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Szenekenner
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Urlaubsbericht Teil 2
Der Wettkampftag begann früh, aber nicht ganz so abartig früh wie das bei manchen Triathlons der Fall ist.
Ich habe sehr unruhig geschlafen und wurde vor dem Wecker wach, so um 4:30 Uhr. Ich habe so viel Futter (Rosinenbrötchen) wie möglich in mich hinein gestopft und um 5:30 Uhr fuhren wir zum Start nach Raperswill. Dort parkierten wir kurz (ich sach‘ ja, ich spreche annähernd fließend Schweizerdeutsch, denn neben Verniedlichung ist Verkomplizierung ein weiteres Hauptmerkmal der Sprache), um das Boot abzuladen. Mein Bruder half mit und parkte dann noch mal vernünftig, er nahm das Auto nach dem Start mit nach Meilen, wo Björn das Begleitboot verlassen wollte und mein Bruder dafür einstieg.
Ich verließ meinen Vater und Björn, die im Wasser auf mich warten würden und ging die paar Meter zum Start im Badi (Freibad für die, die nicht des Schweizerdeutschen mächtig sind). Es war auch dort wieder angenehm unaufgeregt. Ich hatte gar nicht mehr so viel Zeit, ging noch zum 4001. und 4002. Mal zur Toilette an diesem Morgen und zog mich dann schon aus und schmierte Vaseline überall dick hin, nicht wissend, ob das eigentlich irgendeinen Kälteschutz bietet oder nicht. Macht man halt so als Freiwasserschwimmer… Naja, zumindest sollte dann nichts scheuern und man kommt sich sehr professionell vor.
Ich freute mich, dass dann mein Bruder noch angehetzt kam und mir alles Gute wünschte und verfluchte mich dafür, dass ich Björn und meinen Vater so sang-und klanglos verlassen hatte, denn mir ging die Gereiztheit meines Vaters auf die Nerven, wenn irgendwas anders gemacht wurde, als er es für richtig hielt. Ich hatte mich deshalb einfach umgedreht und gesagt, dass ich auf bad vibrations jetzt so kurz vor’m Start keinen Bock hätte und war davon gestiefelt.
Ein Typ lief herum und filmte und interviewte die Teilnehmer. Ich hatte mir schon am Vortag bei der Wettkampfbesprechung gedacht, dass man sich mal überlegen müsste, was man da so sagt, denn da lief der Film vom Vorjahr. Habe ich dann aber natürlich doch nicht gemacht und so stammelte ich dann doof vor mich hin als er mich ansprach und faselte davon, dass ich mich sehr freuen würde, weil ich mich so lange vorbereitet habe und sagte x-mal, dass ich aufgeregt sei. Toll. Naja, würde nicht Angelina Jolie, die Schlampe, MEIN Leben an der Seite von Brad Pitt führen und ich statt dessen ihr armseeliges Würstchen-Leben, dann wäre ich geübter vor der Kamera und müsste jetzt auch nicht mit Walross-Figur und Vaseline beschmiert durch den Zürichsee schwimmen…
Egal, irgendwie hat sie das mit dem Leben-Tausch hinbekommen, ich würde jetzt also das Beste draus machen, hier und heute am Zürichsee.
Dann ging es auch schon ins Wasser, nachdem jeder einzelne Starter namentlich aufgerufen worden war. Waren ja nicht so viele, nämlich 44 Einzelstarter, von denen später 41 ins Ziel kommen sollten. Dazu kamen noch 48 Teilnehmern, die in 12 Staffeln ohne und 6 Staffeln mit Neoprenanzügen starteten, jeweils zu zweit oder zu dritt. Bei den Einzelstartern waren es 28 Teilnehmer ohne Neo, davon 7 Frauen.
Schön war, dass vor dem Start noch eine Schweigeminute einlegt wurde, also als wir alle schon im Wasser waren. Das brachte noch mal Ruhe in die Sache. Das ausrichtende Team hat es ja sehr mit spirituellen Themen und Mediation und so. Es handelt sich um das Sri Chinmoy Team. Der Namensgeber ist so ein indischer Guru, der aber auch ein guter Ausdauersportler war und es gibt weltweit solche Teams, die sich in der Ausrichtung solcher Ultra-Events hervor tun.
Nach der Schweigeminute ging es dann endlich los, der Wettkampf, auf den ich mich- mit Unterbrechung durch die Rückenprobleme – seit zwei Jahren vorbereitete, begann endlich, hurra!
Ich schwamm locker los, viele starteten schneller, aber da schwimmen ja auch viele gute und erfahrene Freiwasserschwimmer mit. Ich suchte auch nicht mein Boot, sondern ver-traute darauf, dass sie mich schon finden werden und das war auch rasch der Fall.
Das Wetter war schön, die Luft war morgens kühl, aber der See mit ca. 24 °C schön warm.
Das Boot platzierte sich wie von mir gewünscht schräg rechts neben/vor mir. Man darf weder im direkten Wasserschatten des Bootes schwimmen noch in dem von anderen Schwimmern. Am Boot festhalten ist natürlich eh verboten.
Das ist schön, wenn das Boot nebenher fährt, weil man sich so einfach daran orientieren kann und nie den Kopf heben muss. Ich musste mich auf nix konzentrieren, konnte einfach schwimmen und zu diesem Zeitpunkt musste ich mich nicht einmal darauf konzentrieren, denn ich fand sofort ein Tempo, das mir passte, musste mich weder bremsen noch motivieren, es fühlte sich einfach richtig an und Björn bestätigte mir das, als er dann ein paar Kilometerzeiten nannte und die immer knapp unter 20 Minuten lagen.
