Szenekenner
Registriert seit: 27.03.2012
Beiträge: 2.845
|
Mein ganz persönlicher Bericht: Bis zum Ziel
In der Wechselzone habe ich mich dann ruhig von Radschuhen, Weste, Trikot und Armlingen getrennt. Dann noch schnell sechs Gels auf drei Tria-Top-Taschen verteilt, Socken und Laufschuhe an und schnell zur Dame rannte, die Richtungweisend zur Eile mahnte. Dabei habe ich dann doch glatt meinen „biodegrable cup“ verloren, ohne den es doch an den Verpflegungsstationen nichts zu trinken geben sollte. Gott sei dank war am Ende der Wechselzone eine Verpflegungsstation und die hatten, neben stinknormalen Einwegbechern, auch den grünen Mehrwegbecher. Da hab ich mir dann einen von geschnappt, den ich die kommenden 7 Kilometer mit mir rumschleppte. Jetzt geht es ja erstmal um den See herum, in dem ich am frühen Morgen noch baden durfte. Am Anfang ist der Weg recht hoplrig und da gibt es giftige Stiche, die nachher noch so richtig nerven sollten. Fürs Laufen hatte ich mir ja nur „überleben“ vorgenommen, so daß ich mich über jeden Kilometer freute, den ich laufend überwand. Nach dem See geht es dann nach Embrun rein. Leider sind hier einige Höhenmeter auf recht kurzer Strecke zu überwinden, es ist also richtig steil. Vor dem ganz steilen Stück wieder ein echtes Stimmungsnest. Ca. 20 vermutlich belgische Jungs und Mädels stimmten einen mit La-Hola auf den Anstieg ein. Mein ungewöhnlicher Vorname und das St. Pauli Trikot sorgte offensichtlich für die Extra Portion Anfeuerung. Ich wunderte mich selbst, daß ich den steilen Stich anschließend komplett durchlief obwohl ich schon viel von „Geh-Duellen“ auf diesem Teil der Laufstrecke gehört hatte. Nach diesem Stich gehts dann in die Fussgängerzone und hier wartete dann auch meine Familie auf mich. Helga mit Kamera und die zwei Jungs rannten mit mir zusammen die Fussgängerzone hoch. Ole war selber begeistert von der Stimmung, auch hier wieder Feeling wie bei nem Stadtmarathon. Ole hat dann auch meinen Becher bekommen, denn bis hierher hatte ich verstanden wie es geht. Wenn man was von den Verpflegungsstationen mitnehmen will, dann nur im eigenen Becher. Einwegbecher bitte nur direkt an der Verprflegungsstation entsorgen. Klapt übrigens prima, sowohl die Radstrecke als auch die Laufstrecke sehen sogar während des Wettkampfes sauber aus. Dann gehts die Kehren, die man eine Stunde vorher mit dem Rad nach Embrun hochfuhr zu Fuss runter an die Durance. Dort macht man dann einige Kilometer durch hin- und hergerenne durch das hier endlich mal flache Tal. Auch das Wetter machte jetzt richtig spass. Ich war auf „Backofen“ auf diesem Teil der Strecke eingestellt. Obwohl sich tatsächlich kurz die Sonne zeigte und der Regen aufgehört hatte, war es bestes Laufwetter bei Temperaturen wahrscheinlich um die 20°C. Dann geht es über die Durance und es folgt der 1-2km lange Anstieg nach Baratier. Den kannte ich ja auch schon vom morgen auf dem Rad und von vor vielen Jahren aus dem Urlaub. Auch hier bin ich, zur eigenen Überraschung, noch alles gelaufen. Klar, an den Verpflegungsstationen musste ich kurz anhalten, wegen der Geschichte mit Müll und Becher. Mein Verpflegungskonzept für die Laufstrecke sah vor, sechs eigene Gels zu vertilgen sowie Iso, Energy, Wasser und Cola soviel wie geht. Mit dem Wasser etwas vorsichtig, nicht das eine Hypo-Natriämie droht! Der Anstieg nach Baratier zieht sich echt und hier flog auch Bart an mir vorbei. Er hatte sich komplett umgezogen und sah echt locker aus. Die Ergebnisliste weist eine Laufzeit von 3h20 für ihn aus –stark. Von Baratier gehts dann natürlich wieder runter, über die Durance und dann wieder um den See. Jetzt war meine Strategie klar. Bis zum Halbmarathon wird durchgelaufen. Auf dem Weg um den See traf ich dann noch Tandem 65, den ich am Morgen vor dem Start endlich perönlich kennen lernen konnte. Er sah auch noch fit aus und sollte seinen Vorsprung bis ins Ziel halten.
