Da widerspreche ich Dir insgesamt nicht.
In Schirachs "Gott" geht es allerdings nicht um Abtreibung, sondern um die Tötung auf Verlangen eines zwar alten, aber nicht todkranken Menschen und dabei insbesondere die Frage, ob ein Arzt hierzu das Medikament überreichen darf.
Der Anwalt fragt den Theologen durchaus, warum die Religion sich mit ihrer Historie (zuletzt Verweigerung von Frauenrechten, Vertuschung der Kindesmisshandlung) überhaupt noch erlaube, als moralische Instanz für die gesamte Gesellschaft aufzutreten. Aber das persönliche Bekenntnis des Kirchenmannes ist dann doch berührend und individuell nachvollziehbar. Und das gefällt mir, bei aller argumentativer Klarheit der Gegenhaltung. Und mir gefällt auch, dass der Anwalt entgegnet, dass das persönlich berührend und (falls ich mich recht erinnere) imponierend sei - wenngleich es keine normative Kraft für die Gesellschaft haben könne, sondern eben nur für diejenigen, die gerade daran glauben.
(Vielleicht findest Du die Gelegenheit, das Stück zu sehen oder zu lesen. Es ist bemerkenswert, wie Schirach hier die Argumentate vorträgt. Nach der Sendung des Stücks gab es eine Plasbergsendung dazu, und ich fand beeindruckend, dass keine Argumente über die bereits im Stück verhandelten hinaus genannt wurden. Das spricht für den literarischen Text)
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