So sollte es auch sein und es fühlte sich so an, als könnte ich ewig so schwimmen.
Manche Schwimmer werden mit Motorbooten begleitet, die mussten 150 m Abstand zum Ufer einhalten. Papa und Björn waren ja aber im Kajak unterwegs und damit darf man auch näher an das Ufer heran, nur die gelben Bojen, die die Schwimmbereiche der Badis kennzeichnen, muss man zwingend beachten. Nach einer Weile wechselte ich auf die rechte Seite des Bootes, damit ich das Ufer besser sehen konnte, um das Fortkommen zu bemerken und der Abwechslung wegen.
Alle halbe Stunde kam der vereinbarte Pfiff mit der Trillerpfeife und es gab Futter. Bah, ekeliges Futter! Ich hatte dreierlei Sorten Flüssignahrung:
1. Sponsorgel in Cola aufgelöst. Eigentlich kann ich auf Sponsorgel gut, aber diesmal hatte ich erstmalig die Variante mit Salz genommen und musste leider feststellen, dass das völlig anders ist als das normale. Viel dicker in der Konsistenz und mit total ekelhaftem Geschmack. Deshalb in Cola aufgelöst, was die Sache erträglicher, aber auch nicht gerade köstlich gemacht hat.
2. High 5 Liquid Gel Orange. Das geht echt gut vom Geschmack her.
3. High 5 Pulver, aufgelöst in Apfelsaft/Wasser. Geht auch, ist meine Standverpflegung bei Triathlons und Marathons gewesen.
Alle halbe Stunde gab es jedenfalls 150 ml im Wechsel von diesen drei Köstlichkeiten und danach 150 ml Wasser zum Nachspülen. Ich bekam die Sachen in so kleinen Trinkfläschchen, die man in den Trinkgürteln beim Laufen benutzt und die hatten wir an zwei Schnüren befestigt (eines davon waren – hier könnt ihr noch mal die Professionalität bestaunen, mit der ich alles vorbereitet habe – zwei aneinander gebundene Schnürsenkel von Turnschuhen). Björn warf mir dann sehr zielgenau erst die eine, dann die andere Flasche zu. Das Trinken ging auch schnell.. In meinem Freiwasser-Schwimmbuch steht, dass man nicht mehr als ca. 15 Sekunden dafür brauchen sollte, damit man nicht zu viel Zeit verliert. Das haute sogar fast hin, allerdings nutzte ich die Verpflegungspausen meist auch zum Pinkeln (von dem High 5 Zeug muss man tierisch viel pinkeln, finde ich) und das dauerte dann meist auch noch mal ca. 30 Sekunden, weil ich halte nicht beim Schwimmen pinkeln kann und mich auch auf dem Wasser liegend erst mal sehr darauf konzentrieren muss. Ich konnte das kaum üben, weil ich mich ja überwiegend im Pool vorbereitet habe.
Ich bin also von Verpflegung zu Verpflegung geschwommen und die Zeit ging schnell herum und mir war nicht langweilig. Ich fror nicht, schaute mir Fische an, freute mich, dass es gut lief und schwups, schon waren die ersten paar Stunden herum.
Bei Meilen ist gut die Hälfte der Schwimmstrecke geschafft, nämlich 14,3 km. Dort muss man eine Cut off Zeit schaffen, die, ich glaube, bei 5:30 h liegt. Ein Stück vor Meilen verließen mich Björn und mein Vater, weil dort mein Bruder ins Boot sollte und Björn raus, der dann das Auto mit zum Ziel nehmen sollte. Ich schwamm also eine Weile alleine weiter und fragte mich irgendwann, wo die denn bleiben, denn Meilen rückte näher und näher und ich sah schon die großen Fähren, die an dieser Stelle den See queren und wegen denen man diese Stelle auf keinen Fall ohne Begleitboot passieren darf. Das Veranstalterboot kam zum zweiten Mal seit ich ohne Boot war vorbei und fragten, wo es denn sei. Ich sagte, dass ich mich selbst wunderte und was ich tun solle, wenn ich an den Fähren ankomme und es noch nicht da ist. Sie sagten, dass sie in meiner Nähe blieben und ich erst mal weiter schwimmen solle. Ich sah, dass sie zu telefonieren anfingen und mir fiel ein, dass man ja eine Handynummer vom Bootsführer in der Anmeldung angegeben hatte. Das Handy meines Vaters hatte allerdings meine Mutter bei sich, die irgendwo in Zürich oder so herum turnte…
Irgendwann endlich sah ich die Leute vom Veranstalterboot winken und zeigen und dann sah ich auch mein Begleitboot und war froh, weil ich schon Sorge hatte, dass irgendwas mit Papa sei. Mein Bruder berichtete mir hinterher, dass sie Ärger von den Veranstaltern bekommen hatten, weil sie mich so lange alleine gelassen hatten. Wir hatten wohl ein Abspracheproblem gehabt, denn sie hatten dort auf mich gewartet, anstatt gleich zu mir zurück zu paddeln.
Naja, jetzt waren sie ja wieder da und ich konnte ohne Wartezeit die Fahrrinne der Fähren passieren und hatte da Glück, denn ich konnte mich schön zwischen zwei von den Riesendingern durchschlängeln. Die kommen einem da ziemlich nahe, das war schon beeindruckend. Da ist aber extra ein Boot vom Veranstalter positioniert, das dort aufpasst und Zeichen gibt, wann man passieren darf. Ich war da dann 4:36 h unterwegs und hatte also viel Luft zum Cut off.
Geändert von bellamartha (11.08.2015 um 14:08 Uhr).
Grund: Rechtschreibfehler
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