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Alt 21.09.2022, 23:27   #285
svmechow
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Hier mal noch mein Rennbericht, obwohl wahrscheinlich das meiste zu Cervia 2022 schon gesagt ist.
Vorneweg - es war wirklich ein rundum gelungenes Event und ich bin mit meiner Finish Zeit von 10:42:01 sehr zufrieden.
Die ganze Aufregung wegen des Sturms war sicher bislang einzigartig, wobei ich spätestens ab unserer gemeinsamen Radausfahrt am Freitag, also am Tag vor dem geplanten Rennen nur noch gebetet habe, es möge doch bitte gecancelt werden. Wir fuhren als Gruppe aus Cervia raus und der Wind kam schon stramm aus allen Richtungen mit Böen von 40-50 km/h, wie ich dem Wetterbericht entnahm. Ich weiß nicht, wie Arne und auch noch ein paar andere diesem Prä-Orkan in Aeroposition getrotzt haben, während ich mich mit aller Kraft am Basebar festgekrallt habe.
Zur Krönung waren wir auf dem Rückweg noch als Ersthelfer bei einem Unfall zugegen; ein IM Teilnehmer war gestürzt und wartete mit seiner Frau auf die Ankunft der Ambulanz. Viel war nicht zu machen vor Ort; sah aus wie eine Claviculafraktur und mindestens ein mildes SHT. Seinen luxierten Finger habe ich kurzer Hand reponiert, klonk hat es gemacht und in dem Moment hat mich der arme Kerl sicher gehasst, aber auf lange Sicht wird er es mir danken.

Der erste Tag in Cervia, der Donnerstag, war noch von lieblichem Sommerwetter und hatte für mich ein ganz besonderes Début parat: zum ersten Mal in meinem Leben schwamm ich in einem Meer. Und das war zu meiner großen Freude so viel weniger schlimm als gedacht. Am Freitag dann gleich nochmal, war wieder überraschend wenig unangenehm. Am Samstag hingegen sah dieses Meer schon vom Hotelbalkon aus betrachtet sehr grimmig aus; grau und aufbrausend. Dieser Eindruck erhärtete sich bei näherer Betrachtung aber noch war das Rennen ja für den Folgetag geplant und ich hielt es für sinnvoll, mich eher jetzt schon als erst im Race mit diesem Wellen-Ding da vertraut zu machen. Und dank Arne und dem Rest der Bande war auch das - irgendwie - selbst für mich als Nichtschwimmer machbar.

Am späten Freitag Nachmittag dann, als klar war, dass zumindest am Samstag kein Rennen stattfinden würde, fand ich das eigentlich erstmal nur gut. Ich hatte wie schon erwähnt vor dem Radsplit bei Wind und Regen eine verdammte Scheißangst gehabt und hätte aber vermutlich auch nicht gekniffen, wenn der Samstag nicht gecancelt worden wäre (vorsorglich hatte ich mich auf der Messe noch mit einem Satz sündhaft teurer wärmender Ryzon-Klamotten versorgt).
Die Stimmung in der Gruppe war meiner Wahrnehmung nach nicht gut, möglicherweise habe ich auch deshalb den Lukas Podolski gemacht und bin wahrscheinlich allen mit meiner unerträglichen guten Laune und meinem unerschütterlichen Optimismus auf den Sack gegangen.
Am Vortag des tatsächlichen Rennens, am Samstag Abend beim Essen vor dem Bike Check in hat mich dann allerdings die Motovation verlassen und während alle anderen wieder in the mood waren, stellte ich ein Wrack dar. Ohne jede zum Race geeignete Attitüde maule ich also meinen Spaghetti-Teller voll und überlege, mich in der Bachata-Bar auf der anderen Straßenseite so richtig wegzulöten. Am Sonntag würde ich mich dann nicht mit swim-bike-run beschäftigen, sondern nur larmoyant meinen Suff kurieren. Aber irgendwie macht man das dann nicht, wenn man schon mal da ist und als alle mit ihren Beuteln und Bikes los sind, bin ich auch mit. Bike check in um 22:30 Uhr, alter, da bin ich eigentlich schon im Bett.

Dann: Sonntag morgen. Ein gaaaaaanz schmaler Streifen Sonnenaufgang zu sehen vom Hotelbalkon.
Dann: das gleiche Programm wie vor jeder Langsistanz: so viel Kaffee wie möglich rein und dafür am anderen Ende so viel wie möglich raus.
Ab in die Wechselzone. Die Dixiklo-Situation ist entpannt, kurze schnelle Schlangen, ich muss nicht, geh nur aus Solidarität und um Zeit totzuschlagen. Mein Schwimmstart ist ja erst in einer Stunde.
Dann Abschied vom Rest der Truppe; es ist schön, dass da bekannte Gesichter sind.
Anstellen in der Startbox 01:20-01:30 min. Die Rede des Race-Direktors holt mich voll ab: Racing today is not a right, it‘s a privilege.
Ich beziehe das nicht nur auf dieses Wochenende, sondern seh es im globalen Kontext: rings umher wird gestorben, sei es durch Kugeln oder Hunger oder Klimakatastrophen und ich stehe hier in Cervia am Strand und gehe gleich auf meine sechste Langdistanz. Danke, danke, danke vielmals für so viel Glück im Leben.

