Moin Leute,
ich hab mir die Studie mal komplett angeschaut. Insgesamt eine sehr schöne Studie, die eine Menge Pluspunkte hat (großes, random sample, anspruchsvolles Verfahren (cox hazard regression), kein sample dropout und vor allem: Kontrolle der zentralen "confounder" - also Merkmale, die zu einem Scheinzusammenhang führen könenn).
Insgesamt bringt sie sehr schöne Beleg, dass *joggen gesund ist und die Sterblichkeit verringert*!
Wenn da nicht diese seltsame, zusätzliche Interpretation wäre, dass intensives Joggen tödlich ist (Achtung, ich hoffe, das kommt nicht zu sehr als Klug-Gesch* rüber!)
Wie einige von Euch bemerkt haben, ist das N in der "intensiven Gruppe" sehr gering. Nun ist es ja so, dass sample-Daten (=Tode *in der Stichprobe*) sog. "Populationsparameter" schätzen (= Sterberisiken/hazard ratios). Immer dann, wenn die Daten dünn sind, wird nun die Unsicherheit des Schätzers erhöht: In der Tabelle wird dies durch das "Konfidenzintervall" (95% CI) ausgedrückt- bzw. durch den horizontalen Strich in der Abb.). Wie man sieht sind die CI für die leichten und moderaten jogger sehr schmal - so können sie präzise vom Referenzpunkt "non-jogger" abgegrenzt werden.
Im Fall der schnellen jogger ist das CI abartig hoch. Man kann also keinen Unterschied feststellen, weil die Unsicherheit der Positionsbestimmung so hoch ist. Im statischen Jargon bedeutet das, dass die Nullhypothese ("H0 = es gibt keinen Unterschied) nicht verworfen werden kann. Es ist ein häufiger Fehler, dass aus der "Nicht-Zurückweisung der H0" geschlossen wird, dass es in der Population auch keinen Unterschied gibt. Fakt ist, man kann ihn einfach nur nicht finden.
Der Schluss, dass die H0 gilt (kein Unterschied da ist) ist immer heikel. Der wird immer plausibler je besser die Daten sind. Hier wäre der Schluss plausibler, wenn das CI schmal wäre (viele intensive jogger und tote intensive jogger), d.h. die schwarze Linie wäre genauso lang wie die der anderen Gruppen und würde auf der vertikalen gestrichelten Linie zentriert liegen.
Die Linie bedeutet damit mitnichten, dass das Risiko explodiert, sondern dass man einfach nix genaues sagen kann.
Wie die Autoren mit dieser Interpretation durch kommen können (als immerhin zentraler Interpretation) ist schon seltsam.
Es ist nämlich nicht so, dass man jeden Müll schreiben kann. Begutachtungsverfahren für Veröffentlichungen m.E. der gnadenloseste Prozess, den man sich vorstellen kann. Und auch wenn ich selbst kritisch bin, würde ich - v.a. in diesem Forum etwas mehr Zurückhaltung und Bescheidenheit wünschen. Ich würd gern mal wissen, wie Ihr reagieren würdet, wenn blutige Laien Euch in eurem Beruf erzählen wollten, wie doof Ihr seid und dass man das ja alles ganz anders machen müsste.
Peace
Holger