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Szenekenner
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Heute haben mich mehrere Briefe erreicht, die ich Euch nicht vorenthalten wollte. Der erste ist von Lothar Weisser, ehemaliger BWTV-Präsident:
Liebe Triathlonfreunde aus Baden -Württemberg,
erlauben Sie mir, dass ich mich als ehemaliger Präsident / Vizepräsident (1988 – 1998) an die Triathlon-Vereine in Baden-Württemberg und an alle mir bekannten Triathlonfreunde wende.
Der Grund ist, dass ich vor kurzem dem Triathlon-Magazin entnehmen musste, ist der amtierende Präsident des BWTV Geschäftsführer der XDream GmbH geworden, einem Tochterunternehmen der WTC Inc. und damit für mehrere Veranstaltungen dieser Gesellschaft verantwortlich. Zu entnehmen war auch, dass er gleichzeitig auch seine bisherige unter der Challenge-Flagge segelnde Mitteldistanz einbringt. Außerdem gab er bekannt, dass er weiterhin sein Amt als BWTV-Präsident ausüben möchte. Die damit auf der Hand liegende ganz offensichtliche Interessenkollision zwischen Ehrenamt und Kommerz scheint er, wie auch bisher schon, nicht zu erkennen, was für mich und
sicher viele Triathlonfreunde absolut unverständlich ist.
Ich muss gestehen, dass mich selten eine Nachricht aus der Welt des Sports so schockierte wie diese. Eine solche Entwicklung hätte ich mir zuvor niemals vorstellen können, sie übersteigt meine Phantasie um ein Vielfaches. Nach meiner Überzeugung steht diese Tätigkeit für einen ausschließlich kommerziellen Veranstalter in völligem Gegensatz zum Ehrenamt eines Verbandspräsidenten.
Der Inhaber dieses Amtes hat die Interessen seiner primär nichtkommerziell / ehrenamtlich ausgerichteten Vereine zu vertreten sowie die Förderung des Jugend-, Leistungs- und Breitensports, wofür dem Verband seitens der öffentlichen Hand nicht geringe steuerliche Privilegien sowie direkte staatliche
Zuschüsse gewährt werden. Allein die Sportbünde haben 2012 an den BWTV die 110.000 Euro Zuschuss geleistet.
Die WTC strebt seit vielen Jahren eine gänzliche Unterwanderung des Verbands- und Vereinstriathlons an. Ihr die ganze Welt umfassendes Lizenzierungs-System hat nur ein Ziel, nämlich möglichst hohe Profite aus unserer Sportart Triathlon herauszuschlagen. Sie hat ein beispielloses Preis- und
Konditionenkartell errichtet, dem sich die Athleten überall auf der Welt zu unterwerfen haben. Die vor kurzem erfolgte Übernahme der WTC durch einen US-Finanzinvestor (auch „Heuschrecke“ genannt) dürfte diese Zielrichtung noch verstärken, nämlich den Triathlonsport noch stärker im Sinne einer Gewinnmaximierung zu durchdringen. Die Presse berichtete von einer anvisierten
Umsatzrendite von 50 %, das schafft bei uns nicht einmal die Firma Porsche.
Dieser Monopolisierung und Kartellierung des Triathlons kann der Verbands- und damit ehrenamtliche Triathlon nicht tatenlos zusehen. Es gilt vielmehr, alle Kräfte zu mobilisieren und den Kampf aufzunehmen.
In meinem jüngst erschienen Buch „Sportevent-Management – erfolgreiche Konzepte im Kampf um Sportler und Sponsoren“ habe ich dezidiert zur Entwicklung und dem Kampf Verband gegen Kommerz Stellung genommen.
Gestatten Sie mir einen kurzen Auszug daraus:
„An diesem Schisma (Trennung von kommerziellem und verbandsmäßig organisiertem Triathlon) leidet dieser Sport bis heute. Die Anstrengungen der internationalen Spitzenverbände, die
kommerziellen Veranstalter einzubinden, waren alle erfolglos. Auf nationaler Ebene waren jahrelange Finanzquerelen mit ihnen die Folge. Noch weit schlimmer ist, zumindest aus Sicht der Triathlon-
Verbände, dass die WTC und der hinter ihr stehende Finanzinvestor ihre zweifellos vorhandene enorme Marktmacht immer mehr dazu nutzen, um in das etablierte vereinsorganisierte Wettkampfgeschehen einzudringen. Mit Hilfe ihres ausgeklügelten Lizenzierungssystems versieht die WTC immer mehr Wettbewerbe mit dem Ironman-Label, wobei sie auch vor „Umfirmierungen“ nicht
Halt macht. Ihre Markenfamilie wurde um einen Mitteldistanz-Triathlon erweitert, der unter der kryptischen Bezeichnung „70.3-Ironman“ (!) firmiert. Mit dessen Hilfe kann man sich ebenfalls für
den „richtigen“ Ironman auf Hawaii qualifizieren.