Die zweite Laufrunde beginnt dann wieder mit einer Runde um den See. Jetzt taten die Stiche auf dem schlechten Untergrund richtig weh und der Gedanke machte sich breit, beim steilen Anstieg nach Embrun hoch, lieber zu gehen als zu laufen. Vorher war aber noch die lustige Truppe am Stimmungsnest zu passieren, die mir auch diesmal wieder einen kräftigen Motivationsschub gab. Oben auf der Fussgängerzone wartete dann nur Ole auf mich. Helga war mit Malte kurz von der Strecke gegangen. Helga hat dann aber noch von hinten zwei Photos geschossen. Bei der Verpflegung dann noch zwei Becher Cola und dann wieder runter in die Ebene der Durance. Hier begann dann ein innerer Kampf, gehen oder nicht gehen. Ich war selber von mir überrascht, denn bis zum Anstieg hieß die Devise „nicht gehen“ allerdings auf sehr langsamen Niveau. Nach Baratier hoch dann aber doch wieder ein paar Meter gegangen.
Der Lauf runter an den Kreisel war keine wahre Freude mehr. Füße und Oberschenkel schmerzten um die Wette. Nach der Brücke dann wieder an den See. Bei der Verpflegungsstation auf der anderen Seeseite wollte ich dann gar nicht mehr loslaufen, denn ich wusste, danach gibts keine Pause mehr. Ein Passant schrie mir zu, warum ich denn gehe, denn hier ist doch „déscent“ angesagt. Also losgelaufen, die Stiche auf schlechtem Untergrund ertragen und rund um die Wechselzone Richtung Ziel. Hier wartete dann eine sichtlich überraschte Helga, die mich erst viel später erwartet hatte. Auf die zwei Jungs musste ich dann kurz warten aber dann gings zu dritt die letzten Meter zum Ziel. Ole wusste besser als ich, welches denn nun der Zielkanal ist und einen Mistreiter ließen wir noch vorbei, um ihn nicht zu behindern. Das passte meinen Jungs nun nicht und sie rissen mir fast die Arme aus den Schultern. Zieleinlauf dann natürlich entsprechend emotional. Laufzeit von 4h08 ist immer noch unter dem Durchschnitt aller vorigen 8 Langdistanzen. Da kann man nun echt nicht meckern. Die Jungs durften nicht mit in die Wechselzone und nachdem ich sie gen Helga geschickt habe und sie mir erklärten bei welcher Holzhütte wir uns dann gemeinsam treffen überkam mich ein richtig emotionaler Ausbruch. Ich hatte tatsächlich Embrun geschafft. Bin gespannt was die Leute dachten, die hier einen erwachsenen Mann mit Totenkopf auf dem Rücken sahen, der komplett in Tränen aufgelöst war. Zielverpflegung oder Massage hab ich mir dann gespart und bin direkt zu meinem Wechselplatz gegangen. Hier traf ich dann auch wieder Xsicht aus dem Forum, der heute auch seinen Frieden mit Embrun schließen konnte. In Ermangelung von Duschen wechselte ich nur das Oberteil gegen das Finisherhemd, packte meinen Kram und suchte meine Familie.
Zum Abschluss noch ein paar nackte Zahlen aus der Vorbereitung: 3850km Radtraining, 1080km Lauftraining und 12km Schwimmtraining seit Januar, haben für mich gereicht, dies Ding mit für mich mehr als akzeptablem Ergebnis durchzuziehen.
|