätte auch funktioniert, wenn das Adrenalin nicht nachgelassen hätte (vermute ich mal). Der rechte Daumen ist bis ungefähr 20 Minuten nach dem Sturz grün und blau angelaufen und um das Eineinhalbfache angeschwollen. Dann tat es auch richtig weh. Schalten ging mit der rechten Hand sowieso nicht mehr.
Ok, das ist keine Prellung mehr, das wusste ich. Ich dachte nur einmal drüber nach, was passiert, wenn der Daumen gebrochen ist und ich jetzt beende. Ich kam zu dem Ergebnis, dass es keinen Unterschied macht, ob ich aufgebe oder finishe. Gebrochen ist gebrochen, behandelt muss es so oder so werden, aber schlimmer würde ich es jetzt doch bestimmt nicht machen, bloß, weil ich noch ein bisschen Sport treibe .Die restliche Wegstrecke werde ich halt Höllenqualen leiden, aber schief zusammenwachsen würde der Daumen deswegen jetzt auch nicht. Ein Hoch auf die deutsche Medizin, schrie ich innerlich. Ich entschied mich also für die Schmerzen, denn ich dachte an Jürgen. „Wenns oane schafft, dann du.“
Außerdem wusste ich zu dem Zeitpunkt ja noch nicht, dass es wirklich gebrochen sein würde. Könnte ja immer noch nur eine Prellung sein… Nein, eigentlich wusste ich, dass es gebrochen war, denn Prellungen hatte ich schon öfter und die waren anders.
Aber ich würde es ignorieren. Ab und zu Wasser drüber zur Kühlung, das war sehr angenehm.
Viel mehr machte mir mein Ellenbogen Sorgen… „Wenn ich da jetzt an Dreck rein krieg, dann hab ich bald ne Blutvergiftung… ABER die breitet sich ja net innerhalb von 12 Stunden aus Also das reicht auch, sich nach dem Wettkampf noch darum zu kümmern.“ Ja ich hab an viele Horrorszenarien gedacht.
Alle 20 bis 30 km kam eine Versorgungsstelle, wo ich eine Wasserflasche nahm, um meine Wunden zu waschen und meinen Daumen zu kühlen.
Ich versuchte dann, mich für eine Position zu entscheiden. Oberlenker dann, wenn es den Berg raufgeht. Nur musste ich meine rechte Hand bei jeder Bodenwelle, bei jedem Gullideckel und sonstigen Unebenheiten hoch halten, damit es nicht zu sehr weh tut.
Aerolenker meistens dann, wenn es lange geradeaus geht und ich genug Wasser zum „Pad-befeuchten“ hatte. Manchmal hab ich den linken Arm auch am Oberlenker gelassen, damit die Wunde Ruhe hatte und es nicht wieder von vorne anfängt. Ich bin dann oft also in einer Mischform: rechts Aero, links Ober, gefahren. Muss schrecklich ausgeschaut haben, aber so ging es gut. Bis auf das, dass ich Verspannungen im Genick bekam, aber was war das schon…
Ich konnte mich so ganz gut motivieren und ich hatte auch richtig viel Spaß.
Kurz vor Greding fährt man über eine Brücke drüber, die über die Autobahn führt. Von da unten gab es ein Hupkonzert der Autos, sogar hier wird man noch angefeuert. Alle wussten Bescheid, was an diesem Tag war.
Greding ging es rauf, und nach dem steilsten Abschnitt sah ich Andi, Hias, Nicole und Reinhard stehen, die mich anfeuerten. Ich weiß nicht mehr, ob ich was gesagt habe, aber ich freute mich. Wahrscheinlich bekam ich nur ein schreiendes „Ijööö“ raus oder sowas, aber denken war nicht mehr machbar.
Greding raufzufahren ist schon Wahnsinn. Ich freute mich wirklich die ganze Zeit und musste immer blöd grinsen.
Nach Greding folgte eine Abfahrt mit Serpentinen. Die bin ich dann extra langsam abgefahren. Ich habs ohnehin nicht so mit Abfahren, aber mir tat sowieso schon alles weh. Einen weiteren Sturz würde ich nicht aushalten (und vermutlich könnte ich mir da nicht so lange Einreden, dass alles OK ist und dass man getrost fnishen kann. Denn dann wäre ich am Ende gewesen).
Also bin ich da ungefähr mit 30 KmH runtergefahren, während alle anderen an mir vorbei bretterten. Mir doch egal!
Dann kam ich rein nach Hilpoltstein, die Fahrt zum Solarer Berg.
Das ist so ungefähr das Geilste, was es auf der ganzen Welt geben kann!
Menschen über Menschen, massenhaft… Man weiß nicht, wo man fahren kann oder darf, es gibt nur eine kleine Gasse, die sie einem lassen, und sie feiern und feuern jeden an. Man kriegt Laola-Wellen, man wird angesungen und angeschrien, mit Trillerpfeifen und Geklatsche. So eine Stimmung über den ganzen Tag hinweg, wohl etwas um die 50.000 Leute allein an dem Berg… davon kann jeder Fußballverein nur träumen.
Für mich war es auch wie in einem Traum, ich spürte gar nicht mehr, dass ich noch Rad fahre, es ist wie einem Film. Ich musste nur grinsen und freute mich. Und wenn man noch ein bisschen mitfeiert, wird man sogar doppelt angefeuert. Das ist einfach unglaublich. Man könnte dann echt denken, dass die alle nur wegen einem selber da stehen und nur auf dich warten.
Klar, bescheuert, können ja nicht acht Stunden warten, bis ich meine zwei Runden gefahren hab, aber so fühlt es sich halt an.
Es war wie gesagt WAHNSINN!
Eigentlich war dieser verdammte Berg viel zu schnell vorbei!
Mir ging es gut, und jetzt zu finishen, stand außer Frage.
Nach 83 Kilometern war ich wieder am Beginn der Radrunde, wo ich meine Schwester traf. Ich bekam wieder keinen anständigen Satz raus, nur so dummes Geschreie (Ijööö)… Ich dachte mir, das kann doch nicht sein, dass ich hier Fans stehen hab und dann nur rumschreie und nix normales sagen kann. Ich überlegte mir also, was ich denen dann so erzählen werde. Über so einen Quatsch machte ich mir nach 100 km noch Gedanken, da hatte ich noch keine anderen Probleme (also bis auf die Daumen und Ellenbogensache).