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Alt 13.11.2020, 19:29   #2905
FMMT
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Zitat:
Zitat von schnodo Beitrag anzeigen
Gratulation zur Temposteigerung und Glückwunsch zu Deiner inneren Ruhe! )
Vielen Dank , aktuell ist die Zeit der kleinen Freuden

aber auch der Trauer.
Heute wäre mein Vater 90 Jahre alt geworden. Er hatte ein erfülltes Leben und er wird immer noch jeden Tag schmerzlich vermisst.

Zum ersten Mal außerhalb der Familie ein Auszug seiner Erinnerungen aus einer dunklen Zeit.

Ein wichtiges Ereignis aus dieser Zeit ist der Grund meiner Aufzeichnungen, den ich hier festhalten möchte. Es war ein Erlebnis, dass meiner Familie monatelang Angst bereitet hat. Auch als mein Vater davon erfuhr, hat er uns den Rat gegeben auch weiterhin, obwohl wir schon in Deutschland waren, nicht darüber zu sprechen. Ich habe mich daran gehalten, aber Aufschreiben will ich es doch. Eines Tages, es war zur „Hopfenpflückerzeit“ im Jahr 1943, hörte man Schießen. Es muss irgendwo in östlicher Richtung von uns aus ein Luftkampf stattgefunden haben. An diesen Tag hatte ich den Auftrag, nach der Schule das Pferd einzuspannen und ins „Teigel“ zu fahren und von einen abgeernteten Hopfengarten, Hopfenreben zu holen. Diese Reben wurden als Futter für die Kühe verwendet. Dazu mussten diese Reben in ungefähr einen Meter lange Stücke geschnitten werden. Anschließend wurde der Draht herausgezogen und die Reben zu kleine Bündel zusammengebunden. Daheim in der Scheune, stand auf der Tenne eine Futterschneidmaschine, mit der die Bündel klein geschnitten wurden, genauso wie das Haferstroh. Dieses wurde dann mit gemahlenen Rüben und Kleie vermischt. Das bekamen die Kühe zum Fressen. Diese Reben musste ich also holen. Großvater hatte mir schon den Wagen gerichtet. Auch das Pferd war nur noch einzuspannen. Der Wagen war der sogenannter „Futterwagen“, er war klein und leicht.
Zum Pferd muss noch gesagt werden, dass es ein kleiner Haflinger war. Unsern Fuchs (das war ein starker Einspänner) hatte man schon am Anfang des Krieges zum Militär geholt. Dafür bekamen wir den Haflinger. Das Militär holte gute Pferde von den Bauern und als Ersatz wurden oft verbrauchte Pferde in den Stall gestellt. Die Russen machten dies später genauso. Ich musste von Hof aus erst ein Stück auf der Straße (1) Richtung Groß–T. fahren. Dann ging ein Weg links ab ins „Teigel". Es war ein sandiger Weg, der auch durch den Goldbach führte. Es gab da keine Brücke, nur ein Steg für Fußgänger, d.h. es lagen große Steine im Wasser war das Wasser nicht tief, so dass man gut durchfahren konnte. Zum Ausweichen bei Gegenverkehr, waren auf den Weg ab und zu Verbreiterungen vorgesehen. Nach einer kurzen Strecke ging es an der Sandgrube vorbei. Diese Sandgrube gehörte zu uns, wurde aber kaum noch genutzt. Anschließend kam ein Kiefernwald. Dies war alles rechts vom Weg. Links war ein großes Feld das zum Meierhof gehörte. Nach ca. 5 Minuten Fahrt war der Kiefernwald zu Ende und es folgte eine Fichtenschonung. Diese Schonung war künstlich in einem kleinen Tal angelegt. Diese Mulde verlief ca. 90° zum Weg. Die Fichten hatten eine Höhe von 3 bis 4 Metern. Vor dieser Schonung befand sich unser Hopfengarten, von dem ich das Futter holen musste. Das Futter war vorher von einem Arbeiter gerichtet worden. Es brauchte nur noch aufgeladen werden. Ich fuhr zu der Stelle wo die Reben in Büschel gebunden