Szenekenner
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Gut gemeint, nicht gut gemacht
Am Rande des Fußballfeldes wird ja öfter mal mit mir geschimpft. Ich solle man den Junior nicht immer schlecht reden, heißt es dann. Aber, seien wir ehrlich, der Dicke ist nun mal nicht so gut und mein Mann und ich finden jetzt auch nicht, dass man da irgendwas schön reden muss. Und wenn ich das dann doch mal versuche, geht´s auch prompt nach hinten los.
Manchmal trifft man ja auf Experten, die aus gutem Grund andere Dinge machen als man selbst. Eben zum Beispiel Fußballtrainer. Wenn da einer unser Kind lobt, finden wir als Eltern das ja nett, aber wirklich trauen tun wir freundlich formulierten Anerkennungen nicht. Man darf ja auch nicht vergessen, dass mein Mann bis zu seinem 40. Lebensjahr mit Fußball nichts am Hut hatte. Mittlerweile kennt er die Grundregeln des Spiels, kann Weltfußballer benennen und muss sich dennoch vor dem Fernseher des Öfteren von seinem Sohn belehren lassen:
"Doppelter Übersteiger", kommentiert der kleine Blonde ein Spiel der Bayern. "Das war doch kein doppelter Übersteiger", sagt mein Mann., "Der Götze hat den direkt reingemacht und das war´s." ""Doch," meint das Kind ungerührt, "vorher, Papa. Übersteiger vom Götze, Doppelpass und DANN hat er ihn reingemacht." Die Wiederholung bringt Klarheit. "Siehste," sagt das Kind. "Hmmmf," antwortet mein Mann und wendet den Blick nicht von der Mattscheibe. Ich gehe zum Kühlschrank und bringe ihm wortlos ein Bier.
Mir geht´s in der Regel nicht besser. Fußball-Tipps zu geben, hatte ich mir schon vor langer Zeit abgewöhnt. Ich hatte gut gemeinte Ratschläge ungefragt erteilt und das Kind hatte mir leicht entnervt erklärt, dass das so nicht ginge wie ich mir das vorstelle. Er hatte sich an die taktischen Vorgaben des Trainers gehalten und ich hatte mich geschämt, dass ich mich überhaupt geäußert hatte.
Nun wollte ich aber doch mal richtig guten Willen zeigen. Immer gelte ich als so kritisch und da habe ich gestern mal meinen ganzen Mut zusammen genommen und den freundlichen Trainer angesprochen. "Also," hatte ich begonnen während wir gemeinsam die kleinen Tore vom Platz an den Spielfeldrand trugen , "sonst sehe ich das ja nicht so, aber am letzten Samstag fand ich den Dicken mal richtig gut. Und da ich ja gern an meinem Fußballverstand arbeite, wollte ich jetzt mal von dir wissen, wie du das so siehst!??"
Der Holländer grinst breit und meint gedehnt: "Na, von vier Toren hat er zwei Tore gemacht und eins vorbereitet, also gut war er schon, aber nicht so auffällig wie sonst." Nee, denke ich, die Einzige, die hier verhaltensauffällig ist, bin wohl ich und ich wünsche mir, dass sich die Erde unter mir auftun und ich auf der Stelle verschwinden könne. Ich rette mich mit einem Lachen und denke, dass ich künftig einfach brav bei Toren klatsche und mich ansonsten komplett raushalte. Ist besser für alle Beteiligten.
Überhaupt hatte das Kind ja schon mal den Gedanken, eventuell doch kein Profi-Kicker zu werden wegen der ganzen Verletzungen, die einen so ereilen können. Er liebäugelt dann immer mit einem Dasein als Tennis- oder Triathlon-Profi. Aber Sport soll´s schon sein, meint er.
Für ihn hat ja Ende Oktober auch ein ganz neues Leben begonnen, hat er neulich gemeint. Als ich nachgehakt habe, hat er nur gemeint: "Na, Mama, jetzt mit meinen kurzen Haaren und dem Silberabzeichen für Schwimmen!" Da überfiel mich kurz und heftig der brennende Wunsch, das Kind möge doch seine Begeisterung fürs Schwimmen entdecken. Niemand, der einen umgrätscht, keine Eierwaden, aber dafür einen Waschbrettbrauch, um nur drei der beliebtesten Nebenwirkungen des Schwimmens zu nennen.
Aber heute Morgen wusste ich es besser. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der Junior im Flur noch mal nachschaute, ob in seiner Sporttasche für die Schule auch wirklich wirklich die nagelneuen Hallen-Fußballschuhe seien. "Ah," sagte er voller Freude und nahm das pink-farbene Paar mit gelbem Swoosh heraus, "da sind sie ja!" Er küsste jeden Einzelnen, legte sie behutsam in die Turntasche zurück und machte sich auf den Weg zur Schule.
Da wusste ich, dass es Dinge gibt, die Mütter nicht verstehen.
PS: Bevor jemand fragt: Nein, ich denke mir hier keinen Sch*** aus. Der Dicke hat seine Schuhe wirklich geküsst.
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