Zitat:
Zitat von Pascal
"Selig sind, die nicht sehen und doch glauben"
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Klingt gut, aber es wirft sofort die Frage auf, was das Wort "selig" eigentlich genau bedeutet? Wikipedia sagt dazu:
Seligkeit bezeichnet einen Zustand der vollendeten Erlösung bzw. des Heils, aber auch des Glücks.
Diese Regel wird umgangssprachlich in dem Sprichwort ausgedrückt "was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß". Die Frage ist nur, wie gelingt es einem Menschen, nicht zu sehen? Wie vollzieht man die konsequente Ausblendung der realen Welt? Wie erreicht man um der Seligkeit willen die geforderte Ignoranz gegenüber der Umwelt und der eigenen Selbsterfahrung?
Denn viele Fragen drängen sich doch von selbst auf. Warum schuf Gott der Allmächtige das Leid? Fuhr Maria wirklich mit Leib (!) und Seele in den Himmel hinauf, wie es der Papst 1950 zum verbindlichen Glaubensdogma erklärte? Ist es wirklich Gottes Wille, dass Frauen keine Priester werden dürfen?
Zitat:
Zitat von Pascal
Die Gültigkeit der Naturgesetze und christlicher Glaube sind keine sich ausschließenden Gegensätze.
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Diese Einschätzung ist sofort vom Tisch, sobald es konkret wird. Dass Maria ihren Sohn Jesus von Heiligen Geist empfangen habe, dass sie vor, während und nach der Geburt ein intaktes Jungfernhäutchen hatte, dass Jesus drei Tage nach seinem Tod wieder lebendig wurde, dass er über Wasser ging und Fische vervielfältigte, dass ferner Engel und Erzengel (letztere mit den Namen Michael, Daniel und Raphael) Gott zur Hand gehen und so weiter – das widerspricht fundamental einem wissenschaftlichen Denken.
Die Versuchung ist groß, die Welt in zwei Bereiche aufzuteilen: In eine materielle, von den Naturgesetzen, Logik und Vernunft beherrschte Welt, sowie eine geistige, durch religiöses (geoffenbartes) Wissen zugängliche Welt. Diese beiden Bereiche, so wird gesagt, kommen sich nicht in die Quere und können nebeneinander existieren.
Leider ist das eine Konstruktion, die die tatsächlichen Verhältnisse verzerrt. Falsch ist daran die Zuweisung, Religionen gäben Antworten auf spirituelle Fragen. Das ist nicht der Fall. Zwar äußern sie sich zu diesen Themen, geben aber keinerlei Antworten. Was ist der Sinn des Lebens? Warum existiert überhaupt eine Welt? Warum widerfahren guten Menschen oder unschuldigen Babys schlimme Dinge? "Weil Gott es so will" – reicht das als Antwort?
Der christliche Glaube hat nach meiner unmaßgeblichen Wahrnehmung vor allem dort wirkliche Inhalte, wo es um ethische Fragen geht, als um das "wie sollen wir leben". Hier hat das Christentum seinen Schwerpunkt und kollidiert damit zwangsläufig und in erheblichem Maße mit aufgeklärten, vernunftbetonten Sichtweisen. Eine Koexistenz von Religion und Vernunft ist dabei nicht möglich, denn beide überschneiden sich stark in ihrem Geltungsbereich und schließen einander aus. Sind manche Menschen mit dem Teufel im Bunde? Der Vatikan bietet Kurse zum Erlernen der Teufelsaustreibung (Exorzismus) an und führte 2004 die erste internationale Exorzismuskonferenz in Mexiko durch. Im Jahr davor wurden vom Papst 200 Exorzisten ernannt. Dem gegenüber steht die Behandlung der erkrankten Seele durch ausgebildete Ärzte. Anneliese Michel aus Bayern starb 1976 im Verlauf einer Teufelsaustreibung zweier katholischer Priester an Entkräftung und Unterernährung.
Gott sprach zu Abrahm und befahl ihm, seinen einzigen Sohn Isaac als Zeichen seiner Gottergebenheit zu töten. Was tut Abraham? Er lässt seinen Sohn das Feuerholz auf einen Berg tragen, um ihn dort zu schlachten: "Als sie an den Ort kamen, den ihm Gott genannt hatte, baute Abraham den Altar, schichtete das Holz auf, fesselte seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz. Schon streckte Abraham seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten". Im letzten Moment schreitet ein Engel ein und sagt, Abraham haben seine Treue bereits hinlänglich bewiesen, Isaac soll leben. – Auch hier kollidieren religiöse und humanistische Weltbilder in einer Weise, die keine Koexistenz zulässt. Abraham ist für die einen ein Psychopath, denn man tötet nicht den eigenen Sohn, ganz gleich was einem aus einer Wolke entgegenraunt; bei den anderen ist er ein Vorbild und "Vater des Glaubens".
Ich denke nicht, dass eine Koexistenz religiöser und humanistischer Weltbilder möglich ist. Angesichts der Entwicklung des evangelischen Glaubens keimt manchmal Hoffnung auf, doch bei den katholischen Glaubensinhalten scheint es bei der Konfrontation zwischen Glaube und Vernunft zu bleiben.
Grüße,
Arne