lagen. Ich fing gerade an aufzuladen. Da hörte ich in der Fichtenschonung ein Geräusch und dann sah ich etwas weißes zwischen den Fichten schimmern. Dieses Etwas war ca. 5 m in der Schonung. Im ersten Moment dachte ich, es ist ein von den Fliegern abgeworfener Benzintank. Ich ging mit der Gabel in der Hand, die ich zum Aufladen der Reben benutzt hatte, auf die Stelle zu. Da fuhr mir der Schreck in alle Glieder, denn was ich sah war ein Fallschirm. Der Schirm hing noch so ca. 2 m hoch in einer, oder zwischen mehreren Fichten. Ich wollte gerade weglaufen, da sah ich einen Fliegersoldaten am Boden liegen, ich dachte erst, es ist ein Deutscher, aber der hatte eine Pistole in der Hand. Ich ließ die Gabel fallen und hob die Hände. Es war ein amerikanischer Flieger. Er deutete mit der linken Hand, ich solle näher kommen. Es hatte nicht viel gefehlt und ich hätte vor Angst in die Hose gemacht. Mit dem Mut des Verzweifelnden ging ich näher. Jetzt sah ich, dass der Flieger noch in den Fallschirmseilen hing und diese in den Fichten verwickelt waren. Ein Hosenbein des Fliegers war von der Wade bis zur Hüfte aufgerissen. Das Bein blutete sehr stark. Der Flieger zog ein Messer aus dem Stiefel und hielt es mir hin. Er zeigte mir, dass ich die Seile durchschneiden soll. Mit zittrigen Händen schnitt ich die Seile durch und musste das Messer wieder zurück geben. Jetzt konnte er sich aus den Seilen befreien und stand auf. Ich stellte fest, dass er sehr jung war. Gemeinsam zogen wir den Fallschirm von den Ästen. Anschließend verband er seine Wunde am Bein. Sie war sehr tief und ca. 20 cm lang. Bis zu diesen Zeitpunkt hatte er noch kein Wort gesprochen. Jetzt sagte er zu mir: „Du mir helfen, nix „SS“. Der Verband war wieder von Blut durchdrängt. Er brauchte jedenfalls einen richtigen Verband. Das ging mir durch den Kopf. Vielleicht kann der Großvater helfen. Aber wie? Das war die Frage. Es gab keine andere Wahl, als ihn mit nach Hause zu nehmen. Er musste auf den Wagen und mit Futter zugedeckt werden. Das war meine Überlegung. So und nicht anders. Ab diesen Zeitpunkt hatte ich zwar nicht mehr so viel Angst von dem Flieger, aber ich wusste, wenn ich einem Feind helfe komme ich oder sogar meine Familie ins „KZ“. Damit war die Angst jetzt noch größer als vorher. Was machen? Erst schaute ich mich nach allen Seiten um, ob Leute auf den angrenzenden Feldern waren. Es waren keine zu sehen. Dann ging ich zum Wagen und fuhr an den Rand der Schonung, dort wo der Flieger saß. Jetzt musste alles sehr schnell gehen. Ich zeigte auf den Flieger und auf den Wagen. Wir schleiften den Fallschirm zum Wagen und wuchteten ihn hinauf. Der Flieger hatte begriffen, was ich wollte und kletterte mit größter Vorsicht, ohne Blutspuren zu hinterlassen hinauf. Er legte sich auf seinen Fallschirm und sagte mir noch einmal: „Du mir helfen?“ Ich konnte nur nicken. Ich nahm die Pferdedecke, die zum Zudecken des Pferdes, wenn es verschwitzt war, immer im Wagen dabei war und legte sie über den Flieger. Nun lud ich die Reben quer zur Fahrtrichtung über den Flieger. So dass sie auf den Seitenbrettern lagen und einen Hohlraum bildeten. Dann wurde die Ladung noch mit einem Seil festgebunden. Ich kontrollierte den Wagen noch einmal genau, ob auch nichts zu sehen war. Es war alles in Ordnung. Auch die Stelle in der Schonung hatte ich überprüft. Ich fand auch da nichts Verdächtiges. Jetzt ging ich zum Wagen und fuhr los. Sobald der Wagen auf