Wir werden schnell hintereinander weg ins Wasser gescheucht, immer drei auf einmal alle drei Sekunden oder so. Ein ganzes Stück noch laufe ich, das kann ich besser als schwimmen, aber es hilft ja nix. Irgendwann schwimme auch ich. Linker Arm, rechter Arm, linker Arm, rechter Arm, rechter Arm, husten, da schwimmt jemand auf mich drauf, egal, trotzdem weiter. Immer nur bis zur nächsten Boje, bloß nicht die ganzen 3800 m auf einmal denken, sonst werde ich irre.
Aber es ging, irgendwie komme ich immer wieder in einen Tritt ohne viel nachzudenken und zwischendurch macht es sogar fast Freude. Also fast. Mal nicht übertreiben. Der Rückweg war nämlich hart; keine Ahnung, ob ich langsam müde wurde oder die Strömung anders als auf dem Hinweg oder beides.
Aber: kein einziger Quallenkontakt und mit 01:28 war es meine schnellste Schwimmzeit.

Dann zum Rad gerannt. Der Vorteil schlechten Schwimmens ist zweifelsohne der, dass man sein Bike nicht suchen muss.
Rauf aufs Rad und los. Die Luft ist noch frisch, die Sonne schon potent, deshalb nur flink ne Weste übergeworfen.
Es läuft gut, fühlt sich alles irgendwie richtig an und nach den Anfangswirrungen, bis alle irgendwie in den Pedalen sind und aufhören, unkontrolliert Schlangenlinien zu fahren, geh ich in Aeroposition und fahre wie der Teufel. Wenn man wie ich schlecht schwimmt und spät auf die Radstrecke kommt, hat man ganz häufig auch eher nicht so die Rad-Pros um sich. Das birgt den psychologischen Vorteil, dass ich mehr überhole, als überholt zu werden.
Speziell in diesem Race hatte es aber doch den Nachteil, dass ich eben nicht so richtig einen Zug gefunden habe, in den ich mich hätte reinhängen können.
Klar lehne ich Drafting auch ab und habe mich gefragt, ob es irgendwelchen Typen nicht unangenehm ist, sich an mein Hinterrad zu hängen.
Gleichzeitig gab es aber auch Passagen, wo man gar nicht überholen konnte und regelrecht gezwungen war, hintereinander zu fahren. Gut, dachte ich, ich fahr immer noch 32 km/h und leg aber eigentlich die Beine hoch zum Ausruhen.
Egal. Ich war mit exakt der gleichen Geschwindigkeit und Wattzahl unterwegs wie in Hamburg im Juni, trotzdem hat es sich weniger anstrengend angefühlt. Wobei-Rad fand ich auch in Hamburg nicht schlimm. In Hamburg habe ich nur bereits beim Laufen vom Rad zum Wechselzelt gelitten.

Und dieses Mal war das einfach komplett anders. Der Marathon lief sich einfach einfach wie von selbst.
Ich habe quasi den Tempomat auf ne knapp unter 05:00er pace eingestellt und bin da drunter geblieben ohne am Anfang arrogant mit 04:25 loszurennen - oder besser: ich hatte die ganze Zeit Bernhards Stimme im Ohr, wie er sagt: langsamer. Du bist zu schnell. Nimm raus. Langsamer (wir hatten etliche Koppelläufe zusammen; er aufm Mountainbike als Disziplinator und ich zu Fuß. Dabei hab ich mir diese knapp unter 05:00er pace eingebimst).
Erste Runde, zweite Runde, dritte Runde. Zweimal Yvie gesehen, dann mal Arne nachgerufen, auf der zweien Runde Arne auf dessen letzter Runde überholt und gedacht wow, was hab ich doch den besten Coach der Welt.
Dann vierte Runde, die, auf der ich üblicherweise zwischendurch eingehe. Ich laufe einfach weiter, irgendwann bei km 36 beschließe ich, dass es jetzt auch zu spät ist zum Krepieren und lauf unbeirrt weiter mit breitem Grinsen auffer Fresse und nach 03:25 dann am Strand ins Ziel, wo die andern alle schon warten.

Ach war das schön. Prädikat wiederholenswert. Nächstes Jahr daher Roth im Juni und wieder Cervia im September. Man weiß schließlich nie, wieviel gute Jahre einem noch bleiben.

Danke allen Beteiligten davor, dabei und danach.
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