Der Triathlon ist im etablierten Sport angekommen. Gleichzeitig ist er aber in seiner Existenz bedroht. Denn das Vorgehen der WTC macht offenbar Schule. Sie hat vorgemacht, wie man mit Hilfe
eines Lizenz- und mittlerweile auch internationales Ranglistensystems, für Profis und neuerdings auch für Amateure, ein weltweite Monopolstellung erreichen und immer weiter ausbauen kann. So verwundert nicht, dass weitere Veranstaltungskartelle im Anmarsch sind, wie die – wie es
verniedlichend heißt – „Challenge-Family“ unter der Führung des Veranstalters von Roth mit nun schon 13 weltweiten Events. Sie setzt bislang allerdings – zumindest in Deutschland – auf eine
gewisse Zusammenarbeit mit dem nationalen Verband…
Noch kooperieren diese beiden neuen Serien, die aus wirtschaftlicher Sicht nichts anderes als (in Deutschland verbotene) Preis- und Konditionenkartelle sind, mit den Sportverbänden. Die Frage ist allerdings, wie lange sie dazu aus finanziellen Gründen (Zahlung der Veranstalterabgabe) bereit sein werden. Die vor zwei Jahren eingeleitete neue Entwicklung, nun auch noch die Olympische Distanz unter die Fittiche der WTC zu bringen, zeigt in aller Deutlichkeit, dass dem Verbands-/Vereins-Triathlon weiter das Wasser abgegraben werden soll.“
Mit dieser Einschätzung liege ich – wie meine Gespräche und Schriftverkehr ergeben haben – auch völlig auf der Linie der Deutschen Triathlon Union.
Eine Vermischung kommerzieller und ehrenamtlicher Tätigkeit bedeutet unvermeidlich eine Interessenkollision. Sie ist allerdings nicht neu, da sie auch bisher schon bestand, da der amtierende BWTV-Präsident mit seiner UG gleichzeitig Veranstalter des Kraichgau-Triathlons war. Dies umso mehr, seit er diese Veranstaltung in die Challenge-Serie, einer Kopie der WTC, einbrachte.
Hier nur ein Beispiel. Statt wie früher 10 % der Startgebühren – das wären beim Kraichgau-Triathlon mindestens 70.000 € gewesen (lt. Homepage 3.000 Einzelstarter und 200 Staffeln mit Gebühren zwischen 200-240 €) –, wurde die Gebührenordnung so
verändert, dass nur noch 1,50 € pro Starter und damit etwa 4.500 € zu zahlen sind. Da ein Teil der Gebühren für Tagespässe beim Veranstalter bleibt (warum eigentlich?), die Zahl der Nichtstartpass-Inhaber bei mindestens 20 % liegt (lt. Startliste), machte der
Veranstalter per Saldo sogar noch einen Gewinn. M.a.W., es scheint so zu sein, dass ein Teil der Finanzierung dieser Veranstaltung der Verband beisteuert, also eine Subventionierung, die mit den gemeinnützigen Aufgaben des Verbandes in keiner Weise
zu vereinbaren ist.
So ist es nicht weiter erstaunlich, dass die Last der Kosten der Verbandsführung einseitig auf die Startpass-Inhaber verlagert wurde; im laufenden Etat des Verbandes machen die Startpassgebühren 164.000 € aus, die Veranstalterabgaben nicht einmal die Hälfte (75.000 €). Diese Erhöhung der Startpassgebühren ist der völlig falsche Weg! Statt die
Eintrittsschwelle in den Triathlonsport zu senken – wenn nicht wie etwa beim Marathon völlig zu beseitigen, was gerade im wettkampforientierten Breitensport mit seiner Vereinsferne von höchster Bedeutung ist –, wird sie laufend erhöht. So braucht man sich nicht wundern, dass die kommerziellen Veranstalter den Rahm abschöpfen, denn bei ihnen kann grundsätzlich kann jeder mitmachen, so er bereit ist, die extrem hohen Startgelder zu bezahlen.
Betonen möchte ich, dass es nicht um kommerzielle Veranstaltungen als solche geht. Aus eigener Erfahrung (Bodensee-Megathlon) weiß ich, dass große Events kaum mehr von Vereinen auf rein ehrenamtlicher Basis durchgeführt werden können. Die Verbände müssen mit kommerziellen Veranstaltern zusammenarbeiten – aber zu ihren Bedingungen.