dem Weg war, setzte ich mich auf den dafür vorgesehenen Sitz. So fuhr ich den Weg, den ich gekommen war, wieder zurück. Durch den Goldbach und auf der Straße nach Hause. Nach einigen Minuten auf der Straße wurde ich von zwei Männern auf Fahrrädern überholt. Sie fragten mich, wo ich war und ob ich nichts gesehen hätte. Sie sagten, es ist ein Flugzeug abgeschossen worden und wahrscheinlich ist ein Flieger mit dem Fallschirm abgesprungen. Meine Antwort war, dass ich im Teigel Futter geholt, aber nichts gesehen hätte. Damit gaben sie sich zufrieden und fuhren weiter. Wie sich später herausstellte, waren die zwei aus Groß – T. und mussten in Klein – T. den Volkssturm benachrichtigen. Kurze Zeit später waren Suchtrupps unterwegs. Ich fuhr nach dieser Begegnung etwas schneller, ich wollte so schnell wie möglich heim. Großvater, der das Hoftor aufgemacht hatte und davor stand, hatte mit mir geschimpft, weil das Pferd geschwitzt hat. „Nimm gleich Stroh und reibe es trocken“. Ich sagte aber: „Mach das Scheunentor auf, ich muss dir etwas zeigen“. Ich fuhr also den Wagen in die Scheune auf die Tenne. Großvater spannte das Pferd aus, während ich schon anfing, das Futter abzuladen. Großvater führte das Pferd in den Stall und machte das Scheunentor zu. Als er zurück kam, sah er die Bescherung. Er hatte sofort begriffen, was hier los war. Zu mir sagte er: „Bist du verrückt, willst du uns ins Zuchthaus bringen?“ Aber dann ging alles sehr schnell. Zu mir sagte er, gehe hinüber (ins Wohnhaus) und hole die Großmutter. „Laufe nicht, gehe normal.“ Er selber zeigte dem Flieger, dass er absteigen und mitkommen solle. Der Flieger musste sich auf einen Strohballen setzen. Dann zog er ihm die Stiefel aus und zeigte den Flieger er solle seine Hose auch ausziehen. Die Pistole, das Messer und noch verschiedene Dinge legte er auf einen anderen Strohballen. Inzwischen war die Großmutter eingetroffen. Über den Schreck von ihr braucht man nichts zu sagen. Sie wurde entsprechend unterrichtet. Großvater gab Anweisung, warmes Wasser, ein weißes Leintuch, (Binden hatten wir ja keine) Schnaps, Jod und eine Salbe zu holen. In der Zwischenzeit versteckte er die Sachen des Fliegers. Anschließend wurde der Flieger verarztet. Ich musste in den Hof gehen und beobachten, ob wenn jemand kommen sollte. Der Flieger bekam eine Hose von meinen Vater. Er wurde auf eine Leiter zum Kleeboden, der sich über der Maschinenhalle befand und von der Scheune aus zugänglich war, hinauf befördert und mit Decken und Verpflegung versorgt. Er wurde angewiesen, sich ruhig zu verhalten. Die Leiter wurde im Stroh versteckt. Nach einem nochmaligen, strengen Hinweis über Stillschweigen musste zur normalen Arbeit übergegangen werden. Es musste abgewartet werden bis die Mutter mit den Arbeitern vom Feld nach Hause kommt. In der Zwischenzeit musste Großmutter einen Strohsack mit Stroh auffüllen. Nachdem die Mutter zu Hause war, wurde sie vom Großvater instruiert. Es wurde beschlossen, dass der Flieger solange man keine andere Lösung fände, im Haus bei uns bleiben solle. Im Auszugshaus, in dem meine Großeltern schliefen, wurde unterm Dach eine Ecke mit alten Kleidern und Decken abgeteilt. Dort wurde der Strohsack hinein gelegt. Nachts wurde der Flieger von dem Kleeboden ins Auszugshaus umgesiedelt. Dies alles musste mit größter Heimlichkeit ausgeführt werden. Er musste ja, aus der Scheune über den Weg in das Auszugshaus gebracht werden. Es durfte