|
Erich Kästner:
Legende, nicht ganz stubenrein
Weihnachten vergangnen Jahres
(17 Uhr präszise) war es:
Daß der liebe Gott nicht, wie gewöhnlich,
den Vertreter Ruprecht runterschickte.
sondern er besuchte uns persönlich.
Und erschrak, als der die Welt erblickte.
Er beschloss dann doch, sich aufzuraffen.
Schließlich hatte er uns ja geschaffen!
Und er schritt (bewacht von Detektiven
des bewährten Argus-Institutes,
die, wo er auch hinging, mit ihm liefen)
durch die Städte und tat nichts als Gutes.
Gott war nobel, sah nicht auf die Preise,
und erschenkte, (dies nur beispielsweise)
den Ministersöhnen Dampfmaschinen
und den Kindern derer, die im Jahre
mehr als 60 000 Mark verdienen,
Autos, Kaufmannsläden, prima Ware!
Derart reichten Gottes Geld und Kasse
abwärts bis zur zwölften Steuerklasse.
Doch dann folge eine große Leere.
Und die Deutsche Bank gab zu bedenken,
daß sein Konto überzogen wäre.
Deshalb konnte er nichts weiter schenken.
Gott ist gut. Und weiß das. Und wahrscheinlich
war ihm die Geschichte äußerst peinlich.
Selbst bei Göttern reiche Geld nur selten.
Und er sprach darüber zehn Minuten,
zu drei sozialistisch eingestellten
Journalisten, die ihn interviewten.
Und die Armen müssten nichts entbehren,
wenn es nur nicht so sehr viele wären.
Die Reporter nickten auf und nieder.
Und Gott brachte sie bis ans Portal.
Und sie fragten: „Kommen Sie bald wieder?“
Doch er sprach? „Es war das letzte Mal.“
__________________
Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
|