Ich habe deshalb darauf hingewirkt, dass mehrere Triathlon-Vereine aus Baden-Württemberg zum Verbandstag am 7.12.2013 in Stuttgart (gleichlautende) Anträge gestellt haben, über deren Inhalt ich Sie hiermit informieren möchte:
An das Präsidium des Baden-Württembergischen Triathlonverbandes
Die Vereine Triteam Heuchelberg und Tria Schramberg sowie weitere am Verbandstag noch zu nennende Vereine beantragen nach § 11 Abs. 1 der Satzung des Baden-Württembergischen Triathlon-Verbandes (BWTV), zum Verbandstag des BWTV am 7.12.2013 folgende weitere Tagesordnungspunkte nachträglich auf die Tagesordnung zu setzen und diese durch den Versammlungsleiter entsprechend ergänzen zu lassen:
1. Abwahl des amtierenden Präsidenten des BWTV und Wahl eines
neuen Präsidenten.
2. Satzungsänderung: § 13 der Satzung wird um einen Absatz 5 mit
folgendem Inhalt ergänzt: „Für Mitglieder des Präsidiums des BWTV
gilt der Grundsatz der Unvereinbarkeit von Ehrenamt und
kommerzieller Tätigkeit im Triathlonsport außerhalb des Verbandes.“
Begründung:
Nach § 27 Absatz 2 Satz 1 BGB ist die Bestellung des Vorstands jederzeit widerruflich. Der Widerruf der Bestellung kann sich auf ein einzelnes Vorstandsmitglied beschränken.
Der BWTV ist als gemeinnütziger Verein für die Förderung und Belange der Sportart Triathlon in Baden-Württemberg zuständig und als solcher von der DTU, dem Landesportbund und der öffentlichen Hand anerkannt.
Der BWTV ist nach seiner Satzung und seinem Selbstverständnis dazu verpflichtet, unabhängig und unvoreingenommen seine Aufgaben zu erfüllen. Der BWTV hat dabei die ureigenste Pflicht, sich bei Interessenkollisionen zwischen dem BWTV, Vereinen, Athleten und Ausrichter von Triathlon-Veranstaltungen,
unabhängig und unparteiisch zu verhalten und seine eigenen Zwecke zu erfüllen.
Die Organe des BWTV müssen bei Erfüllung ihrer Aufgaben schon die Besorgnis vermeiden, dass eine Befangenheit vorliegen könnte.
Vor diesem Hintergrund erscheint bereits die Vereinbarkeit der Ausübung des Amtes des BWTV-Präsidenten durch Björn Steinmetz und seine zeitgleichen Funktionen als Betreiber des (bisher so firmierenden) Challenge Kraichgau Triathlon, einer profitorientierten Veranstaltung, sehr fraglich zu sein.
Eine nicht mehr hinnehmbare Qualität erreicht diese Unvereinbarkeit durch die
von Björn Steinmetz öffentlich geäußerte Mitteilung, eine Stellung als Geschäftsführer der XDream GmbH, ein Tochterunternehmen der WTC Inc., übernommen zu haben. Neben den Triathlon-Veranstaltungen, welche die XDream GmbH in Deutschland organisiert, richtet die WTC bekanntlich weltweit
Triathlonveranstaltungen über die Olympische Distanz, die Mitteldistanz und die Langdistanz aus. Bei den Veranstaltungen über die Olympische Distanz und Mitteldistanz werden auch Titel wie Europa- und Weltmeister vergeben.
Dies steht in sportlicher Konkurrenz zu Titeln, welche der offizielle
Weltverband, die ITU, vergibt. Eine weitere Titelkonkurrenz auf Ebene der ETU ist im letzten Jahr in aller Deutlichkeit bereits sichtbar geworden, eine ähnliche Entwicklung auf Nationaler- und Länderebene ist nicht auszuschließen.
Unabhängig davon, ob in der Vergangenheit, aktuell oder zukünftig tatsächliche Interessenkollisionen der Tätigkeit von Björn Steinmetz als profitorientierter kommerzieller Triathlonveranstalter einerseits und seiner Aufgabe als BWTVPräsident andererseits stattgefunden haben, aktuell stattfinden oder in Zukunft stattfinden werden, ist es offensichtlich, dass die Interessen der gemeinnützigen Verbände und der WTC Inc. bzw. der XDream GmbH kollidieren.
Die Ausübung eines Amtes im Präsidium des BWTV ist daher unvereinbar mit einer Tätigkeit für die WTC Inc. bzw. die XDream GmbH.
Eine weitere Begründung des Antrages erfolgt mündlich auf dem Verbandstag.
Anmerken möchte ich noch, dass ich vorerst die Entwicklung abwarte, wie sie sich auf dem Verbandstag ergeben wird. Unter veränderter Konstellation und bei Ausbleiben anderer Lösungswege wäre ich bereit, mich übergangsweise noch einmal für den Verband zu engagieren.
Höchste Priorität hat die Stabilisierung des Landesverbandes und damit auch der DTU; es gilt die Verbände von einer Verquickung kommerziellen Interessen mit ehrenamtlichen Funktionen freizuhalten.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Lothar Weisser,
Ehrenpräsident des BWTV,
Präsident bzw. Vizepräsident des BWTV 1988 bis 1998
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
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