niemand, auch die Nachbarn nichts mitkriegen. Großvater ging am nächsten Tag selber ins „Teigel“, um zu sehen, dass keine Spuren zurück geblieben sind. Es durfte nicht der kleinste Hinweis auf die Sache aufkommen. So blieb der Flieger Wochen oben unterm Dach versteckt. Seine Beinwunde heilte gut. Abends wenn das Licht in den Häusern eingeschaltet wurde, mussten die Fenster verhängt werden. Wegen den feindlichen Fliegern. Auch dies wurde von SA Leuten kontrolliert. Nach Feierabend gingen die zwei Russen und der Franzose Bien, die bei uns arbeiteten, zu ihren Schlafstellen ins Dorf. Dann holte Großvater den Flieger aus seinem Versteck in die Stube (Wohnküche) herunter. Das Hoftor und die Haustür wurden jedes Mal abgesperrt. Bei diesem Zusammensein war die Verständigung nicht gut. Der Flieger war auch nicht sehr freundlich zu uns. Wir erfuhren, dass er Georg heißt und sein Großvater Franzose war und seine Großmutter aus Italien stammte. So ging es wochenlang, am Tag musste er oben unterm Dach bleiben, nur Abend wenn die Arbeit im Hof und im Stall erledigt war, konnte er sich etwas die Beine vertreten und bei der Familie in der Stube sitzen. Man merkte ihm schon eine gewisse Unruhe an. Die Wunde war gut zugeheilt. Eines Tages sagte meine Mutter, langsam wird die Sache für uns gefährlich. Jetzt müssen wir bald eine Entscheidung treffen. Der Großvater solle sich etwas überlegen. Da die Feldarbeiten zum größten Teil abgeschlossen waren, mussten die zwei Russen wieder abgegeben werden. Die mussten sehr wahrscheinlich irgendwo in einer Fabrik arbeiten. So kam es, dass eines Tages Großvater mit Bien eine Aussprache hatte. Er sprach über Stillschweigen und Bestrafungen. Dabei hat Großvater fast einen Herzschlag bekommen, denn Bien sagte, er habe schon lange gewusst, was im Haus los wäre. Er sagte aber gleich, wir sollten uns keine Sorgen machen. Da er etwas englisch konnte, würde er mit Georg sprechen. So wurden die zwei zusammen gebracht. Bien sagte nach dem ersten Gespräch, dass er dem Ami erst klar machen musste, welche Gefahren uns drohen, wenn seine Anwesenheit entdeckt würde. So vergingen noch einige Wochen, bis Bien uns eines Tages sagte, dass Georg in einer der folgenden Nächte von einer Frau abgeholt werden würde. Wie Bien das fertig gebracht hat, erfuhren wir nicht. Wir nahmen an, dass die Franzosen bestimmte geheime Verbindungen hatten. Georg bekam Kleider von meinem Vater, einen Rucksack mit Verpflegung und noch verschiedene Dinge. Dies wurde von Bien zusammen gestellt. Es durfte kein Hinweis auf unsere Familie erkannt werden. Die Pistole und sein Messer gab ihm Großvater nicht. Später, da waren wir schon in Deutschland, hat mir Großvater erzählt, dass er die Sachen irgendwo auf einen Feld vergraben hat. Eines Abends, bevor Bien zum Schlafen in seine Unterkunft ging, sagte er nur, dass Georg heute Nacht abgeholt wird. So war es auch. Er ging ohne ein Wort des Dankes. Einige Wochen später, sagte Bien nur, dass alles geklappt habe. Damit war das Kapitel „Georg“ für uns beendet. Über dieses Ereignis durfte auch in Zukunft kein Wort gesprochen werden. Auch Bien sprach nicht mehr darüber. Die Arbeiten am Hof und auf den Feldern mussten ja weiter gehen.
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Meine Sehnsüchte:
Glückliche Familie , Freude am Sport und immer Sonne im Herzen
Challenge MS, für das Gefühl des "Ich kann noch"

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